Um das Aduatuca der Eburonen
Ein Beitrag zur Vor- und Frühgeschichte unserer Heimat besonders der Nord-Osteifel
von Pfarrer Pohl, Lommersum





8. Fortsetzung

Meine Karten I, II und III (Volksblatt 1937), Nr. 72 und 139) zeigen das charakteristische Bild eines römischen Lagervierecks und nicht eines Gutshofes. Die Maße: 650 x 300 m entsprechen ganz der Größe cäsareanischer Lager. Diese liegen, wie die Ausgrabungen Napoleons II. in Frankreich beweisen, zum größten Teil unter der Erdoberfläche. Die Wälle der keltisch-germanischen Wallburg im Badewalde sind in Form und Größe genau dieselben, wie diejenigen der von P. A. Tholen vom Wallraf-Richartz-Museum in Köln auf der Hochkoppel bei Winden entdeckten und vom Landesmuseum Bonn ausgegrabenen Wallburg.

Aus obigen Ausführungen folgt, daß es an der Zeit ist, das „Rätsel im Badewalde“ zu klären. Möge das rheinische Landesmuseum recht bald den Spaten ansetzen!

Der Schlußsatz im Berichte Dr. Kerstens lautet: „Die östlich der Eisenstraße gelegenen Maare sind nach dem Gutachten des Landeskulturamtes Aachen Reste von Tagebau nach Eisenerzen.“ Ob Dr. Kersten hier die von mir „Kimbrische Schutz- und Vorratsgruben“ genannten Gruben im Badewalde meint, weiß ich nicht. Ich habe jedenfalls nicht von „Maaren“ gesprochen. Maare, die Wasser enthalten, liegen nicht im Badewalde, sondern weit draußen beim Clemensstock. Sie heißen: Bärbelsmaar, Heinzgesmaar, Roßmaar und Aethmaar. Dort hat der Eschweiler Bergwerksverein das Mutungsrecht gehabt und auch vor Jahren Mutungen angestellt. Ohne Erfolg. Ein Beweis, daß die „Eisenstraße“ Transportstraße war herunter zum Eisemestal und von dort zur „Lüppenkaul“ bei Lüppenau im Rurtal, wo Dr. Voigt in seinem sehr aufschlußreichen Artikel über den „Rennweg“ (Westdt. Beob. Düren Jahrg. 1930 vom 29. Aug.) uralte Eisengewinnung durch Rennfeuer nachweist. Ich weiß, daß es zur Nachweisung des Aduatuca der Eburonen nicht unbedingt kimbrischer Vorrats- und Schutzgruben bedarf. Aber das Aduatuca ist nun einmal ursprünglich ein Odvaka, d. h. eine Gutswache gewesen für den gewaltigen Troß des Kimbernzuges.

Bürgermeister Fischer, Berg vor Nideggen, kennt ca. 100 Gruben ohne Wasser. Er stellte fest, daß die Bodenschichten, in denen diese Gruben liegen, ganz verschiedenartig sind: vom Kiessand bis zum Lehm- und Tonboden. Die Steine oder Steinlagen, die in diesen Gruben vorkommen, sind bedingt durch die Bodenschichtführung, d. h. man hat nicht nach Eisenstein gegraben, sondern nur Gruben gewollt. Man findet im Felde ab und zu einen Eisensteinfindling. Aber wo diese Findlinge liegen, da sind die wenigsten Gruben.

Vermessungsrat Petz stellte bei den Vorarbeiten zur Rodung des Badewaldes fest, daß eine Grube sogar in den Felsen gehauen wurde, um die Grube eben ihrem Zwecke als Vorratsgrube zuzuführen und nicht zu gewerblichen Zwecken. (Vergl. meine früheren Ausführungen über „Mirgelgruben.“) Am stärksten aber spricht gegen die Ansicht, als ob es sich bei den Gruben im Badewalde um Tagebau nach Eisenerzen gehandelt habe die Tatsache, daß der ausgeworfene Boden rings um die Gruben eingeebnet und nicht weggeschafft wurde zu gewerblichen Zwecken. Das kann man jetzt, wo der Wald gerodet ist und der Boden gepflügt wird, einwandfrei sehen. Um zu der Ansicht zu kommen, daß es sich um Wohn- und Vorratsgruben handeln könne, braucht man nicht bis nach Lothringen zu gehen. Man untersuche einmal die großen runden Gruben, in denen das Gut Kirschbaum vor Nideggen liegt am Ende der Eisenstraße, oder das unter Denkmalschutz stehende Haus hinter Nideggen an der Straße nach Schmidt. Bei dem früheren Gebäude von Kirschbaum lag das Dach nach der Wetterseite zu auf dem Bodenrande der Grube.

Dunkle Rätsel harren also „in Badua“ u. Niteka noch der Lösung! „In Badua“, so schreibt Cäsarius von Heisterbach, fand 1242 der Entscheidungskampf zwischen Wilhelm IV. von Jülich und Konrad von Hochstaden statt. In meinem „literarischen Befund“ (vgl. Volksblatt Eusk. 1938, Nr. 134/135 sprach ich davon. Inzwischen stellte ich beim Studium des Buches „Wilhelm IV. von Jülich“ von Armin di Miranda, Leipzig, fest, daß man auch das Dorf Badorf in der Nähe von Brühl als den Ort Badua bezeichnet hat. Ja, das „in Badua“ des Cäsarius hat den Historikern - so führt Armin von Miranda aus - nicht wenig Verlegenheit und Mühe verursacht - genau so wie das „Aduatuca der Eburonen“ und ist immer ein ungelöster Knoten geblieben (Böhmer, Reg. Imperii ab a. 1198-1254 p LXIII - Ennen, Gesch. der Stadt Köln II 88, Anm. 19. Pertz glaubte den rätselhaften Ort gefunden zu haben, wenn er Badorf in der Nähe von Brühl dafür nehme, da andere Annalen das eine Meile westlicher gelegene „Leggenich“ (Lechenich) als den Schauplatz des Kampfes bezeichnen. (Pertz, „Über eine rheinische Chronik des 13. Jahrh.“, 136).

Nach unserer Meinung hat die Schlacht wirklich „in Badua“, wie die glaubwürdigsten Chronisten berichten (Annales Zwifaltenses bei Pertz X 60. Annales St. Trudperti, bei Pertz XVII, 294) stattgefunden, d. h. in dem bei Nideggen gelegenen Walde, der noch jetzt den Namen „die Bade“ führt. Über die Schlacht selbst siehe das Chron. Salisburgense ad a 1242 bei Pertz, Scriptores rerum tustriacarum Bd. 1. Dieser Wald - so meint man sehr irrig - müsse sich weit erstreckt haben und ausgedehnte Lichtungen umschlossen haben. Denn die Sage wisse von einer großen Stadt, welche in ihm gestanden haben soll, aber in einem Kriege dem Erdboden gleich gemacht worden sei. Vielleicht sei „in Badua“ auch die Bezeichnung für die ganze Gegend gewesen. Diese Meinung ist ganz irrig. Die Flurbezeichnung „In der Bade“ gilt nur für die Stelle, wo der Wald noch nicht gerodet ist und die Befestigungsanlagen liegen.

Cäsarius von Heisterbach, der an der Spitze meines „literarischen Befundes“ über Aduatuca steht, behält also Recht. Er war Abt der Cisterzienserabtei Heisterbach am Fuße des Siebengebirges und starb zwischen 1240-1250. Cäsarius hat uns in seinen um 1222 verfaßten zwölf „Büchern der Wunder“ viele Züge des öffentlichen Lebens aufbewahrt und ist in dieser Beziehung für die Zeit des 13. Jahrhunderts ein kaum zu ersetzender Schriftsteller. Das ist er vor allem deshalb, weil er in seiner einflußreichen Stellung als Abt in die verschiedenen Verhältnisse Einblick hatte. Dieser Umstand wird sehr oft übersehen. Einem so bedeutenden Mitgliede des damals in voller Blüte stehenden Cisterzienserordens - einem damals von einem geistlichen Regenten verwalteten Staate, dessen Klöster die Ackerbauschulen des Mittelalters waren - mußte ohne Zweifel politischer Einfluß und politische Einsicht zufallen. Dazu brachte ihn das Asylrecht und die Herbergepflicht des Klosters sowie die damalige Seelsorge mit den verschiedensten Menschen in Berührung. Gerade die Cisterzienseräbte waren gewandte, vielseitig gebildete Männer. Man denke nur an Bernhard von Clairvaux! Die Staufenkaiser benutzen sie oft als diplomatische Unterhändler (Möne, Einleitung zur Chronik von Salmannsweiler in der Quellensammlung zur badischen Landesgeschichte III. S. 24). Es ist sehr billig, in dem berühmten Heisterbacher nur einen amüsanten und gläubigen Fabulisten zu erblicken. Er ist als Schilderer geschichtlicher Ereignisse ebenso wahrheitsgetreu wie als Schilderer der Kulturzustände seiner Zeit. Für „Badua“ und „Niteka“ bleibt er ein Kronzeuge, dessen geschichtliche Größe nicht wegzudisputieren ist.





Quelle: Euskirchener Volksblatt Nr. 273 vom 23. November 1938
Sammlung Michael Peter Greven, Nideggen, Sammlung wingarden.de H. Klein
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