Neue Forschungen zur Eifel-Geschichte III
Waren die Kimbern und Teutonen in der Eifel?
Von Pfarrer Andreas Pohl, Blens





Pfarrer Andreas Pohl veröffentlichte im vergangenen Jahr in den „Nachrichten“ Nr. 103, 106 und 109 vom Mai 1951) neue Forschungen zur Lage des von Cäsar beschriebenen Kastells Aduatuka (Gall. Krieg V 24), das er als „Ad Vatucam“ des Codex V Parisiensis, d. h. die „Gutswache“, der Kimbern und Teutonen in den Jahren 103/102 v. Chr. zwischen Maas und Rhein deutete. Es ist der Ursprungsort und in diesem Sinne „Vorort“ der Aduatuker, die hier als „Gutswächter“ für die Beute ihrer Landsleute ihren Anfang als selbständigen Volksstamm hatten. Das Kastell war ursprünglich nichts anderes als eine „Fliehburg“ mitten im Lande der Eburonen. Wir bringen nun einen weiteren Beitrag zu dieser Frage aus der Feder des Verfassers.

Im Jahre 103 v. Chr. begann jene große uns durch die antiken Schriftstelle bekannt gewordene erste große germanische Völkerwanderung, die wir den Kimbern- und Teutonenzug nennen. Com „Cimbrorum Promuntorium“, wie Plinius 3 sagt, d. h. von Jütland und Schleswig-Holstein aus zogen durch Springfluten, Klimasturz und Landnot gezwungen, mehrere germanische Stämme nach Süden, überschritten, vielleicht bei Urfahr in der Nähe von Wien, die Donau, kamen durch Kroatien, Slavonien und Steiermark nach Kärnten, vernichteten im Lande der Noriker (bei Noreja = Neumarkt) das ihnen entgegen geschickte röm. Heer, zogen aber nicht nach Italien hinab. Sondern immer am Nordrande der Alpen entlang westlich durch Oberbayern, Württemberg und Südbaden. Dann überschritten sie den Rhein, rissen die Helvetier mit sich fort, durchquerten den Schweizer Jura und das Land der Sequaner und kamen dann in die römische Provinz Gallia Narbonensis, d. h. die Provence. Der römische Schriftsteller Livius berichtet uns, daß sie dort wiederum ein römisches Heer vernichteten, vier Jahre in Südgallien blieben und im Jahre 105 in zwei großen Schlachten - eine bei Arausio-Orange - abermals die Römer besiegten.

Nach Norden zurück

Wiederum lag der Weg nach Italien offen vor ihnen. Sie trennten sich aber in zwei Heerhaufen: die Kimbern zogen über die Pyrenäen nach Spanien und kamen bis zum Ebro. Die Teutonen trieben sich mehrere Jahre in Südgallien umher. Im Jahre 104 etwa vereinigten sich die beiden Hauptstämme, die Kimbern und die Teutonen wieder mit den anderen und zogen dann gemeinsam nach Osten zu, gegen das Land der Belgier (Bell. gall. II 4). Dort traten ihnen die Nervier, „der tapferste der belgischen Stämme“, wie Cäsar schreibt, mit Erfolg entgegen, und zwar als die einzigen aller belgischen Stämme und wehrten sie von ihrem Lande ab.

Daraus muß man schließen, daß sie das Maastal entlang auf dem rechten Ufer der Maas durch das Land der Condrusen weiterzogen bis etwa nach Lüttich. Dort erreichten sie den alten, vorhistorischen Handelsweg von der Maas zum Rhein, und zogen durch die Eifel in östlicher Richtung. Da die Nervier nördlich der Maas wohnten - (wahrscheinlich sind Bagacum Nerviorum-Bavai und Augusta Naerviorum-Namur der Peutingertafel Hauptplätze ihres Landes gewesen).

Das Wegekreuz

Auf welchen Wegen aber vollzog sich der Vormarsch der Kimbern und Teutonen? War es damals, vor 2000 Jahren, überhaupt möglich, von Lüttich aus über das Moor- und Sumpfgelände des Hohen Venn und durch die Urwälder und die tiefen Täler des Ardennenwaldes - so hieß damals die Eifel (Cäsar B.G. VI 31) - hinweg in die Nähe des Rheines zu kommen? Wir wissen, daß schon in frühgeschichtlicher Zeit die Eifel von zwei großen Handelswegen durchschritten wurde, und zwar von Westen nach Osten und von Süden nach Norden. Diese beiden Handelswege bildeten schon in vorrömischer Zeit das große Eifeler Wegekreuz: 1. Lüttich-Neuwieder Becken über Andernach, 2. Trier-Niederrhein über Bitburg-Zülpich. Beide Routen sind von den Römern ausgebaut worden, besonders die zweite, die zur großen römischen Militärstraße Reims-Köln wurde. Wir brauchen nur auf dieser Route zu bleiben, die bloß einige Kilometer von Odvacka, dem großen Lagerplatz des Kimbernzuges, entfernt ist und bei der Walbig in die vorgeschichtliche „Eisenstraße“ einzubiegen, die eine römische Nebenstraße ist. Nach zehn Minuten sind wir dann schon mitten in der Odwacht, im Winkel dieser zwei Straßen.

Die Kimbern und Teutonen haben als erste den riesigen Herzynischen Wald vom Schwarzwald bis zu den Karpathen und das Hohe Venn war ihnen nicht schwieriger als die steilen Pyrenäenpässe auf ihren Zügen nach Spanien und die Abhänge der Alpen, auf deren Schneefeldern sie ein halbes Jahr später, auf ihren Holzschlitten sitzend, nach der Schilderung des Plutarch-Marius, in das Tal der Etsch hinabsausten. Dazu belastet mit der „Wagenburg“ der Frauen und Kinder und dem ungeheueren Troß eines siegreichen, aber planlosen Völkerzuges.

In der „Metallprovinz“

Man hat gesagt, um die Odvacka der Kimbern und Teutonen zu finden, dürfe man nicht in die Eifel gehen. Georg von Veith geht aber in die Eifel und legt das Lager des Cotta und Sabinus an den Oberlauf der Rur, und zwar ausgerechnet an das Hohe Venn! (Veith, Cäsars Feldzüge in Gallien.) Ohne nähere Ortsangabe. Karl von Veith berichtet, daß der Förster Stein 1873 im Dreiherrenwald beim „Dreiherrenstein“ auf einer markierten Stelle in etwa 1 Meter Tiefe ein eigentümliches altes Eisengerät mit 40 kleinen Hufeisen für Maultiere fand. Also bei der Straße Reims-Köln! Dr. Willems beweist in „Ostbelgische Chronik“, Band I, 1948, daß Cäsar 53 v. Chr. die West-Ost-Wege von Belgien her benutzte, um an den Rhein zu kommen. Auf seiner Karte zeigt er, wie diese Wege von Bavai im Nervierlande und von Reims im Remerlande alle auf Köln zu an den Rhein laufen, also durch die Eifel. Will man aber einen noch kürzeren Weg von der Maas her zum Advatuka, dann vergesse man nicht die „Via Mansuerisca“. Wenn man aber für den Kimbernzug unbedingt Bronze, Eisen, Kupfer und Blei verlangt, dann braucht man durchaus nicht von Dinant etwa über Limburg nach Gressenich zu gehen, wo Wirtschaftszentrum, Handelswege und Bronzeindustrie zur Römerzeit schon waren, sondern findet diese kriegswichtigen Metalle auch in der Eifel. Ein altes urkundlich nachweisbares Kupferbergwerk liegt direkt am Rande der Bade bei Vlatten. Der Dürener Geologe Dr. Voigt hat die sogenannte geologische „Metallprovinz“ um das Hohe Venn entdeckt.

Im Anschluß an die „Via Mansuerisca“ kommt man über das Hohe Venn nach Cumce, dem heutigen Konzen, dem alten Compendiacum, der „Verbindung“. Von dort führt die „Konzener Straße“ über den Buhlert (Bergwald) direkt in das Tal von Abenden zur Odvacka. Den kürzesten Weg wird aber der Eburonen-König Ambiorix, der Sieger von Aduatuka, gekannt haben, von dem Cäsar (Gall. Krieg V 24-37) erzählt, daß er in einem Nacht- und Tagesritt von Aduatuka zu den Aduatukanern an der Maas geritten sei.





Quelle: Dürener Nachrichten Nr. 108 vom 10. Mai 1952
Sammlung Michael Peter Greven, Nideggen, Sammlung wingarden.de, H. Klein
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