- In Nr. 3 der Rur-Blumen
(Heimatwochenschrift des Jülicher Kreisblattes, Jahrgang 22)
vom 9. Januar 1943 veröffentlicht der bekannte Itenerar- und
Heimatforscher, Univ.-Prof Dr. R. Müller - Köln
eine Abhandlung mit der Überschrift: Aduatuca
Eburonum Nideggen. Nachdem der Verfasser an Hand des
Cäsartextes dargelegt, daß das oppidum Aduatucorum
die Zitadelle von Lüttich ist und daß die Feste
Aduatuca auf dem Nordrand der Eifel an einem großen Tale
gelegen habe, sagt er wörtlich: Von allen
bisherigen Theorien kommt dieser Ortsbeschreibung nur die Ansicht
des Pfarrers Pohl in Blens, Kr. Düren, nahe, der als
Aduatuca den Badua-Wald, etwa 4 km südlich von Nideggen
angenommen hat. Dasselbe sagte er in seinem Vortrage am
14. Februar d. Js. in der Universität Köln.
-
- Das gibt mir Veranlassung
wieder Stellung zu nehmen zu meiner Theorie Aduatuca = Odvaca
= Badua = Bade und hinzuweisen auf meine 9 Abhandlungen über
das Aduatuca der Eburonen, die 1936, also vor 6 Jahren, im
Volksblatt zu Euskirchen erschienen sind. Ich tue das um so
lieber, weil in diesen 6 Jahren wieder neue Theorien über
das Aduatuca der Eburonen auftauchten, die, unbekümmert um
die allen ernsten Forschern bekannte Tatsache, daß die
Aduatucafrage historisch und philologisch beinahe ausgelaugt ist,
Behauptungen aufstellen, wie: Das grüne
Kloster bei Kalterherberg (Conrads) oder Dolhain (Dr.
Mathar) ist das Castell Aduatuca. Oder wie Walter Kaemmerer in
Heimat-Monatsschrift für Maasland, Eifel und
Ardennen, 3. Jahrgang April/Mai 1942 erklären:
Nach diesem Siege über die Aduatuker im Jahre 57-56
läßt Cäsar am Vorort ihres Landes Aduatuca ein
festes Standlager errichten. Da die Aduatucer an der
Maas wohnten, säßen wir also wieder einmal glücklich
an der Maas, lassen die 2000 sigambrischen Reiter lustig ihre
Reiter- und Husarenstücklein an der Maas
aufführen, Cäsars subesse Rhenum
nebst allen agri der Eburonen in der
Versenkung verschwinden, kümmern uns keinen Deut um den von
Cäsar ausdrücklich geschilderten Tag- und Nachtritt des
Ambiorix zu den Aduatucern an der Maas, holen wieder die längst
veralteten Karten aus Putzgers Geschichtsatlas aus unserer
Gymnasiastenzeit, vor einem halben Jahrhundert, hervor, bitten de
Roue, er solle an sein Buch Aduatuca et encore Aduatuca
noch 3 Kapitel anhängen und stimmen zuletzt resigniert in
die elegische Klage ein: Aduatuca ist unbestimmbar und
unauffindbar!
-
- So weit sind wir doch noch
nicht! Aber: An die Maas gehen wir nicht, um
nach Aduatuca zu kommen. Das muß oberster Grundsatz jeder
Aduatucaforschung bleiben. Die Theorie von Prof. Dr. Müller
ist sehr alt. Vor 48 Jahren hat schon der Pfr. Jos.
Fischer in Ouren, Kr. Malmedy, die Theorie oppidum = Lüttich
und Castellum Aduatuca = Nideggen aufgestellt. Vor mir
liegen im Original, seine Abhandlungen über die
Aduatucafrage und sein Briefwechsel vom 5. April 1895 mit dem
damaligen Direktor des Bonner Provinzialmuseums, Prof. Klein.
Fischer sagt: Nidedeken = Neudeken. Badua = Adua. Das Ni fort und
wir haben Aduateken. Ich habe vor 6 Jahren dazu ausgeführt,
daß Endformen wie Atsch (Dr. Spessart) und Vetschau (Pfr.
Groß) (beide Orte im Landkreise Aachen wurden auch als
Aduatuca bezeichnet) zu den lautlich möglichen Entwicklungen
gehören, Niteca oder Adua dagegen können
lautgeschichtlich nicht mit Aduatuca in Verbindung gebracht
werden noch daraus hervorgegangen sein. Badua und Niteka lassen
sich wohl in einem Bedeutungszusammenhang bringen, da beadu,
badh, badu auch in germanischen Sprachen die Bedeutung Kampf
gehabt haben und zwar bis zur Karolingerzeit, und nit
in ähnlicher Bedeutung als Feindschaft, Streit, Zorn,
vorkommt. Eka, unser heutiges Ecke - Spitze, Schneide,
findet sich in den Ortsnamen vielfach als Eck, ecken, und
stellenweise als eggen und hat dort die Bedeutung von Felsen,
Vorsprung, spitz zulaufendes Gelände.
-
- Der Baduawald ist demnach der
Kampfwald und niteca der Kampffelsen, Streitberg, Streiteck. Ein
Bedeutungszusammenhang zwischen Badua und niteca ist also sehr
wahrscheinlich. Ein sprachlicher Zusammenhang zwischen den beiden
Wörtern ist dagegen wohl nicht anzunehmen, desgleichen eine
sprachliche Verwandtschaft von Aduatuca mit badua und
niteca. Wohlbemerkt: mit badua und
niteca. Ich werde in meinen folgenden Beiträgen
zur Vor- und Frühgeschichte der Nord-Osteifel
nochmals beweisen, daß Aduatuca in Badua liegt, denn Cäsar
begab sich, wie die alten Handschriften sagen, ad
Vatucam, d. h. zur Odvaca, d. h. zur Gutswache
und die lag nur in der Bade, bei dem dort befindlichen großen
kimbrischen Grubensystem. Und in dieses gewaltige Festungssystem
gehört das Streiteck Niteca ebenso gut
hinein wie der Burgberg, auf dem nie eine
mittelalterliche Burg gestanden hat. Meine vor sechs Jahren
veröffentlichten Karten zeigen klar und deutlich, wie
bedeutungsvoll Badua und Niteca zusammengehören. Burgberg
und Neideck werden dabei nichts verlieren! Im Gegenteil, was die
zweite Strophe des Rurliedes von Blum singt:
-
- Der Rurberg dort -
die Neideck hier Erheben sich mit Stolz und Zier
-
wird im Lichte der Frühgeschichte
an Bedeutung gewinnen und wir werden sehen, daß Badua und
Niteca frühgeschichtlich, strategisch, folkloristisch und
sogar literarisch gesehen zu den wichtigsten geschichtlichen
Stätten der Nord-Osteifel gehören.
-
- Meine Gründe gegen
die Theorie von Prof. Müller:
-
- in Nideggen selbst ist kein
archäologischer Bodenbefund, der auf ein römisches
Winterlager (castra hiberna), das zweimal benutzt wurde,
hinweist. Die Höhenlinien - Karten - Theorie Prof. Müller
wird deshalb ebensowenig wie die Dreieckstheorie v. Gölers
und die Zirkeltheorie Dr. Spessarts das Winterlager Cäsars
im Lande der Eburonen beweisen können.
-
Die Wasserversorgung Nideggens -
sowohl für den Burgfelsen und Burgflecken wie die Neustadt
war bis zum Jahre 1905, in welchem die Wasserleitung aus dem
Hohlbachtale angelegt wurde, geradezu katastrophal. Das
Trinkwasser mußte mühevoll aus der Tiefe des Rurtales
bei Brück heraufgeschleppt werden und die Viehtränke
auf dem Markt wurde vom Aethmaar, also von der Bade her,
gespeist.
- Kein einziger vor- und
frühgeschichtlicher Weg führte über Nideggen. Die
archäologischen Karten von J. Schneider
und Schumacher sind nur mit größter Vorsicht zu
benutzen. (Bericht über Fortschritte der röm.-germ.
Forschung 1906/07 Bonn. Jahrbuch S. 25) und werden von vielen
Fachgelehrten sogar abgelehnt. Hagen, dessen Werk Die
Römerstraßen der Rheinprovinz maßgebend
ist, kennt in dem ganzen Gelände zwischen Zülpich und
Gressenich (von Osten nach Westen) und zwischen Mariaweiler und
Gemünd (von Norden nach Süden) keine einzige
Römerstraße.
Der unus omnino
collis (Cäs. Bell. Gall. Buch 6 Kap. 36) d. h. die
Hügelkette oder der Hügelrücken
(also nicht ein Hügel) ist bei Nideggen
nicht zu finden, ebenso nicht die magna convalis
d. h. der große Talkessel, der im
eigentlichen Sinne nur im Abender Tale zu finden ist. Auch die
agri d. h. die Aecker der Eburonen können nach Cäs.
Bell. Gall. Buch 6 Kap. 30 nicht bei Drove liegen, sondern mehr
nach Süd-Ost.
- Meine Theorie lautet:
-
- Die Bade ist mit den ihr
vorgelagerten 4 Warten oder Kastellen: Niteka (Streiteck gegen
Norden), Muschling (Heim des Mutigen = des Ambiorix gegen Osten),
Hunds-ley (gegen Westen), Kastell auf dem
Rädelsberg (gegen Süden), die alte Odvaka, d. h. die
Gutswache der Kimbern (nicht der Teutonen) Cäs. Bell. Gall.
Buch 2 Kap. 29. Cäsar hat das Wort latinisiert in Audatuca
(Cäs. Bell. Gall. Buch 6 Kap 32): impedimenta omnium
legionum Aduatucum contulit, d. h. Den Train aller
Legionen legte er (Cäsar) nach Aduatuca.
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- Die Beweise für meine
Theorie:
-
- der archäologische
Bodenbefund in der Bade, Wälle und Gräben vor den
Steilhängen zur Rur. Großes kimbrisches Grubensystem,
murus, d. h. Trockenmauer (vergl. Meine Karten II und III 1937),
Kultstätten, Matronensteine im Neffeltal, Schalensteine im
Hohlbachtal und auf dem Weißen Stein (neuentdeckt,
Beschreibung folgt).
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Glänzende Wasserversorgung
für das römische Standlager, gelegen in der Bade auf
dem Rädelsberg (Rödelsberg ist falsch) = Wasserberg
(vom ar. ra. rat.) neben dem Eichelberg (=
Aichelberg) = Berg des fließenden Wassers. 4 Bäche
fließen hier nach Westen zur Rur, nach Osten sind die
Quellen der Neffel (der Nabalia des Tacitus) d. h. der
Herunterfließenden.
- Hervorragende strategische
Lage, die als einziger Punkt der Nord-Osteifel einen Rundblick
gewährt über die ganze Kölner Bucht, das
Euskirchener, Zülpicher und Dürener Land, beim Beginn
der Neffelbachlinie, der ältesten Siedlungs- und
Verkehrslinie des Zülpicher und Dürener Landes.
- Alle vor- und
frühgeschichtlichen Wege führen nach der Bade: der
Rurtalrandweg, die Konzener Straße, die Römerstraße,
die bei Badua abzweigt von der römischen Militärstraße
Köln-Rheims.
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