Nochmals Aduatuka
Wo befand sich Cäsars großes Winterlager?





Dr. Spessart bringt im „Westdeutschen Beobachter“ (Euskirchen) vom 16. Juni 1936 eine Antwort auf meine Aduatucatheorie. Der Artikel wurde mir nach Bamberg, wo ich in Erholungsurlaub weile, nachgeschickt. Ich beantworte denselben umgehend von Bamberg (Bayern) aus.

Ich stelle einleitend fest, daß Herr Dr. Spessart sich persönlich angegriffen fühlt! Ich bin erstaunt darüber. Nichts lag mir ferner, als eine solch subjektive Haltung einzunehmen. Aber eine Angelegenheit, die historisch und philologisch so ausgelaugt ist, wie die Aduatucafrage, löst man nur durch harte, objektive und vor allem sehr kritische Stellungnahmen. Sonst wird man nie zu einer Lösung der Frage nach dem „Aduatuca der Eburonen“ kommen.

Im Schlußabschnitt 14 seiner Gegenschrift nennt Herr Dr. Spessart meine Ausführungen dann „reichlich unklar und unsystematisch“ und spricht sogar von einer „inneren Haltung“, die ich gegen ihn eingenommen habe. Letztere wird er wohl nie beweisen können, und „reichlich unklar“ sind viele Behauptungen in den 14 Abschnitten von Dr. Spessarts Gegenartikel, ja nicht nur das, sondern falsch

Dr. Spessart schiebt mir hier Ansichten zu, die mich als einen Stümper auf dem Gebiete der Aduatucaforschung hinstellen. Ich bin aber gar nicht beleidigt. Erstaunt bin ich nur darüber, daß Herr Dr. Spessart meine Gegenausführungen so oberflächlich und flüchtig gelesen hat, daß er die Arbeit des „Druckfehlerteufels“, der aus „Aduateca“ Aduteca gemacht hat, nicht einmal bemerkte, und daß er in seinem „Unglücks-Abschnitt“ „13“ mich „an die Maas“ schickt! Mit anderen Worten mir den großen Fehler jener Aduatucaforscher anhängen will, die ein Jahrhundert lang das Aduatuca der Eburonen fortwährend mit dem „oppidum Aduatucorum“, d. h. der „Stadt der Aduatucer“ verwechselten.

Was endlich das angeblich „Unsystematische“ in meinen Ausführungen betrifft, so kann ich für heute nur sagen:

1. Meine Ausführungen waren nur Einleitendes und

2. die von Dr. Spessart numeriert angeführten „Abschnitte“ in meinem Artikel sind nicht von mir, sondern von der Schriftleitung gemacht worden. Auch meine Forschungsergebnisse über „Das Aduatuca der Eburonen“ liegen druckbereit. Dr. Spessart wird verstehen, wenn ich sie verteidige.

Nun möge alles „Persönliche“ ausscheiden. Ich teile, wie Dr. Spessart es mit seinem Artikel gemacht hat, den seinen ebenfalls in Abschnitte ein. Es sind deren 14:

Zu Abschnitt 2): Ich meine, wer das Buch des Generalstäblers Georg v. Veith, also eines militärischen Fachmannes, durchstudiert hat, der verzichtet gerne auf „zirkelgenaue“ Ansetzungen des Aduatuca anderswo. Ich mußte deshalb zu meiner Meinung kommen. Bis jetzt hat noch kein Aduatucaforscher die „genauen“ Grenzen des Eburonenlandes feststellen können. Meines Erachtens wird dies auch keinem gelingen. Was ich über das „Aduatuca der Tongern“ sagen „muß“, werde ich schon ausgiebig an anderer Stelle tun.

Zu Abschnitt 3): Das von mir über Theodor Mommsen Gesagte ist nicht falsch, sondern richtig. Dr. Spessart schreibt: „Mommsen setzt Aduatuca nicht in Reims und nicht in Amiens an“. Wer hat das denn behauptet? Wenn Dr. Spessart meine Ausführungen nicht so oberflächlich und flüchtig gelesen hätte, dann wäre ihm dieser Irrtum nicht unterlaufen. In meinem Artikel habe ich gesagt: „Es - nämlich Aduatuca oder ganz genau ausgedrückt das Lager bei Aduatuca - muß ein großes Winterlager gewesen sein, kein Stationslager.“ Kein geringerer als Theodor Mommsen setzt es Reims und Amiens gleich, nämlich als „castra hiberna“, d. h. in seiner Bedeutung als „Winterlager“. Glaubt Dr. Spessart wirklich, ich nehme von Mommsen an, daß er einmal Reims und ein anderesmal Amiens als das Aduatuca im Lande der „Eburonen“ bezeichnet habe? Georg v. Veith kennt in Nordgallien auch nur drei cäsarische Winterlager, nämlich: 1. Durocortorum (Reims). 2. Samarobriva (Amiens) und 3. Aduatuca im Lande der Eburonen. Es ist wahrhaftig schwer, heute, nach beinahe 2000 Jahren, ein cäsarisches Winterlager einwandfrei aufzudecken. Die cäsarischen Lager liegen nach den anerkannten Forschungen der Fachgelehrten alle unter der Erdoberfläche. Ich wünsche für Herrn Dr. Spessart aufrichtig, daß er sich die Sache auch recht schwer mache, wie ich es seit ca. 8 Jahren getan habe. So wird es verständlich, daß die Überschrift meines Artikels lautete: „Wo befand sich Cäsars großes Winterlager?“

Zu Abschnitt 4): Ich soll also aus „Lokalpatriotismus“ Dr. Spessart „unter fälschlicher Zuweisung von Behauptungen zu diskreditieren“ versucht haben! Welches Interesse soll ich denn daran haben, den mir persönlich ganz unbekannten Herrn Dr. Spessart in Mißkredit zu bringen? Ich habe nur meine Arbeit verteidigt. „Lokalpatriotismus“? Das Wort ist ganz unangebracht. Meine Arbeit ist ein Beitrag zur Geschichte der Nord-Ost-Eifel und die ist die Heimat meiner Vorfahren. Das Wort von „Blut und Boden und Ahnen“ hat doch im Vaterlande einen so tiefen Inhalt bekommen, daß man es nicht mit „Lokalpatriotismus“ abtuen darf. Dr. Spessart hat doch Mogontiacum (Mainz) zum Vergleich herangezogen, und bezügl. der drei Professoren auf dem Stolberger Bahnhof bleibt die Tatsache bestehen, daß Prof. Ganters Theorie glattweg abgelehnt wurde.

Zu Abschnitt 6): Ich habe Prof. v. Capitaine nirgendwo in Gegensatz zu Dr. Spessart gebracht. Die Bemerkung „eine solche Art wissenschaftlicher Berichterstattung“ muß ich daher entschieden zurückweisen. Prof. v. Capitaine irrt übrigens, wenn er einen „römischen Krieger“ die Bestimmung des Geländes von Aduatuca machen läßt. Nach dem Cäsartext kann es nur ein gefangener Eburone gewesen sein (Buch 6, cap 35).

Zu den Abschnitten 8) und 9) kann ich nur bemerken, daß darin die subjektive Ansicht von Dr. Spessart wiedergegeben wird.

Zu Abschnitt 10): Dr. Spessarts Ausdruck vom „Holzfällerexperiment“ ist köstlich. Warum nicht „Hinterwäldler- und Köhlerexperiment“. Das würde mich noch mehr belustigt haben. Das Wort vom „Bauernpastor, der von solchen Sachen nichts versteht“ ist schon anderswo gefallen. Tatsächlich hat aber hier Dr. Spessart etwas gesagt, freilich unbewußt gesagt, was die Holzfäller im Walde Badua, die augenblicklich mit ihren „Waldteufeln“ den Wald roden - derselbe wird nämlich zusammengelegt - in engen Zusammenhang mit der Aduatucafrage bringt. Die fleißige Arbeit dieser Holzfäller hat nämlich das ganze gewaltige Befestigungssystem „in Badua“ übersichtlicher gemacht und den Landsitz des Königs Ambiorix zum Vorschein gebracht. Darum alle Hochachtung vor diesem „Holzfällerexperiment“. Ich verweise dann auf den Eingangs zitierten „Druckerteufel“ und stelle zum Schluß nochmals fest, daß ich mir durchaus nicht die Theorie von † Pfr. Fischer zu eigen mache, im Gegenteil in meiner Abhandlung einen sprachlichen Zusammenhang zwischen den Worten Badua und Niteca mit Studienrat Dr. Teven für ausgeschlossen halte. Ich habe nirgendwo behauptet, daß der Wald bei Cäsar Aduatuca genannt werde. Der Ort wird Aduatuca genannt.

(Fortsetzung siehe nächste Seite)

Fortsetzung von der vorherigen Seite: Um Aduatuka

Aber hier die Gegenfragen: Warum klebt denn Dr. Spessart so sehr an dem Ortsnamen Atsch - mit scharfem „t“ geschrieben? Er weiß doch sicher, daß die Mehrzahl der alten Handschriften Aduatuca schreibt und andere Advoca bringen. Das mehrfache Vorkommen des Namens Aduatuca veranlaßt General v. Göler zu der Annahme, das Wort sei ursprünglich ein Appellativum und bedeute „Gutswache“. Meines Erachtens kann Atsch durchaus „ein Aduatuca“ gewesen sein. Um es aber als das von Cäsar genannte Castell Aduatuca im Eburonenlande nachzuweisen, muß unbedingt das cäsarische Winterlager bei Atsch nachgewiesen werden. Auf einem Berge kann das aber nicht gelegen haben, denn die Römer haben (vergl. Hygin) ihre Lager nicht auf Bergen aufgeschlagen. - Herr Ingenieur Victor Demmer, der in meinen Ausführungen genannte Euskirchener, teilt mir mit, daß es eine alte, schon 30 Jahre alte Hypothese sei, Aduatuca nach dem ähnlich klingenden Atsch zu verlegen. Diese Hypothese sei ihm seit seiner Schulzeit bekannt. Als um das Jahr 1905 herum die Hypothese von Atsch = Aduatuca aufkam, hat er das Gelände genau eingesehen. Kurz vorher waren die Ausgrabungen des Römerlagers bei Haltern in Westfalen. Die schon 1905 für die römischen Lagerverschanzungen ausgegebenen Wälle und Gräben lagen zum Teil an einem so steilen Abhang, daß es unmöglich gewesen wäre, überhaupt ein Zelt aufzuschlagen, zum Teil in dem am Fuße dieses Abhanges sich entlang ziehenden Sumpfgeländes, in dem es ebenfalls unmöglich war, ein Zelt aufzubauen oder Erdhütten anzulegen. Die an dem Bergabhang befindlichen Wälle und Gräben sind bestimmt nicht aus der Römerzeit, sondern unseres Erachtens alte Pingen und Wasserabzugsgräben zur Untersuchung des Bodens. Denn dieser Ausläufer des Probsteierwaldes bildet die südwestliche Spitze der Eschweiler Kohlenmulde. Der Bergabhang besteht nämlich aus verwittertem schwarzem Kohlenschiefer und es ist nicht ausgeschlossen, daß hier einmal früher schmale Kohlenflöze zu Tage traten, auf Grund deren nicht weit nördlich vom Stolberger Bahnhof ein Kohlenschacht abgeteuft worden ist, der aber nicht lange in Betrieb war und dessen Gebäulichkeiten noch lange leer gestanden haben. Soweit das Sumpfgelände am Fuße des Abhanges seinerzeit noch nicht wegen der Geleisanlagen zugeworfen war, befanden sich darin mehrere Entwässerungsgräben und die aus dem Erdaushub entstandenen Wälle. Diese Wälle sind vermutlich für die Lagerwälle angesehen worden. Der Fund des Wüstenroder Leopards, der im Bonner Provinzialmuseum aufbewahrt wird, nach der Neuordnung des Museums aber nicht aufgestellt wurde, hat sehr viel zu der Hypothese Atsch = Aduatuca beigetragen. - Könnte man dieses römische Kohortenzeichen, das nach der Schlacht von Aduatuca wohl ein römischer Fähnrich auf der Flucht hat lassen müssen, nicht dem Stolberger oder Dürener Museum überlassen? Er ist doch ein zu wichtiges Fundstück aus der Frühzeit des Dürener und Stolberger Landes, um in Verborgenheit zu bleiben. Ich habe vor 2 Jahren mit Univ.-Professor Dr. R. Müller (Köln) den Atscher Berg und das umliegende Gelände besichtigt. Wir kamen zu der Überzeugung, daß auf dem Atscher Berg kein cäsarisches Winterlager gelegen hat. Auch die magna con - vallis ist in des Wortes genauer Bedeutung bei Buschmühle nicht vorhanden.

Zu Abschnitt 12): Ich habe zuerst die Dreiteilung: 1. Aduatuca zur Keltenzeit, 2. Aduatuca zur Kimbernzeit und 3. Aduatuca zur Römerzeit für das Kastell Aduatuca gemacht. Und ich werde durch den archäologischen Bodenbefund beweisen, daß die 6000 (Vergl. Cäsar, Buch II Kap. 29) hier zuerst ihre „Gutswache“ hatten. (Vergl. dazu Tacitus.) Ich stelle dies hiermit vor der Öffentlichkeit fest.

Zu Abschnitt 13): Herr Dr. Spessart ist hier in einem schweren Irrtum. „An die Maas“ gehen wir hier nicht, wie eingangs gesagt. Mit dem „oppidum“, d. h. der „Stadt der Aduatucer“ hat bekanntlich Aduatuca nichts zu tun. Die „doppelte hohe Mauer“ auf dem Berge Falhize die General v. Göler nachwies, interessiert uns hier nicht, sondern der murus, d. h. die Mauer, die nach den Aussagen des gefangenen Eburonen von der im Winterlager zurückgebliebenen Besatzung nicht ausreichend verteidigt werden könne. Diese Mauer war eine Trockenmauer. Mehrere Steinlagen derselben liegen noch im Boden. Übrigens haben schon vor etwa 50 Jahren die Fachgelehrten darüber gestritten, warum und in welcher Bedeutung Cäsar gerade hier das Wort murus braucht. Es handelt sich hier um die Brustwehr des Lagerwalles, weil das Castell für die römische Armee zu klein, oder besser gesagt unbrauchbar war und diese vor demselben, im alten Lager des Cotta und Sabinus kampierte. Diese Feststellung ist von größter Bedeutung. Auf dem Atscher Berg ist sie nicht zu machen. Was Dr. Spessart nun weiter von den „Getreidefeldern auf dem platten Lande“ sagt, hat mich in größte Verwunderung gesetzt. Wo habe ich gesagt, die Getreidefelder erstreckten sich „von Nideggen an“? Dr. Spessart irrt sehr, wenn er meint, ich halte Nideggen für das Castell. Die Lage, die ich den Getreidefeldern gebe, stimmt ganz genau mit Cäsars Angaben überein. Wenn sich diese Getreidefelder bis Zülpich erstrecken, - wie Dr. Spessart meint - umso besser für die römische Armee, sowohl Menschen wie Tiere, und wenn sie sich durch „die Feld“ - das ist der Jahrhunderte alte Name für das fruchtbare Feld auf der Linie Zülpich-Kelz-Düren - hinzogen, dann ist das nur ein Beweis für Cäsars Feldherrnblick, der in Badua vor der Barriere der Rur sein Winterlager aufschlug, weil er auch mit Rücksicht auf die fruchtbaren Felder, es hier aufschlagen mußte. Nicht ohne wichtigen Grund spricht er mehrmals vom „Getreidefassen“. Im Zusammenhang damit wird man auch der Lösung der Frage: Bedeutet Eburonenland „Eibenland“ oder „Burenland“ näher kommen. Ich stelle ausdrücklich fest, daß ich zuerst auch diese Aufstellung hiermit vor der Öffentlichkeit gemacht habe. - Dr. Spessart sagt sodann, es stimme nicht, daß die Felder bei Aduatuca nach Cäsars Schilderung „auf dem platten Lande“ liegen. Doch, das stimmt sogar sehr genau. Das Castell Aduatuca liegt höher, als das Lager Cäsars. Dieses muß wiederum tiefer liegen als der „Hügelrücken“ und in noch größerer Tiefe hinter diesem Hügelrücken liegen die Getreidefelder. Damit sitzen wir bestimmt auf dem „platten Lande“. Ich habe bewußt „in agris“ übersetzt mit „auf dem platten Lande“. Es ist das genau dasselbe „platte Land“ auf dem Cäsars Reiteroberst Basilus (Cäs. Buch VI Cap. 30) die Eburonen überraschte, als er auf der „Cäsarstraße“ über die Eifel kommend, den König Ambiorix beinahe abgefangen hätte. Professor Dr. Kurt Woyte, der bekannte Cäsarübersetzer, übersetzt übrigens „in agris“ genau wie ich, „auf dem platten Lande“. Ich bin also wieder in guter Gesellschaft.

Zu Abschnitt 14) möchte ich für heute abschließend noch sagen: Ich erwarte mit großer Spannung den archäologischen Bodenbefund Dr. Spessarts. Ich möchte Dr. Spessart den Vortritt überlassen. Sieger wird der bleiben, der in Aduatuca ein römisches und zwar ein cäsarisches Lager nachweist. Zuletzt noch eine Frage: Wie lange werden die Philologen, besonders die Historiker an unseren höheren Lehranstalten, vor allem im Dürener, Stolberger und Euskirchener Lande es sich gefallen lassen, daß der Verlag von Putzgers historischem Schulatlas heute noch dieselben alten Karten bezgl. Aduatuca und Eburonenland bringt wie vor ca. 35 Jahren?

Lommersum

Pfarrer Pohl





Quelle: Euskirchener Volksblatt Nr. 148 vom 29. Juni 1936
Sammlung Michael Peter Greven, Nideggen, Sammlung wingarden.de, H. Klein
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