Das Geheimnis des Badewaldes
Waren die Kimbern und Teutonen im Dürener Lande?
1. Fortsetzung der Artikelserie von Pfarrer Andreas Pohl, Blens





Düren. Ein großes Geheimnis aus grauer Vorzeit hütet der Badewald noch immer in seinem Schoße: Waren die Kimbern und Teutonen im Dürener Land, näher gesagt, im Badewald? - Der Erste, der unsere Heimat und gerade das Dürener Land in das helle Licht der Geschichte stellte, ist C. Julius Cäsar, in seinem Buche vor mehr als zweitausend Jahren über den „Gallischen Krieg“, genau gesagt, in seinen „Commentarien“, das heißt, seinen Erläuterungen über den Gallischen Krieg. Er ist der Erste, der darin den Kimbern- und Teutonenzug in Zusammenhang bringt mit unserer Heimat, vergl. Cäsar, Gall. Krieg Buch II, 27 ff. V, 4 ff VI, 33 ff VIII, 24 f. Er ist auch der Erste, der uns in seinem Buche den Weg zeigt, auf dem allein das Kastell Aduatuka im Lande der Eburonen gefunden werden kann. Vor etwa 50 Jahren hat ein bekannter Historiker geschrieben: „Aduatuca ist unbestimmbar und unauffindbar.“ Bestimmbar ist es bestimmt auf Grund der Cäsartexte und - unauffindbar? Das lassen sich die deutschen Archäologen nicht gefallen. Sie werden das Geheimnis im Badewald ergründen. Wir verfolgen ihre weiteren Grabungen mit gespanntem Interesse und wünschen ihnen Erfolg, besonders im Interesse der Dürener Volks- und Heimatkunde.

Der Verfasser veröffentlichte als „neue Forschungen zur Vor- und Frühgeschichte der Eifel“ mehrmals Abhandlungen über die Aduatucafrage und besonders über die Frage „wo lag das Castell Aduatuca?“ (Cäsar Gall. Krieg Buch II, 29 ff. und Buch V, 24 ff und VI, 31.) Er deutet diese „Fliehburg“ mitten im Lande der Eburonen als das Advatucam des Codex von Parisiensis, d. h. die „Gutwache“ der Kimbern und Teutonen in den Jahren 103/102 v. Chr. zwischen Maas und Rhein. Dieses Aduatuca ist der Ursprungsort und in diesem Sinne der „Vorort“ der Aduatucer, die hier als Gutswächter für die Beute ihres Völkerzuges ihren Anfang als selbständigen Volksstamm hatten.

Im Jahre 113 v. Chr. begann jene große uns durch die antiken Schriftsteller bekannt gewordene erste große germanische Völkerwanderung, die wir den Kimbern und Teutonenzug nennen. Vom „Cimbrorum Promotorium“, wie Plinius sagt, d. h. von Jütland und Schleswig-Holstein aus zogen, durch Springfluten, Klimasturz oder Landnot gezwungen, mehrere germanische Stämme nach Süden, überschritten vielleicht bei Urfahr in der Nähe von Wien, die Donau, vernichteten im Lande der Noriker (bei Noreja, Neumarkt) das ihnen entgegengeschickte römische Heer, zogen aber nicht nach Italien hinab, sondern immer am Nordrande der Alpen entlang westlich durch Oberbayern, Württemberg und Südbaden. Dann überschritten sie den Rhein, rissen die Helvetier mit sich fort, durchquerten den Schweizer Jura und das Land der Sequaner und kamen in die römische Provinz Gallia Narbonensis, d. h. die Provence. Der römische Schriftsteller Livius berichtet darüber, daß sie dort wiederum ein römisches Heer vernichteten, vier Jahre in Südgallien blieben und im Jahre 105 in zwei großen Schlachten - eine bei Arausio-Orange - abermals die Römer besiegten.

In der Metallprovinz

Wiederum lag der Weg nach Italien offen vor ihnen. Sie trennten sich zunächst in zwei Heerhaufen, vereinigten sich aber im Jahre 104 erneut. Gemeinsam zogen sie nach Osten, gegen das Land der Belgier. Dort traten ihnen die Nervier, „der tapferste der belgischen Stämme“, wie Cäsar schreibt, mit Erfolg entgegen und wehrten sie von ihrem Lande ab. Daraus muß man schließen, daß sie das Maastal entlang auf dem rechten Ufer der Maas durch das Land der Condrusen bis etwa nach Lüttich weiterzogen. Dort erreichten sie den vorhistorischen Handelsweg von der Maas zum Rhein. Auf welchen Wegen aber vollzog sich der weitere Vormarsch der Kimbern und Teutonen? War es damals vor 2000 Jahren, überhaupt möglich, von Lüttich über das Moor- und Sumpfgelände des hohen Venn und durch die Urwälder und die tiefen Täler des Ardennenwaldes - so hieß damals die Eifel (Cäsar B. G. V, 31) - hinweg in die Nähe des Rheines zu kommen. Wir wissen, daß schon in frühgeschichtlicher Zeit die Eifel von zwei Handelswegen durchschnitten wurde, und zwar von Westen nach Osten und von Süden nach Norden. Diese beiden Routen bildeten schon in vorrömischer Zeit das große Eifeler Wegkreuz: Lüttich-Neuwieder Becken bzw. Trier-Niederrhein über Bitburg, Zülpich. Beide Routen sind von den Römern ausgebaut worden, besonders die zweite, die zur großen römischen Militärstraße Reims-Köln wurde. Wir brauchen nur auf dieser Route zu bleiben, die bloß einige Kilometer von der Odvacka, dem großen Lagerplatz der Kimbern, entfernt ist und bei der Walbig in die vorgeschichtliche „Eisenstraße“ einzubiegen, die eine römische Nebenstraße ist. Nach zehn Minuten sind wir dann schon mitten in der Odwacht, im Winkel dieser zwei Straßen, im Badewald.

Man hat gesagt, um die Odvacka der Kimbern und Teutonen zu finden, dürfe man nicht in die Eifel gehen. Georg v. Veith geht aber in die Eifel und legt das Lager des Cotta und Sabinus an den Oberlauf der Rur, und zwar ausgerechnet an das Hohe Venn, ohne nähere Ortsangabe. Will man aber einen noch kürzeren Weg von der Maas her zum Advatuca, dann vergesse man nicht die „Villa Mansuerisca“. Wenn man aber für den Kimbernzug unbedingt Bronze, Eisen, Kupfer und Blei verlangt, dann braucht man durchaus nicht von Dinant etwa über Limburg nach Gressenich zu gehen, wo Wirtschaftszentrum, Handelswege und Bronzeindustrie zur Römerzeit schon waren, sondern findet diese kriegswichtigen Metalle auch in der Eifel. Ein altes urkundlich nachweisbares Kupferbergwerk liegt direkt am Rande der Bade bei Vlatten. Der Dürener Geologe Dr. Vogt hat die sogenannte geologische „Metallprovinz“ um das Hohe Venn entdeckt. Im Anschluß an die „Via Mansuerisca“ kommt man über das Hohe Venn nach Cumce, dem heutigen Konzen, dem alten Compendiacum, der „Verbindung.“ Von dort führt die „Konzener Straße“ über den Buhlert (Bergwald) direkt in das Tal von Abenden zur Odvacka. Den kürzesten Weg wird aber der Eburonen-König Ambiorix, der Sieger von Aduatuka, gekannt haben, von dem Cäsar (Gall. Krieg V 24-37 erzählt, daß er in einem Nacht- und Tagesritt von Aduatuka zu den Aduatukanern an der Maas geritten sei.

Am Nordostrand der Eifel an der Rur

Die zweite Trennung der Kimbern und Teutonen darf nicht verwechselt werden mit der ersten nach der Schlacht von Arausio (Orange) 105 v. Chr., als die Kimbern nach Spanien und die Teutonen nach Südgallien zogen. Diese zweite Trennung nämlich fand „Diesseits des Rheines“ statt, wie Cäsar schreibt. Auf der Linie Lüttich-Neuwieder Becken liegt Odvacka genau zwischen Maas und Rhein am Rand der Eifel an der Rur. Cäsar berichtet uns in seinem „Gallischen Krieg“ (II, 29 ff) ein Ereignis, das ohne Zweifel dieselbe Sache und dieselbe Oertlichkeit betrifft und sich nur auf die zweite Trennung der Kimbern und Teutonen beziehen kann: „Sie selbst (nämlich die Advatiker) sind Abkömmlinge der Kimbern und Teutonen. Als diese nämlich nach unserer Provinz (Provence) und nach Italien zogen, ließen sie alles, was sie an Gepäck nicht mitführen und schleppen konnten, diesseits des Rheins (also auf dem linken Rheinufer) zurück.“ Cäsar tat übrigens an der selben Stelle das gleiche, wie er in seinem Gall. Krieg (VI, 32,3) berichtet: „Den Troß sämtlicher Legionen legte er nach Advatuka.“ Als er im Jahre 53 v. Chr. Advatuka als Lagerplatz für den großen Troß bestimmte, waren erst 48 Jahre seit der Gutswache der Kimbern und Teutonen an dieser Stelle verflossen. „Das ist der Name eines Kastells, ungefähr in der Mitte des Eburonenlandes.“

„Nicht weit von Düren“

Cäsar schreibt dann (II, 29), daß die Kimbern und Teutonen für diesen Troß auf dem linken Rheinufer als „Schutz und Bewachung“ 6000 Mann aus ihren Scharen bestimmt hätten, und daß diese 6000 dann „viele Jahre hindurch bald in Angriffs-, bald in Verteidigungskriegen ihre Advacka verteidigt und dann mit Zustimmung aller in der ganzen Gegend gesiedelt hätten.“ So entstand hier das Volk der Advatuker, auch „Advatricier“ genannt, d. h. der Gutswächter. Oberster Grundsatz der Advatuker-Forschung muß sein: „Weg von der Maas, hin zur Rur!“, also in die Eifel. Sonst wird die historisch und philologisch beinahe ausgelaugte Frage nach dem Castellum Advatuka“ und der dabei liegenden Gutswache niemals gelöst werden. Der römische Historiker Tacitus berichtet in seiner „Germania“ (Kap. 37), daß sich auf beiden Ufern des Rheines „weite Lagerräume“ befänden, „castra ca spatia.“ Plinius der Ältere, Stabsoffizier im oberrheinischen römischen Heere (50/51 oder 47 n. Chr.), sah diese „große Lagerräume“ nicht nur, als er 50/51 n. Chr. bei Zurzach die dortige Holzbrücke über die Aare benutzte, sondern auch 47 n. Chr., als er Niedergermanien, d. h. das Rheinland, besuchte, auf dem linken Rheinufer, als er in unmittelbarer Nähe derselben auf der alten Heerstraße von Köln nach Trier vorbeiritt, und zwar bei der genannten Abzweigung von dieser Straße, der Eisenstraße, einer römischen Nebenstraße. Dort sind die Reste jener Lagerräume in dem großen Grubensystem und den Wällen und Gräben im Badua-Walde noch heute zu erkennen. Das „in Badua“ wird erstmalig von Cäsarius von Heisterbach (zwischen 1240 und 1250) genannt in seinem „Buch wunderlicher Begebenheiten.“ Dieses „in Badua“ ist nicht Lechenich, sondern unsere „Bade“ - siehe vergangene Samstagausgabe. Zur Zeit Paulius Jovius, des Freundes Karls V. und des Dürener Chronisten Jacobus Polius muß noch eine gewisse Tradition bezüglich Advatuka im Dürener Lande gewesen sein. Denn Jovius schreibt, daß nahe Düren die Kohorten Cäsars unter Sabinus und Cotta zusammengehauen wurden. Polius bezieht sich auf diese Stelle und schreibt, um 1634 „haud longe a Dura“, d. h. nicht weit von Düren habe die Schlacht bei Advatuka im Jahre 54 v. Chr. stattgefunden.





Quelle: Dürener Lokal-Anzeiger Nr. 170 vom 24. Juli 1954
Sammlung Michael Peter Greven, Nideggen, Sammlung wingarden.de, H. Klein
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