Das Aduatuca der Eburonen
Ein Beitrag zur Vor- und Frühgeschichte unserer Heimat besonders der Nord-Osteifel
von Pfarrer Pohl, Lommersum





7. Fortsetzung

Die Bonner Jahrbücher, Heft 142, bringen auf Seite 339/40 einen Bericht von Dr. Kersten vom Rheinischen Landesmuseum in Bonn über eine Begehung des Waldes Bade anläßlich der dort vorgenommenen Rodungarbeiten. Der Bericht erwähnt zunächst zwei neu aufgefundene römische Siedlungsstellen, eine am ehemaligen Nordrande des dort jetzt gerodeten Waldes, und eine am Südrande des Badewalde. Ich wies in meinen Abhandlungen über das Aduatuca der Eburonen schon hin auf die vielen römischen Siedlungen im Badewalde und in seiner Umgebung. Sie waren mir schon bekannt. Man wird noch mehrere dieser Siedlungen finden. Sie sind zwar kein direkter Beweis für das noch immer im dichten Gestrüpp und Unterholz liegende römische Winterlager von Aduatuca, sagen uns aber zusammen mit den aufgefundenen Gefäßscherben, daß die römischen Siedler - etwa um das Jahr 20 nach unserer Zeitrechnung - immer noch „religiones“ d. h. abergläubische Vorstellungen sich machten, wie Cäsar von den Besatzungstruppen des Legaten Cicero sagt, weil sich innerhalb der Wälle des Unglückslagers und der keltisch-germanischen Fliehburg keine Spur einer Römersiedlung findet, ringsumher aber sind die Waldstücke und die Felder mit römischen Dachziegeltrümmern oft geradezu bedeckt. Schon das spricht gegen die Annahme Dr. Kerstens, daß die ganze Anlage im Badewalde „am ehesten ein umfriedeter römischer Gutsbezirk gewesen sein mag“.

Dr. Kersten sagt sodann: „Um den Rödelsberg zieht sich ,eine Art‘ Umwallung. Sie beginnt im Norden über den Steilhang zur Roer, etwa 350 Meter, nördlich des trig. P. 362,5 als eine mehr oder minder deutliche Terrasse, die sich bogenförmig zur Eisenstraße zieht. Sie begleitet diese in nordsüdlicher Richtung 20 Meter westlich von ihr bis 20 Meter nördlich der genannten Waldecke, wo sie nach Westen umbiegt. Hier im Süden ist in flachem Gelände aus großen Sandsteinblöcken eine Trockenmauer gebaut, deren erhaltene unterste Lagen aus dem Schutt ragen“. Damit hat Dr. Kersten anerkannt, was ich immer behauptet habe, daß nämlich Cäsar die Wälle und Gräben - die sind nämlich auch da - des alten keltisch-germanischen Aduatuca benutzt hat, um fest daran sein Winterlager zu errichten. Die eben genannte Trockenmauer mit den Sandsteinblöcken ist nichts anderes als der in meinen Abhandlungen oft genannte murus, d. h. die steinerne Brustwehr des römischen Lagerwalles. Die ganze Anlage ist eine Kombination von keltisch-germanischer Wallburg und römischem Legionslager. Vielleicht spricht Dr. Kersten deshalb oben auch von einer „Art Umwallung“.

Auffallend ist, daß er den großen und tiefen Graben im Norden der Anlage übersieht. Derselbe ist leider wegen Anlegung eines Weges zugeworfen worden. Dr. Kersten braucht die Bezeichnung „Steilhang zur Roer“ (s. oben). Das Wort „Roer“ darf in einem wissenschaftlichen Bericht über rheinische Frühgeschichte keinen Platz finden!

Die Schreibweise „Roer“ hat hier keine Existenzberechtigung! Sie stammt aus der Zeit der französischen Fremdherrschaft! Der Fluß wird zuerst genannt beim Geographen von Ravenna (S. 11) und zwar in der Schreibweise „rura“. Rura schreiben auch alle lateinischen Urkunden, in denen dieser Fluß genannt wird. (Lacomblet Ub. I Nr. 184 und 262 II Nr. 225.) Prof. Aug. Schoop, mein Geschichtslehrer, weist darauf hin, daß die Dürener Stadtrechnungen des 16. Jahrhunderts Roir schreiben. Im Jahr 1601 schreibt man Rour, 1651 Rhur, 1751 Ruhr. Diese Schreibweise haben in den zweisprachigen Erlassen aus der französischen Zeit auch noch die deutschen Texte; die französischen Texte schreiben „Roer“, die ursprüngliche Schreibweise ist aber Ruhr. Zum Unterschied gegen die westfälische Ruhr läßt man das erst ganz spät in dem Wort auftauchende h weg und nennt den Fluß am besten Rur.

Der Bericht Dr. Kerstens schließt mit den Worten. „Pfarrer Pohl, Lommersum, glaubt in dieser Umwallung Atuatuca (Caesar, de bello Gallico 6, 32, 3 und 35, 9-10) wiederentdeckt zu haben. Gegen diese Deutung spricht sehr entschieden die Schwäche der Trockenmauer, die keine Befestigung des flachen Geländes, sondern nur eine Umfriedung darstellt. Es fehlen auch sonst alle Anzeichen einer Befestigung, wie Gräben usw. Die ganze Anlage man am ehesten ein umfriedeter römischer Gutsbezirk gewesen sein.“

Gegen diese Ansicht spricht ebenfalls sehr entschieden Folgendes:

1. Es sind alle Anzeichen einer Befestigung da, nicht nur Wälle, sondern auch Gräben und zwar bis zu 4 Meter Tiefe. Dr. Kersten scheint dieselben nicht gesehen zu haben. Er sagt selbst: „Der eingehenden Begehung des Geländes steht das dichte Unterholz im Wege, das alle Übersicht verhindert. So kann über eine Besiedlung der umschlossenen etwa 650 x 300 m großen Fläche nichts ausgesagt werden.“ Doch es kann auch ohne Ausgrabungen, viel über die Fläche gesagt werden, nämlich:

a) daß sie ein strategischer Punkt erster Ordnung ist (vergl. Meine früheren Abhandlungen und Karten),

b) daß man einen Gutshof niemals an die höchste Stelle des Geländes legt, wo der Boden unfruchtbar und sehr trocken ist, abfällt und kein Wasser hat. Gerade dieser strategische Punkt ist im ganzen Gelände die ungeeignetste Stelle für einen Gutsbezirk,

c) daß nicht nur eine, sondern zwei Trockenmauern parallel nebeneinanderlaufen, die jetzt durch die Rodungen besser in Erscheinung traten. Das spricht sehr entschieden für die Stärke der Trockenmauer und den militärischen Charakter der ganzen Anlage.





Quelle: Euskirchener Volksblatt Nr. 270 vom 19. November 1938
Sammlung Michael Peter Greven, Nideggen, Sammlung wingarden.de H. Klein
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