Eine Studienfahrt nach Aduatuka





Einige Leser des „Volksblatt“, die von ihrer Gymnasiastenzeit freundliche Erinnerungen mit ins Leben nahmen und sogar für Cäsars Gallischen Krieg, die Leiblektüre des Tertianers, noch so etwas wie alte Liebe verspürten, lasen mit steigender Teilnahme die Ausführungen, die das „Volksblatt“ aus der Feder des Lommersumer Pfarrers und Altertumsforschers Pohl brachte über das Thema „Aduatuka“.

Was ist denn nur dieses Aduatuka? Dieser Name haftet an einem uralten keltisch-germanischen-römischen Bollwerk, das zweimal ein römisches Heer beherbergt hat und einmal Zeuge gewesen ist der größten Niederlage, die Cäsars Truppen auf linksrheinischem Boden erlitten, eine Schlacht, die man mit gutem Recht mit der bekannten Römerschlacht im Teutoburger Walde in Vergleich setzen kann. Diese Niederlage erlitt Cäsar nicht von den Galliern, sondern von den Deutschen und zwar von dem deutschen Stamm der Eburonen, unsern Verfahren im Eifellande. Cäsar sagt selbst, die Eburonen wohnten zwischen Maas und Rhein und im Mittelpunkt ihres Gebietes liege besagtes Aduatuka. In dieser alten Wallburg hatten die Cimbern und Teutonen, als sie, Volk ohne Raum, auf dem Wege nach Italien waren um Platz und Nahrung zu finden, 5000 Menschen mit einem großen Troß von Karren und Vieh zurückgelassen, nachdem sie, auf Grund ihrer überlegenen Tapferkeit die Kelten aus der Burg vertrieb en hatten.

Von jeher hat man sich die Frage vorgelegt, wo lag jenes Aduatuka? 26 verschiedene Ansichten sind mit viel Gründlichkeit und wenig Erfolg über die Lage Aduatukas veröffentlicht worden, die letztere von Pfarrer Pohl, die vorletzte von unserm Landsmann Studienrat Dr. Spessart, dessen Veröffentlichungen den Anstoß gaben, daß nun auch Pfarrer Pohl seine These zur Diskussion stellte. Nun hatten die Ausführungen des Pfarrers, die seit 1936 mit Unterbrechung erschienen, soviel Überzeugendes an sich, daß sich obengenannter Kreis von Geschichtsbegierigen entschloß, kurzer Hand mal eine Lokalinspektion an Ort und Stelle vorzunehmen. Diesen Entschluß führten sie um so lieber aus, als der freundliche Pfarrherr sich erbot, die Führung zu übernehmen.

Ein Euskirchener Sechssitzer brachte die Altertumsfreunde, die sich vorsorglich mit Karten und sogar mit Cäsars Urtext bewaffnet hatten, in angenehmer Fahrt über die Wallentaler Höhe nach Gemünd, wo ein reges buntes Leben und Treiben herrscht, fast wie auf der Neustraße in Euskirchen. Von Gemünd aus gings steil aufwärts auf sauber gepflegter und erbreiteter Reichsstraße zum Kloster Mariawald; dann aber sofort wieder abwärts nach Heimbach zu. Auf dieser Talfahrt gabs an einem Aussichtspunkt eine kurze Ruhepause; von hier hat man einen wundervollen Blick auf das Roertal bis zur langen Sperrmauer bei Schwammenauel, die als gewaltige Horizontale den Horizont im Westen abschließt. Scharfe Augen wollten auch noch einen Blick auf den Stausee erhascht haben, trotz des dunstigen Wetters.

Nachdem man sich in Heimbach vergewissert, wo denn nun eigentlich der Weg nach Hausen führe, gings über einen holperigen Kommunalweg nach diesem freundlichen Roerdorf, wo das Stelldichein mit den Sachverständigen verabredet war. Im Hofe der altehrwürdigen Hausener Burg fanden sich nun bald die Teilnehmer der Aduatuka-Expedition zusammen, darunter außer den Genannten ein Amtsrichter aus Köln mit seiner Gattin, ein Studienrat i. R. und der Bürgermeister von Berg vor Nideggen, in dessen Amtsbezirk die vielgesuchte Feste Aduatuka liegen sollte.

Nachdem das alte Wappen an der Hausener Burg geklärt war, condicio sine qua non, ging der Expeditionszug nach Aduatuka los den Berg herauf, vorn als Spitzenreiter der Bürgermeister von Berg auf dem Motorrad, ihm folgten drei Autos mit dem cäsarkundigen Publikum. Der letzte Teil des Weges wurde zu Fuß zurückgelegt. Schon befand man sich auf historischem Boden, denn dieser Weg ist bekannt als der alte Trierer Weg, auf dem seit Jahrhunderten Wallfahrer nach Trier pilgerten zum Heiligtum des Apostels Matthias. Dieser Weg, der den ausgedehnten Baduawald von Norden nach Süden durchschneidet, führt hart an Aduatuka vorbei. Ein Blick auf den Erdboden belehrte uns, daß wir auf römischem Gebiet waren; unzählige Scherben von römischen Ziegeln lagen in der Fahrbahn, teils als Bruchstücke, teils zermahlen von dem Bauernfuhrwerk.

Nun sind wir vor Aduatuka angelangt. Aber wir sehen keine Spur von einem Bollwerk, nur einen schwer zugänglichen Schälwald. Aber bald denken wir anders, sobald wir in das Gehölz eingedrungen sind; wir sehen mehrere parallel laufende Gräben, dahinter Wälle, die sich deutlich abheben, auf ihrem Kamme Reste einer sogen. Cyklopenmauer. Diese Mauer verfolgen wir bis zu einer Lagerecke, wo, nach Art der Befestigung zu urteilen, der Eingang sich befunden haben muß. Warum ist die starke Mauer nicht besser erhalten? Ihr Material ist von der umwohnenden Bevölkerung verwandt worden; so ist festgestellt worden, daß die nur einige Kilometer entfernte Nideggener Burg der Jülicher Herzöge von demselben Stein gebaut wurde, zum Teil wenigstens. An der Westseite des Lagers, wo das Gelände zur Roer abfällt, zeigt man eine Art Vorburg, einen bastionsartigen Ausbau, dessen Wälle noch gut erhalten sind. Ein etwas mühsamer Aufstieg führt zum höchsten Punkt des Lagers, der offenbar besonders stark befestigt war, denn hier findet sich ein großer Steintrümmerhaufen.

Mittlerweile hatte sich ein Teil der Gesellschaft mit den Damen, für die die Besichtigung reichlich dornenvoll war, zurückgezogen. Die ihren Waden mehr zutrauten, folgten der Einladung, einige Wohngruben zu besichtigen, die sich zahlreich in der Umgebung Aduatukas befinden. Es sind das 3 - 4 Meter tiefe, im Durchmesser etwa 15 Meter fassende Löcher oder Kaulen, jetzt mit Gestrüpp bewachsen. Bei einigen hat man einen gut gepflasterten Fußboden entdeckt. Diese Wohngruben beweisen, daß die ganze Örtlichkeit schon in vorhistorischer Zeit aufgesucht und bewohnt wurde, weil sie wegen ihrer günstigen Lage Sicherheit gegen Tiere und Menschen bot.

Die Besichtigung, die manchen Schweißtropfen gekostet hatte, war zu Ende; römische Waffen oder Münzen hatte man keine gefunden, auch kein römischer Legionssoldat begegnete uns, den wir hätten interviewen können; die Teilnehmer waren sich bewußt, daß sie dazu noch das nötige Latein intus hätten.

Soviel aber stand für uns alle jetzt fest: Eine außerordentlich große und starke Befestigungsanlage steckt hier im Baduawalde. Die vielen römischen Ziegelstücke, der vorbeiführende uralte Pilgerweg lassen schließen, daß hier Römer gehaust haben. Die Übereinstimmung der Örtlichkeit mit Cäsars Bericht rechtfertigt die Annahme, daß wir das gesuchte Aduatuka vor uns haben. Hinzu kommt noch eine Menge Tatsachen, die Pfarrer Pohl in seinen Aufsätzen angeführt hat. Seine These ist jedenfalls nicht auf einer oberflächlichen Beobachtung aufgebaut, sondern beruht auf einem gründlichen, jahrzehntelangen Studium aller einschlägigen Quellen und einer ganz genauen Ortskenntnis. Der Baduawald ist doch ein Stück seiner engern Heimat.

Auf der Rückfahrt, die über Nideggen führte, wurde nochmal Halt gemacht, als wir im Roertale uns der magna convallis, dem großen Talkessel, näherten. Hier wurden anderthalb römische Legionen, die Audatuka verlassen hatten, von den Eburonen überfallen und vollständig aufgerieben. Auch hier stimmt das Gelände gut mit Cäsars Angaben überein.

Die Gartenterrasse des Hotels Heinen in Nideggen vereinigte die Teilnehmer der schön verlaufenden Studienfahrt noch einmal zu einem wohlverdienten kühlen Trunk mit prächtiger Aussicht auf die Burgruinen. Auch hier wurde noch manches klärende und ergänzende Wort zum Thema Aduatuka gesprochen, manche interessante Tatsache aus unserer reichen Heimatgeschichte zur Sprache gebracht. Man trennte sich in dem Bewußtsein, unter der dankenswerten Führung des Pfarrherrn Pohl und des Berger Bürgermeisters einen sehr interessanten Nachmittag verlebt zu haben und mit dem Wunsch, daß von berufener wissenschaftlicher Seite Schritte unternommen würden, das Geheimnis des Baduawaldes voll und ganz zu klären und Aduatuka endlich zu identifizieren.

(ohne Verfasser) Hauptschriftleiter und verantwortlich für Politik und Feuilleton: Anton Herbelsheimer Euskirchen, Stellvertreter des Hauptschriftleiters und verantwortlich für den Heimatteil und Sport: Hubert Meyer Euskirchen; Verlag Volksblatt-Verlag A. Herbelsheimer & Co. Kommanditgesellschaft Euskirchen.





Quelle: Euskirchener Volksblatt Nr. 175 vom 30. Juni 1938
Sammlung Michael Peter Greven, Nideggen, Sammlung wingarden.de H. Klein
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