Über den Matronenkult in der Rur- und Neffellandschaft
Neue Forschungen von Pfr. Andreas Pohl, Blens





Im Oktoberheft 1951 der „Eifel“ Seite 147 berichtet Joh. Eigner über eine Wanderung der Altertumsfreunde zur Kultstätte auf dem „Addig“ bei Pesch. Der Direktor des Bonner Landesmuseums Dr. Meuffer stellte bei dieser Gelegenheit die These auf, daß dies Kultstätte als Matronenheiligtum nicht bewiesen sei. Das lenkt unsere Aufmerksamkeit wieder auf die These von Prof. Max Ihm, Bonn, hin, der schon vor mehreren Jahrzehnten mehrmals in den Bonner Jahrbüchern darauf hinwies, daß in der Rurlandschaft zwischen Vlatten, Wollersheim und Embken (siehe Karte) ein, vielleicht 2 Matronenheiligtümer liegen müssen. Es handelt sich hier in dieser Abhandlung um neue Forschungen. Deshalb erübrigt es sich, ausführliche Betrachtungen anzustellen über Alter und Herkunft, Wesen und Wirken der Matronen. Das ist in mehreren „Eifelkalendern“ und in den Heimatblättern der Kreise Düren und Jülich durch Fachgelehrte und Laien oft geschehen.

I. Der Matronentorso von der Bade (siehe Karte und Abbildung).

Was ist die Bade? Vor- und frühgeschichtlich gesehen? Wahrscheinlich der älteste Flurname der Nordosteifel. Fachgelehrte erklären ihn als „Ort am Wasser“. Was könnte dazu die „kopflose Matrone“ sagen? Eine Inschrift wurde nicht gefunden. Heimatforscher leiten den Namen der Advatuker (Caesar bell. gall.) von dem germanischen Stammwort „vatu“ her. Für diese Stammsilbe „vatu“ sprechen mehrere in der Rurlandschaft bei Jülich gefundene Matronensteine. Diese waren den Matronen „Vatuiae“, d. h. den Beschützerinnen des Wassers, der Flüsse und Quellen geweiht. Primina Justina weiht den Matronen „nersehenis“, d. h. den „Beschützerinnen der Niers“, einen Weihestein zu Güsten bei Jülich. Zwei in Rödingen bei Jülich gefundene Inschriften nennen ebenfalls die Wassergöttinnen.

Im Bonner Landesmuseum finden sich auf vier Terra-Sigilata-Tassen Töpferstempel mit dem Worte „VATO“, vatus = Wasser. Die Advatuker, die auch die Herren an der Niers waren, sind nach Viktor Demmer (rheinischer Heimatforscher) „die am Wasser Wohnenden“, „die von der Waterkant“. Danach könnte man die „Sitzende von der Bade“ als „Wassergöttin“ bezeichnen. Bezeichnend ist, daß die Seitenwände der ganz in der Nähe im Bereich der „Bade“ bei Gödersheim am Ufer der Neffel (Nabalia des Tacitus) gefundenen Matronensteine Wasservögel zeigen (vgl. Abb. Absatz II). Warum hat die Matrone der „Badua“ (Cäsarius v. Heisterbach) keinen Kopf? Das ist nicht verwunderlich. L. Lersch schildert uns in „Bonner Jahrbücher 1841“ daß in Commern, also in der Nachbarschaft der Bade, und auch in Rheder im Erfttale an Votivsteinen verschiedener Gottheiten u.a. auch der keltischen Mütter die Köpfe und Gesichert absichtlich zerschlagen worden sind. Dasselbe ist geschehen bei der mittleren der drei Matronen auf dem Votivstein am Fuße der Bade bei Gödersheim, den C. Priminius den veteranehischen Müttern weihte, und an den Köpfen auf dem Votivstein von Gödersheim, den C. Matrinius Primus denselben Müttern weihte. Römer und überhaupt Heiden könnten sich eines solchen Frevels an geweihten Altären nicht schuldig gemacht haben. Auch an Stellen, wo die Figuren durch Fall oder Sturz nicht beschädigt werden konnten, ist Hammer und Meißel angesetzt worden. Bei dem Dunkel, welches über der Einwanderung der fränkischen Stämme in die Täler von Rur, Neffel und Erft sowie über die Einführung des Christentums bei der wechselnden keltischen und germanischen Bevölkerung herrscht, läßt sich diese Frage mit Sicherheit nicht entscheiden.


Matronentorso von der Bade

Lersch sagt, nur so viel könne mit Wahrscheinlichkeit behauptet werden, daß diese Gräber wegen offenbarer Profanation geweihter Denkmäler nicht der ursprünglichen Bevölkerung, die ja dem Matronenkult eifrig anhing, sondern den eingewanderten ripuarischen Franken zugeschrieben werden müssen. Ob nun die in diesen Gräbern Beigesetzten schon dem Christentum angehörten, welches bekanntlich infolge des Sieges Chlodwigs über die Alemannen in der Schlacht bei Zülpich 496 zur Staatsreligion des Frankenreiches wurde, läßt sich ohne weiteres weder bejahen noch verneinen. „Die Missionare waren jedenfalls bemüht, gemäß den Anordnungen Gregors des Großen die althergebrachten Volksbräuche zu schonen, und es ist sicher, daß die Kultstätten selbst nicht der allgemeinen Zerstörung anheimgefallen sind.“ (G. Rody: Zeichen und Zeugen aus germanischer Vorzeit, 1940.) Rody schließt seine bekannte Studie mit der Feststellung, daß „Großzügigkeit in der Verbreitung des Glaubens, Weitherzigkeit in der Auffassung der Wahrheit, Entgegenkommen in der Beurteilungen der Meinungen anderer stets Grundzüge der Kirche gewesen sind“. Hier dürfte die Mahnung angebracht sein, die kleinen Matronenstatuen, die sich immer wieder bei der Bade finden, nicht sinnlos zu vernichten, indem man sie zum Ausfüllen tiefer Wegelöcher benutzt. Der Verfasser dieser Abhandlung könnte darüber Merkwürdiges mitteilen. –

Kann die Matrone von der Bade etwas mit der Göttin Baduhenna zu tun haben und die Bade der „lucus Baduena“, d. h. der „Hain der Baduenna“ sein? Der römische Geschichtsschreiber Tacitus (55 bis 117 n. Chr.) spricht in seinen Annalen B. 4 Cap. 72 ff. von einem Kriegsereignis, das sich im Jahre 28 n. Chr. am Niederrhein ereignet hat, und zwar höchstwahrscheinlich in unserer Bade. Victor Demmer, unser rheinischer Heimatforscher in Euskirchen, hat zuerst darauf hingewiesen, daß dieses Ereignis sich in der Bade zugetragen habe. Es handelt sich um den Aufstand der Friesen zur Zeit des Tiberius, in dessen Verlauf mehrere römische Legionen so schwere Verluste erlitten, daß sie sich fluchtartig zurückziehen mußten. Bei dieser Gelegenheit wurden 900 römische Soldaten bei einem Hain, welcher „Hain der Baduhenna“ heißt (apud lucum quem Baduhennae vocant), niedergemacht und eine andere Gruppe von 400 sich gegenseitig den Tod gab, und zwar beim Wohnsitz eines gewissen Kruptorix. Demmer weist mit Recht darauf hin, daß die Überreste der Legionen, ohne ihre im Kampfe Gefallenen bestatten zu können, sich fluchtartig in ihre rheinischen Garnisonen zurückgezogen hätten. Dies lag am Oberrhein, denn Tacitus schreibt, daß der Propraetor von Niedergermanien, L. Apronius, mehrere Abteilungen obergermanischen Legionen und Hilfstruppen den Rhein herab und gegen die Friesen geführt habe. Diese Garnisonen waren in Trier, Metz und Straßburg, und zu diesen Garnisonen führte der den Soldaten bestimmte Weg durch die Eifel über Zülpich (Tolbiacum) nach Trier (augusta Trevirorum). Da die Schlacht an der Mündung des Rheins stattgefunden habe, würden die Überreste der Legionen bei Maastricht die Maas überschritten haben, um durch die Eifel bei Zülpich die große Straße nach Trier zu erreichen. Nach Demmer haben dann hier die von Tiberius zwangsweise angesiedelten Sigamber aus Rache für die Evakuierung beim obengenannten Hain der Baduhenna die Römer überfallen, wobei 900 Mann fielen und 400 sich in das Landhaus des Kruptorix retteten, sich aber das Leben nahmen. Tacitus erwähnt mit keinem Wort, daß dieses Ereignis sich unmittelbar nach der Schlacht im Lande der Friesen ereignet habe. Im Gegenteil habe sich der Hain der Göttin Baduhenna und das Landhaus des Kruptorix bei der Bade befunden. –

Daß die Göttin Baduhenna die „Stammesgöttin“ der Friesen gewesen sei, ist nicht zu beweisen. Für die Annahme, daß der König Kruptorix, von dem Taxitus ausdrücklich erwähnt, daß er als Söldner im römischen Heere gedient habe, ein Nachkomme des Eburonenkönigs Ambiorix war, liegen gewichtige Gründe vor. Der Königssitz des Ambiorix muß nach dem Cäsartext (Bell. gall. Buch VI Cap. 30) bei der Bade auf den nordöstlichen Ausläufern der Eifel gelegen haben. Dieser geschichtliche Exkurs ist in keiner Hinsicht abwegig. Die darin angeschnittenen Fragen sind seit den Tagen der Humanisten nicht gelöst worden.


Die drei Marien vom Heimbach


II. Was sagen die Matronensteine von Gödersheim uns über die Kultur der Rur- und Erftlandschaft vor 1700 Jahren?

Gödersheim liegt am Ufer der Neffel, etwa 25 Minuten entfernt vom Fundort der Matrone von der Bade und 15 Minuten entfernt vom sogenannten

„Pützberg“ bei Wollersheim, wo 1857 mehrere Gräber aufgedeckt wurden, die größtenteils aus gespaltenen Matronensteinen zusammengesetzt waren, und etwa 10 Minuten vom steinzeitlichen Fundplatz in der Bade. (Bonner Jahrbuch 139, S. 203 vgl. Eick, Bonner Jahrbuch 25, S. 152!) Hier, am Ufer der Neffel, welche die Navalia (auch Navilia und Nabilie) des Tacitus ist (Tac. Historien V, 28) und nicht den Leck oder die Yssel, wie man seit 100 Jahren behauptet hat, fand man im Jahre 1885 elf in dreizehn Stücke gebrochene Tafeln, alle in rotem Trierer Sandstein. Sämtliche Tafeln fanden sich in sechs Gräbern. Man hat sich daran gewöhnt, diese Matronensteine „die von Embken“ zu meinen. Das ist aber nur katastermäßig gesehen richtig.

Die Fundstelle liegt hart an der Grenze der Gemeinde Wollersheim. Vor- und frühgeschichtlich gesehen gehört Gödersheim (Burg und Mühle) zu Wollersheim und zur Bade, an deren Fuß es liegt. (Vgl. unten „Krahenberg“ und „Hardenberg“.) Die zu den genannten zwei fränkischen Gräberfeldern verwendeten Matronensteine gehören ohne Zweifel den großen etwa 10 Minuten entfernten römischen Niederlassungen bei der Bade an, die Schoop in seiner „Karte der römischen Siedlungen im Kreise Düren“ als die größten dieses Kreises eingetragen hat. Zehn dieser Steine waren die Veteranehischen oder Vateranehischen Matronen und einer Göttin Sunuxal geweiht. Das Neuartige bei diesen Steinen ist, ähnlich wie bei denen in der Nachbarschaft zu Floisdorf gefundenen Seinen der Vesuniahenischen (= Vettweißer Mütter), daß hier ganz neue Attribute sich finden: dreimal Vögel, bald wie Krähen, bald wie Pfau oder Gans oder Sumpfvogel aussehend, und 2 Steinkugeln. Wir fanden zwei solcher Kugeln in der Bade, i nder Nähe des Fundortes der Matrone Baduhenna. Solche Kugeln sind als Beigaben in altdeutschen Gräbern nicht selten. Dieselben fanden sich auch auf dem Ginsterberg bei Commern in den Gräbern (siehe Eick Boner Jahrbuch 23). Eick weiß das Vorkommen dieser Kugeln als Beigaben nicht zu deuten. Was die Krähe betrifft, so dürfte sich hier eine unmittelbare Beziehung zu den Müttern (deren Wesen) ergeben. Die Krähe galt nämlich den Alten als das Symbol der ehelichen Eintracht und Treue (vgl. Aelian de anim. III. 9). Wenn wir bedenken, daß die Matronen haus- und familienbeschützende Gottheiten waren, dann ist uns dieses Attribut ganz verständlich auf den Votivsteinen der Müllter. Vielleicht hat der „Krahenberg“, gleich beim Fundort dieser Steine, von dem Symbol seinen Namen. Der Vogel (Abb. 1.) gleicht eher einem Sumpfvogel. Und damit kommen wir zu unserem Thema: Was sagen die Matronensteine von Gödersheim uns über die Kultur der Rurlandschaft vor 1700 Jahren?


Abb. 5: Die drei von Thum

Das Neffeltal ist vor 2000 Jahren etwa von den Quellen an bis hinter Geich–Füssenich weithin sumpfig gewesen. Der Beweis dafür steht schon bei Tacitus Historien V, 26 ff; wo von der Brücke im Tal der Nabalia, der Neffel, gesprochen wird gelegentlich des Bataveraufstandes (69/70 nach Chr.). Diese Brücke ist im Jahre 1930 gefunden worden und zwar in der Neffelniederung zwischen Zülpich und Geich, wo die Römerstraße Zülpich–Neuß auf 122 m Länge auf einem Knüppeldamm lag. (Siehe Jahresberiht des Provinzialmuseums Bonn 1929; Bonner Jahrbücher Heft 135 [1930] S. 184.) Die Neffel ist, trotzdem in den achtziger Jahren mehrere ihrer Quellen versiegten, auch in trockenen Jahren so wasserreich, daß sie noch heute in ihrem Oberlauf von Gödersheim bis Zülpich – also 5 km weit – bis Geich 6 Mühlen treibt. Das Dorf selbst ist nach Kaspers (Die Ortsnamen der Dürener Gegend) die „Siedlung am Rohr“.

Pissenheim (jetzt Muldenau) ist von Kaspers als Siedlung bei der Piscina, d. h. Fischteich, bezeichnet. Diese Erklärungen weisen auf ein breites wasserreiches, sumpfiges Tal hin. Was sagt uns nun der Weihestein der Stammesgöttin Sunuxal vn Gödersheim? Die Wohnsitze der Sunucer sind wohl da zu bestimmen, wo ihre Altäre stehen und ihre Namen nenne, aber ihre Stammesgrenzen sind dadurch nicht genau festgestellt. Holder-Egger (keltischer Sprachschatz) nennt sie einen belgischen Stamm, ja er geht bis nach Frankreich. Daß aber in der Rur- und Neffellandschaft eine besondere Kultstätte ihre Stammesgöttin war, beweisen die Gödersheimer Steine.

L. Wirtz bringt den Ortsnamen Zons a. Rh. in Verbindung mit den Sunnucern. (Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, 25. Band des Jahrbuches des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1912.) Alte Schreibweisen dieses Ortes sind: Zunece, Zunze. (Lac. U. B. III.) In einer Tacitushandschrift steht Sunnicius, Otten schreibt, daß dieser Versuch nicht neu sei. Er wurde schon seit Jahrhunderten gemacht und wieder verworfen, ohne daß das Für und Wider sachgemäß begründet wurde. Man hält immer entgegen, daß die Sunicer nicht am Rhein, sondern im Innern weit nach Westen gewohnt hätten. Aber was wissen wir überhaupt von den Sunucern? Sie werden zuerst von Plinius († 79. n Chr.) genannt, der sie nach den an der Seeküste wohnenden Stämmen in der Reihe der Tungern, Sunucern, Frisiavionen und Bätasiern nennt (nat. hist. IV 10). Danach müßte man ihre Wohnsitze also weit nach Norden ansetzen. Tacitus (Hist.) erzählt, daß Civilis, der Anführer beim Bataveraufstand, im Jahre 70 n. Chr. zuerst die Kölner (Agrippinenser) als Bundesgenossen aufgenommen und dann das Gebiet der Sunucer besetzt habe, daß aber der römische Feldherr Claudius Labeo die Maasbrücke vorher besetzt habe und ihm so zuvorgekommen sei, weiterzurücken. Darauf will man schließen, daß die Sunucer zwischen Köln und der Maas gewohnt hätten. Cramer hat festgestellt, daß der Ort Sinnich (aus Sinniacum) mit den Sunucern nichts zu tun habe. Er und Schoop halten aber den Comitatus Suderscus für den Sunucergau und behaupten, daß die Sunucer einen großen Teil des Kreises Düren bewohnt hätten (cas = Gau).(Schoop, Römische Besiedlung des Kreises Düren; Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 1905.)

Bei der Bade und im Quellgebiet der Nefel wurden bis jetzt vier steinzeitliche Funde gemacht. Fundplätze: 10 Minuten entfernt von Gödersheim im Isernestal am Rather Weg und in Embken. Etwa im dritten Jahrtausend v. Chr. werden die ersten Ackerbauern an Rur und Neffel gearbeitet haben. Besonders bei Embken wurden Steinbeile gefunden. Weiter neffelabwärts häufen sich die Funde. (Vgl. die große Sammlung Rochels-Lüxheim.) In Eschweiler über Feld (= in agris Cäsars) und Birkesdorf Pflugscharen aus Stein. Der Löß an der Rur und Neffel – Mergel genannt – zog die Bandkeramiker an. Das war für die Bevölkerung an Rur und Neffel aussclaggebend. Heute noch sieht man dunkle Stellen in den Äckern. Es sind die Wohn- und Vorratsgruben der Bandkeramiker. Vor allem bauen die Steinzeitbauern erstmalig in unserer Landschaft die Gereste an. (Siehe die schön gearbeitete Gerstenähre der Abb. 2.) Heute noch erhalten viele Landwirte aus den Dörfern Nideggen, Wollersheim und Vlatten erste Auszeichnungen für ihre Braugerste. Äpfel und Birnen sehen wir in den Füllhörnern unserer Matronen. Tacitus schreibt in seiner „Germania“ Kp. 5: „Obstbäume gedeihen dort“. Krüge, Trinkgefäße und große Amphoren aus Ton auf den Seitenwänden der Gödersheimer Mütter beweisen das Gerstenbier und den Weinbau an Rur und Neffel vor 1700 Jahren.

Die Weinrebe war am Rhein schon in der vorrömischen Zeit da. Die Römer haben aber viel zur Förderung des Weinbaues getan, vor allem der Kaiser Probus. Um 280 oder 290 n. Chr. soll er den Weinbau an Mosel und Rhein eingeführte haben. Das ist aber wohl nicht bewiesen. Er hat aber das Verbot, das Keltenland und Gemranien mit Wein zu beliefern, aufgehoben und Weinberge durch seine Soldaten anlegen lassen .Vom Rhein aus war die Rebe dann bald auc han Rur und Neffel heimisch. Die Alten legten die Trauben in Gernste, um sie lange frisch zu erhalten. Der blühende Gerstenbau erlaubte das.

Die schön gearbeitete Gersentähre (siehe Abb. 2), die Krüg und Amphlren auf den Matronensteinen von Gödersheim sind ein Beweis daüfr, daß man spätestens im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. an Rur und Erft den Gerstenwein und das Bier kannte. Beide haben ja eine (um 3000 v. Chr.) mehrtausendjährige Geschichte. Babylon und Ägypten kannten es schon, auch die Kunst des Mälzens ohne Hopfen. Von Pannonien, südlich der Donau, wo man ein Bier, Sabaia genannt, aus Hirse und Gerste herstellte, kam das Bier zu den Kelten nach Gallien, und diese Kelten, die ja auch an Rur und Neffel saßen, übermittelten wahrscheinlich den Germanen die Kunst des Mälzens. Auf eine Inschrift findet sich sogar das Wort cerevisiarius, d. h. „Bierbrauer“! Ebenso sympatisch wie die Bierkrüge und die Gerstenähren von Gödersheim sind uns die Trauben und Rebzweige und spitz auslaufenden Amphoren (siehe Abb. 3) auf unseren Votivsteinen. Die älteren Generationen erinnern sich noch – wie der Verfasser –, daß im mittleren Rurtal, besonders bei Winden, Wein gekeltert wurde. Auf den großen landwirtschaftlichen Ausstellungen in Düren konnte man ihn in den Jahren von 1890 – 1905 noch regelmäßig sehen. In Embken, dem Hauptort des Weinbaus im Neffeltal, fand man merkwürdigerweise eine Münze des Probus, des kaiserlichen Weinbauers. Embken hatte sogar eine Gemeindeweinkelter. An alten Häusern in Winden sieht man als Wahrzeichen Weintrauben und über dem Eingangstor des alten Zehnthofes in Wollersheim eine Gerstenähre aus Trierer Sandstein. Wollersheim hatte wie Eppenich, Bürvenich, Muldenau, Vlatten und Hausen Weinberge. Bei den zuletzt genannten zwei Dörfern kann man heute noch die Terrassen der alten Weinberge sehen.

Die „Eifelkalender“ brachten in den letzten Jahrzehnten mehrmals Abhandlungen über „heilige Stätten“ in der Eifel, ohne dabei darauf hinzuweisen, daß gerade unser Rur- und Neffelland klassisches Matronenland ist. Kein Kult war dem Herzen der keltischen und germanischen Bauern der Nord- und Osteifel näher als der Fruchtbarkeitskult seiner Beschützerinnen von Haus und Hof, von Feld und Flur. Sie waren seine „lieve Vrouwen“. Die Matronen Vacallinehae (in Endenich und Antweiler gefunden) deutet Kern auf Wachendorf, andere auf den Waal: „Wakalensche Lieve Vrouwen“, und die „Lieben Frauen von Hameland“ sind den Holländern wohlbekannt. Kein Wunder, daß der Matronenkult auf den Marienkult der christlichen Kirche übergegangen ist. Denn keine Heiligengestalt ist dem Volke der Rurlandschaft verehrungswürdiger als „Unsere liebe Frau“. Von Heimbach über Aldenhoven bis Kevelaer folgen sich ihre Wallfahrtsorte. In fast allen alten Kirchen bei der Rur: in Pier und Merzenich und Hochkirchen, in Geich und Derichsweiler und Hoven bei Zülpich stecken Bruckstücke von Matronensteinen. Ergreifend sind nicht nur die Gnadenbilder von Heimbach und Aldenhoven, sondern auch die gotischen Vesperbilder (Pietas) in den Kirchen von Mariaweiler, Merzenich u. a. um Düren. Rurland ist nicht nur Matronen-, sondern auch Muttergottesland.

Wenn wir die auf den Matronensteinen von Gödersheim abgebildeten Kulturprodukte betrachten, dann steht vor unserem geistigen Auge das Bild einer blühenden Landschaft an den Ufern der oberen Neffel und der mittleren Rur zur Zeit der Blüte des Matronenkultes (2. und 3. Jahrhundert n. Chr.). Dann sehen wir weithin Weinberge, Obstgärten und Gerstenfelder, Schweine- und Geflügelzucht. Diese Steinurkunden zeigen uns Schweineköpfe und Schweineschinken und Schweineopfer, große und kleine Vögel, die unstreitig der Familie der Sumpfvögel angehören. Wie künstlerisch hochstehend ist die Arbeit des Steinmetzen: Rebenzweige, die mit Blättern und Trauben verziert sind, die Krüge und großen Amphoren. Wie lebendig auf einem Steine das Bild des Opferdieners, der in der Hand ein Schwein heranbringt, das er an den Hinterbeinen festhält.

Wie lebendig ist heute noch die Verehrung der „3 Jungfrauen von Thum“ (siehe Abb. 5), die dort in der Nähe der Neffel als Fides, Spes und Caritas (Glaube, Hoffnung und Liebe) noch immer verehrt werden. Haben die Matronae tumestae von Sinzenich und die Textumehae von Soller vielleicht etwas mit Thum zu tun? Sind sie die „Mütter vom Hügel“ (nach Kaspers Thum von tumulus = Grabhügel)? Es gibt in Deutschland noch ein zweites Thum im Erzgebirge. Man erklärt dort das Wort nach einem böhmischen Tum-Gasthaus. Sind danach die tummestae, auch tumaestae, die „hospitales“, d. h. die „Gastlichen“? Oder steckt in dem Wort das lateinische maestus, d. h. traurig, betrübt? Rheinische Siedler sollen die Verehrung der Mater dolorosa mit nach Thum im Erzgebirge gebracht haben. 1509 ist dort die „Elende Maria“ als Pfarrpatronin durch die hl. Anna ersetzt worden. Holder (keltischer Sprachschatz) erklärt die Belgen als die tumentes (vgl. „Bülgen“), d. h. „Die Geschwollenen“, d. h. die Stolzen, hier die „Hoheitsvollen“. Oder haben die „3 Marien“ von Durboslar bei Jülich, die „Bellmarie“, die „Schwellmarie“ und die „Kreischmarie“ ihren Namen von den Schwellungen gewisser Kinderkrankheiten? Ja, der Matronenkult ist geheimnisvoll, aber nicht unheimlich, sondern mütterlich gütig gewesen. In Frauweiler bei Bergheim werden ebenfalls die 3 Jungfrauen wie in Thum als Patroninnen der Kirche verehrt. In der Wallfahrtskirche zu Heimbach stehen die „3 Marien“ als herrliche Skulpturen von hohem Kunstwert. Bis kurz vor dem ersten Weltkriege zogen die Gilsdorfer und Flerzheimer zur Pfingstzeit in Prozession zum Kirchlein bei Weilerswist, das der Volksmund das „Swister Türmchen“ nennt, um für den Erntesegen zu beten. Vielleicht hat kaum einer der Pilger gewußt, daß das Kirchlein „an der Gabgai“ liegt und daß dort einst die „Matronae Gabiae“ verehrt wurden, d. h. „die Gebenden.“ An einem Wege von Vettweiß nach Geich beim „wisse Krusch“ und bei Sinzenich stehen Kreuze mit drei weiblichen Gestalten. Ich vermute, daß bei Vettweiß ein Heiligtum der Vesunianischen Mutter stand. In Britannien steht ein Matronendenkmal mit der Inschrift „Matres omnium gentium“, d. h. „die Mütter aller Völker“. Wer verdient diesen Ehrentitel mehr als Christi Mutter? Auch die Großen unseres Volkes haben ihre Größe anerkannt: der größte deutsche Dichter, Goethe, im ersten Teil seines „Faust“ und im zweiten Teile, wo er uns herabsteigen läßt „zu den Müttern“. Der größte deutsche Bildhauer, Til. Riemenschneider, in der Himmelfahrtsmadonna im Creglinger Münster und der größte deutsche Maler, Albrecht Dürer, in seinen Marienbildern setzen ihr unvergängliche Denkmäler ihrer Kunst. Sie bleibt die „Immerwährende Maria“, ihrer eigenen Verheißung gemäß, länger als die „Drei Ewigen“ aller Matronensteine.





Quelle: Andreas Pohl, Über den Matronenkult in der Rur- und Neffellandschaft, Neue Forschungen,
in: Die Eifel 47, 1952(7), S. 98 100, Eifelarchiv Mayen.
Sammlung Michael Peter Greven, Nideggen, Sammlung wingarden.de, H. Klein
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