Um Aduatuka
Wo befand sich Cäsars großes Winterlager?





Unlängst veröffentlichten wir eine Würdigung der von Studienrat Dr. Spessart betriebenen Forschungen zu diesem umstrittenen Thema. Den Geschichtsfreunden gedenken wir einen Dienst zu erweisen, wenn wir nachstehend ein weiteres Ergebnis emsiger Forschungen veröffentlichen. Der Verfasser gedenkt Feststellungen zu einigen Einzelfragen demnächst noch an dieser Stelle mitzuteilen.

Aus dem Euskirchener Geistesleben

Unter dieser Überschrift bringt das „Volksblatt“ Mitteilungen über eine Aufsehen erregende Entdeckung Dr. Spessarts. Die „Stolberger Zeitung“ berichtet zuerst darüber in Nr. 86 und Nr. 31 vom 11. April 1936. Es handelt sich um die Gleichsetzung von Atsch-Aduatuka. Damit hätten wir glücklich etwa die 25. Theorie über das Aduatuka der Eburonen.

Der Historiker, der das Buch von de Noue kennt „Aduatuka und nochmals Aduatuka“ ist nicht erstaunt, daß das Viertel vom Hundert erreicht ist, sondern wird geduldig im folgenden die 26. Hypothese über das Aduatuka der Eburonen lesen, denn sie bringt ganz neue Gesichtspunkte, fußt auch auf jahrelangen ernsten Forschungen und bringt Beweise auf Grund 1. des literarischen Befundes, 2. des archäologischen Befundes, 3. der Flurnamenforschung und 4. der Folklore.

Der Unterzeichnete gründet seine Theorie auf die Forschungen wissenschaftlich anerkannter Militärfachleute: 1. des Generals v. Göler, 2. das des Generals Karl v. Veith und 3. des Generalstabshauptmannes Georg v. Veith, des Sohnes des Letztgenannten. Vor allem der letztere scheint Dr. Spessart nicht bekannt zu sein.

In seinem grundlegenden Werke „Geschichte der Feldzüge C. Jul. Cäsars“ weist G. v. Veith auf Grund genauester Messungen nach, daß Aduatuka „am Oberlauf der Rur'“ liegen muß. Sein Vater General v. Veith, setzt Geilenkirchen = Aduatuka. General v. Göler sagt Limburg ist Aduatuka. Professor Schötteler meint Rheinbach sei es, Generalleutnant von Cohausen sucht das Plateau von Emburg zu Aduatuca zu machen, H. J. Groß, ein hervorragender Kenner der keltischen Sprache, sagte vor 50 Jahren (vergl. Zeitschr. des Aachener Geschichtsvereins) Vetschau im Landkreise Aachen ist das langgesuchte Aduatuca. Tongern aber zu nennen ist ganz abwegig, denn Universitätsprofessor R. Müller - Köln hat 1926 in seiner Abhandlung im Geographischen Anzeiger 1926 Nr. 5/10 nachgewiesen, daß „Aduatuca Tongrorum“ nichts anders ist als die Citadelle von Lüttich (im Nordwesten der Stadt).

Ein anderer Euskirchener, Victor Demmer, ein stiller, aber scharfsinniger Forscher auf dem Gebiete der germanischen Frühgeschichte, der leider mit seinen Forschungsergebnissen bis jetzt nicht an die Öffentlichkeit treten will, hält den Burgberg bei Birgel (Eifel) für das Aduatuca der Eburonen. Der Verfasser dieser Zeilen sagt mit G. v. Veith: Aduatuca liegt am Oberlauf der Rur, „ungefähr mitten im Gebiet der Eburonen“ wie Cäsar sagt, der Eburonen, „deren größter Teil zwischen Maas und Rhein wohnt“ und mitten zwischen Maas und Rhein fließt die Rur. Aber wo ist das cäsarische Lager in unserer Eburonenheimat? - dazu gehört ja auch Euskirchen! Man wird unwillkürlich erinnert an die Szene aus Shakespeares „Julius Cäsar“, wo Antonius an der Leiche Cäsars dessen Testament in der Hand, die Trauerrede hält und das Volk immer stürmischer ruft: „Das Testament, das Testament!“ So klingt aus der Aduatuca-Forschung immer wieder der Ruf: „Das Lager, das Lager! Wo ist Cäsars Lager im Lande der Eburonen!“ Es muß ein großes Winterlager gewesen sein, kein Stationslager. Kein geringerer als Theodor Mommsen setzt es Reims und Amiens gleich! Zweimal hat Cäsar es bezogen, trotzdem er dort die größte Niederlage auf germanischem Boden erlitten.

Man kann sich die Sache nun leicht machen und sagen: Wie aus Mongontiacum Mainz geworden ist, so ist aus Atuatuca Atsch geworden. Das wäre dann etwa dasselbe wie: Die Eburonen heißen so, weil sie in ihrem Schilde den Eber führen oder das obengenannte Vetschau bedeutet „fette Au“! Das würde dann mit einem Lächeln enden, so wie mein hochverehrter Lehrer der Geschichte am Gymnasium zu Düren, Prof. Dr. Schoop, lächelte, als er von Prof. Dr. Ganter - Düsseldorf nach Stolberg gerufen wurde, um dort zu bestätigen, daß die Porta decumana des cäsarischen Lagers von Aduatuca bei einem Stellhäuschen mitten zwischen den Schienengeleisen beim Stolberger Bahnhof liege!!!

So schilderte es mein Landsmann Prof. Dr. Baron v. Capitaine in Nr. 91 der „Stolberger Zeitung“ vom 11. April 1936 im Anschluß an den Artikel von Dr. Spessart in derselben Nummer der „Stolberger Zeitung“. Wenn ich nun auf Grund langjähriger Forschungen (Prof. Dr. Schoop hat mich schon als Primaner des Dürener Gymnasiums auf seinen Streifzügen durch den Kreis Düren mitgenommen und seitdem hat mich der Baduawald und das alte Niteca, die Heimat meiner Ahnen, nicht mehr losgelassen) behauptet: Bei Niteca (Nideggen) liegt der Wald Badua (mit der untergegangenen Stadt). Nimmt man den Lippenbuchstaben, der wegen bequemer Aussprache beigefügt sein kann weg, so hat man Auda, das „ni“ noch weg und „Aduteca“ ist fertig. (So schreibt Pfarrer Fischer, der Oheim des Bürgermeisters Heinr. Fischer, Berg vor Nideggen; letzter machte mich mit den Aduatucaforschungen seines Oheims bekannt. Pfarrer Fischer hat übrigens schon im Jahre 1895 mit dem Provinzial-Museum in Bonn wegen des „Aduatuca“ korrespondiert.) Wenn ich, wie gesagt, das auch behaupte, falle ich dann in denselben Fehler? Doch darüber später. Auf jeden Fall muß „in Badua“ (so schreibt Cäsarius von Heisterbach 1241 den Ortsnamen; die viel spätere Wortform „in der Bagden“ stört also nicht), ein echtes cäsarisches Winterlager gefunden werden. Die Porta decumana, das Hintertor, muß nachgewiesen werden, ferner der Murus, d. h. die Trockenmauer, ebenso der unus omnino collis = der Hügelrücken, dann die magna Couvallis, d. h. der große und tiefe Talkessel, und schließlich die Getreidefelder der Eburonen „auf dem platten Lande“.

Diese Dinge sind schon - wie eingangs bemerkt - an 25 Stellen angeblich festgestellt worden, und doch war alles irrig. Studienrat Dr. Teven aus Elmpt bei Erkelenz, also auch aus dem Eburonenland, ein langjähriger Ortsnamenforscher, ist mit mir in folgendem einig: Die Ortsnamen sind im Laufe der Jahrhunderte ganz anders gekürzt und entstellt worden und haben weit mannigfachere Endformen gezeitigt, als sonstige Wörter, so daß schwer zu sagen ist, was alles aus einer Grundform, vor allem bei nichtgermanischen Wörtern, hätte werden können.

Leichter ist dagegen zu bestimmen, ob sich ein heutiger Ortsname aus einer gewissen zugrunde gelegten Urform hat entwickeln können oder nicht. Auf das Wort Aduatuca angewandt würde das besagen: Endformen wie Atsch und Vetschau gehören zu den lautgeschichtlich möglichen Entwicklungen, Niteca oder Adua dagegen können lautgeschichtlich nicht mit Aduatuca in Verbindung gebracht werden noch daraus hervorgegangen sein. Badua und niteca lassen sich wohl in einem Bedeutungszusammenhang bringen, da beadu, badh, badu auch in germanischen Sprachen die Bedeutung Kampf gehabt haben und zwar bis zur Karolingerzeit, und „nit“ in ähnlicher Bedeutung als Feindschaft, Zorn, vorkommt. Eka, unser heutiges Ecke = Spitze, Schneide findet sich in den Ortsnamen vielfach als eck, ecken, und stellenweise als eggen und hat dort die Bedeutung von Felsen, Vorsprung, spitz zulaufendes Gelände, Baduawald würde sich demnach mit Kampfwald und niteca mit Kampffelsen, Streitberg übersetzen lassen. Ein Bedeutungszusammenhang zwischen Badua(wald) und niteca ist also sehr wahrscheinlich. Ein sprachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Wörtern dagegen ist wohl ausgeschlossen, desgleichen eine sprachliche Verwandtschaft von Aduatuca mit badua und niteca. Das möge für heute bezügl. „Flurnamenforschung“ genügen.

Wer an die Entdeckung des Aduatuca der Eburonen herangehen will, der muß bei Aduatuca drei Zeiträume unterscheiden, die bisher noch von keinem Forscher berücksichtigt worden sind, und zwar:

1. Aduatuca zur Keltenzeit
2. Aduatuca zur Kimbernzeit
3. Aduatuca zur Römerzeit.

Die wissenschaftlich gesicherten Ergebnisse dieser drei Zeitepochen bringen allein Klarheit in die dunkle Frage des Aduatuca der Eburonen.

Wer sich mit der Geschichte des Aduatuca befaßt, der kommt bald zu der Einsicht, daß seit den Tagen der Kelten, Germanen und Römer die Geschichte unserer Heimat beherrscht ist vom „Kampf um den Rhein“. In diesem Sinne ist der Baduawald, der „Kampfwald“ wo Roms größter Feldherr und Verfasser des „Generalstabwerkes des Altertums“ seine größte Niederlage auf germanischem Boden sich holte, geradezu symbolhaft. Damals waren die Germanen auf der ganzen Front im Vorrücken. In dieser Hinsicht ist auch Cäsars Wort von Aduatuca: subesse Rhenum, d. h. der Rhein sei ganz in der Nähe von Aduatuca, viel zu wenig beachtet worden. Von „Badua“ aus, das vor der Naturschranke der Rur liegt, kann man bei hellem Wetter die Türme des Kölner Domes sehen, die ganze Erft- und Neffelniederung und westwärts die höchsten Höhen des Hohen Venn. Hier muß man die Ausführungen von Dr. Hasenberg („Kölnische Volkszeitung“ Febr. 1936) in seiner Besprechung über Dr. Künoldt's Buch: „Die geographischen Grundlagen für die Kriegszüge am Rhein“ beachten: „Es ist von hohem Interesse, zu verfolgen, wie Fluß und Landschaft gerade hier im Westen von Einfluß auf die Gestaltung und Abwicklung der Kämpfe waren, welches die geographischen Gründe waren, die einem Heere diese oder jene Marschrichtung vorschrieben und die - neben anderen Umständen - mitbestimmten, welcher Feldherr sich auf dem Schlachtfeld als Sieger behaupten konnte“. Die Niederlage der zwei Legaten Cäsars, des Cotta und Sabinus im tiefen Talkessel der Rur am „Streitfelsen“ ist ein typisches Beispiel dafür.

Keine der früheren Aduatuca-Theorien hat m. R. die Frage lösen können: Warum schlug Cäsar sein Winterlager an der Rur auf? Wo lagen die Getreidefelder der Eburonen? Gerade das ist von größter Bedeutung für die Lösung der Frage: Wo lag der Wohnsitz des Ambiorix? Er muß am Nordabhang der Eifel gelegen haben, bei diesen Getreidefeldern. Und diese lagen zwischen „Badua“ und Tolbiacum (Zülpich). Und nun tritt - für den Altertumsforscher nicht verwunderlich - Zülpich in den Zusammenhang mit der Aduatucaforschung, das alte Zülpich mit seiner überragenden Bedeutung für die germanische Frühgeschichte.


Zülpich, der Tagungsort des Historischen Vereins.
Foto: Volksblatt-Archiv

Der Historische Verein für den Niederrhein hält am 9. Juni in den Mauern des alten Tolbiacum seine Frühjahrsversammlung ab. Der Unterzeichnete hat den bescheidenen Wunsch, daß seine Leitung sich für die Aduatucafrage interessiere, denn sie ist nicht nur ein Beitrag zur Geschichte der Nord-Osteifel, sondern in hervorragendem Sinne ein Problem des Niederrheins. Zülpich lag mit Aduatuca im Hintergrund mitten im Eburonenlande. Es ergibt sich hieraus von neuem die große militärische Wichtigkeit, welche das auf einem der äußersten Vorsprünge des südlichen Gebirges liegende Zülpich mit dem dasselbe beherrschenden Aduatuca schon vor der Römerzeit hatte.

Meine Aduatucatheorie wird auch etwas Licht bringen in die dunkle Fragen: 1. Welchen Zweck hatten die vorgeschichtlichen Wege aus den Niederungen des unteren Rurtales mit den an ihnen liegenden Wallburgen? P. A. Tholen vom Wallraf-Richartz-Museum in Köln hat hier ja bedeutsame Entdeckungen gemacht. Sie schützen die Landesfestung Aduatuca mit dem dabei liegenden Wohnsitz des Königs Ambiorix. 2. Warum konnte J. Hagen die Militärstraße Köln-Eifel-Reims zwischen Bürvenich und Hergarten auf eine längere Strecke nicht sicherstellen? Weil sie hier einen Abzweiger zum Aduatuca hat.

Das in neuem Glanze erstandene rheinische Landesmuseum in Bonn hat vor einigen Wochen einen großen Ausgrabungsplan bekanntgegeben. Möge es sich auch der Eburonenfestung Aduatuca im Dürener Lande erinnern.

Es mußten die Jahre eines beispiellosen nationalen Unglücks kommen, um die Blicke des deutschen Volkes wieder fester auf seine große volkliche Vergangenheit zu richten. Wie in unseren Zeiten handelt es sich bei Aduatuca um nichts anderes, als um die nationale Erhebung der Deutschen; damals des größten deutschen Stammes auf dem linken Rheinufer gegen den größten Feldherrn der damaligen Zeit. Es war ein Freiheitskrieg. Seine Betrachtung soll Vergangenes wieder in uns lebendig machen. Alle traditionsbewußten Deutschen sollten sich dessen bewußt sein. So wollen auch diese einleitenden Zeilen mit den Augen des Gemeinschaftsgedankens die Kämpfe von Aduatuca betrachten und dadurch mitarbeiten helfen am Aufstieg der deutschen Seele.

Lommersum

Pfarrer Pohl





Quelle: Euskirchener Volksblatt Nr. 130 vom 6. Juni 1936
Sammlung Michael Peter Greven, Nideggen, Sammlung wingarden.de, H. Klein
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