Dederich
Wo hat Cäsar die Usipeten und Tenchtherer besiegt, und wo ist er über den Rhein gegangen? Nebst einem Anhang über die Lage von Aduatuca.





Hauptquelle zur Entscheidung dieser Fragen, ja einzige Quelle, sind die Commentarien des Cäsar selbst. Ihn, der vom Tacitus (Germ. 28.) als summus auctor gepriesen wird, führen Plutarch und Appian in ihren kurzen Berichten als Gewährsmann an; aus ihm geben Dio Cassius und Orosius uns nur sparsame Auszüge; die übrigen Schriftsteller berühren die hier in Frage stehende Geschichte nur mit wenigen Worten: so dass dies Alle zur Bestimmung der Oertlichkeit nichts Wesentliches beitragen. Folgen wir also der Darstellung Cäsars.

„Unter dem (zweiten) Consulate des Cn. Pompejus und M. Crassus (d. i. 55. v. Chr.) setzten zwei germanische Völkerschaften, die Usipeten und Tenchtherer, 430,000 an der Zahl 1), gedrängt von den Sueven, über den Rhein, nicht weit von seiner Einmündung ins Meer.“ B. G. IV. 1. Vgl. 15.

Der Uebergangspunct ergibt sich aus einer Zusammenstellung der Worte: non longe a mari, quo Rhenus influit, mit den des Cap. 10: ubi Oceano appropinquat (Rhenus), in plures diffluit partes. Er war also da, wo der Rhein sich in mehre Arme theilt, d. i. wo er sich zunächst in Rhenus und Vahalis trennt; aber auch nicht unmittelbar bei dieser Trennung, sondern erst da, wo das Clever Gebirge oder der sogenannte Reichswald, welcher sich von Cleve bis Nymegen ausdehnt, aufhört und das Land eben wird: mithin in der Gegend der jetzigen Stadt Emmerich.

„Sie hatten viele Jahre den Sueven die Spitze geboten; endlich aber wurden sie aus ihren Wohnsitzen vertrieben, schweiften drei Jahre lang in viele Gegenden Germaniens umher und kamen an den Rhein, wo die Menapier wohnten. Diese bewohnten beide Ufer des Rheins; aber die Usipeten und Tenchtherer bemächtigten sich durch einen plötzlichen Ueberfall des rechten Ufers, setzten sogar über den Fluss, nahmen die Wohnungen der Menapier in Besitz und nährten sich den Winter über von deren Vorräthen (Cap. 4.). Auf die Einladung einiger gallischer Staaten aber, die mit Hülfe dieser tapfern Völker das römische Joch abzuschütteln wünschten, blieben sie nicht am Rhein, sondern machten nun Streifzüge tiefer ins Land hinein und kamen bis ins Gebiet der Eburonen und Condruser, welche Schutzverwandte der Treverer waren (Cap. 6.). Einen grossen Theil ihrer Reiterei schickten sie, um Beute und Lebensmittel zu holen, über die Maas ins Gebiet der Ambivariten“ (Cap. 9.).

Es ist wohl festzuhalten, dass die Germanen, nachdem sie da, wo der Rhein sich in mehre Arme zu theilen anfängt, über den Fluss gegangen waren, auf dem rechten Ufer der Maas geblieben sind; denn nur einen Theil ihrer Reiterei schickten sie über dieselbe, und die Eburonen wohnten hauptsächlich zwischen Maas und Rhein (V. 24.) 2).

Dio Cassius (XXXIX. 47.) lässt die Germanen sogar ins Gebiet der Trevirer einfallen

Auf Dios Wort, welcher uns nur einen nüchternen Auszug aus Cäsars Commentarien gibt, ist hier kein Gewicht zu legen, und man darf auf sie nicht die Behauptung gründen wollen, als seien die Germanen wirklich bis ins Gebiet der Trevirer selbst vorgedrungen (- wie Müller in seinen Marken des Vaterlandes S. 43., und nach ihm Seul, Progr. des Coblenzer Gymn. J. 1840. S. 10 gethan haben -). Weil Cäsar sagt, die Eburonen und Condruser seien Clienten der Trevirer gewesen, so läßt Dio die Germanen wirklich bis ins Gebiet der Trevirer einfallen. Will man dem Dio an dieser Stelle eine solche Ungenauigkeit nicht aufbürden, so ist vollkommen befriedigend und statthaft die Erklärung, daß Dio allgemein das Gebiet der Trevirer genannt habe an der Stelle des den Clienten der Trevirer gehörigen Landes.

„Nach Beendigung des dritten Feldzuges war Cäsar, seiner Gewohnheit gemäss, nach Oberitalien gegangen, nachdem er sein Heer im Lande der Aulerker, Lexovier und anderer Völker derselben Gegend, die zuletzt die Waffen geführt, in die Winterquartiere gelegt hatte (III. 9. fin.). In Italien kam ihm die Kunde, dass germanische Völker die Manapier aus ihren Sitzen geworfen und den Rhein überschritten hätten (IV. 5. in.). Er eilte daher frühzeitiger, als er sonst zu thun pflegte, ins Land der Aulerker und Lexovier zu seinem Heere zurück (Cap. 6.). Nachdem er sich zum Kriege gerüstet, trat er seinen Marsch an in diejenigen Gegenden hin, in welcher, wie er hörte, die Germanen sich befanden (Cap. 7.). 2)

Cäsars Worte: iter in ea loca facere coepit, quibus in locis Germanos esse audiebat, und namentlich das Imperfect audiebat, ziehen Müller S. 42. und Seul S. 9. als Beweis an für ihre Behauptung, die Germanen hätten beim Aufbruche Cäsars aus dem Lande der Aulerker innerhalb des Gebietes der Trevirer gestanden. Müllers Worte sind: „Nachdem Cäsar den Teutschen Zeit gelassen, ihren Zug weit nach Süden fortzusetzen, brach er in diejenige Gegend auf, in welcher, wie er hörte, dieselben jetzt ständen (audiebat, nicht audierat)“. Meines Bedünkens liegt in den Worten kein anderer Sinn, als folgender: Cäsar bricht aus den entlegenen Gegenden Galliens zum Rhein auf in die Gegend, in welcher die Germanen hauseten, nämlich ins Land der Eburonen und Condruser, einen bedeutenden Marsch zurücklegend, ohne den Weg, den er genommen, näher zu bezeichnen, und ohne Angabe der Tagereisen: wie er das oft in eiligen Märschen 3) zu thun pflegt. Sowohl auf diesem langen Marsche, als besonders bei seiner Ankunft in der Rheingegend hörte er durch Boten und Auskundschafter, wo sich der Feind herumtrieb, und waren ihm, da derselbe in einzelnen Horden plündernd umherschweifte, wiederholte Erkundigungen und Nachrichten von Seiten seiner Auskundschafter nothwendig. Diese wiederholten Nachrichten werden durch das Imperfect audiebat bezeichnet.

Hier ist die Stelle zu reden über Cäsars (Cap. 10.) Worte: ad Ambivaritos trans Mosam. Seul S. 13. übersetzt: „über die Mosel“ 4) und sucht diese Uebersetzung S. 16. ff. zu begründen. Gegen diese durchaus falsche Ansicht spricht ganz direct Cäsar selbst im folgenden Cap. 11., wo er von der Maas und nicht von der Mosel spricht. Mag es auffallend erscheinen, daß Cäsar nirgends die Mosella erwähnt; mag Mosella scheinbar nur Diminutivform von Mosa sein: hier handelt es sich um etwas ganz Anderes, um die Bestimmung der Oertlichkeit des Kriegsschauplatzes. Cäsar erwähnte eben zum ersten Mal die Maas; deshalb beschreibt er gelegentlich im folgenden Cap. diesen Fluss. Weil aber die Maas die Vahalis, einen Theil des Rhenus, aufnimmt, darum spricht er gleich darauf auch vom Rhenus und seinen vielen Mündungen. Und bei diesen topographischen Schilderungen hat er offenbar absichtlich die Mündungen der Maas und des Rheines ganz besonders im Auge, eben weil in deren Nähe der Kriegsschauplatz war. Die eine Stelle ist durch die andere bedingt; es kann unmöglich an der einen die Mosel und an der andern die Maas gemeint sein. Alle Triaden über Cäsars häufige Ungenauigkeiten, die ich im Allgemeinen nicht in Abrede stellen will, helfen hier nicht aus. Dem gesunden und natürlichen Zusammenhange müssen alle andern Rücksichten weichen. Die Ambivariten wohnen also jenseits der Maas und nicht der Mosel.

Um alle Zweifel an seiner Ansicht zu verscheuchen, führt Seul S. 18. (unter Vorgang Müllers S. 44.) eine vielbesprochene Stelle des Florus (III. 10. 14.) an, nach welcher Cäsar die Mosel und dann den Rhein überschritt. Und an welcher die Stelle die Schreibart Mosella nie angefochten worden wäre. Dagegen beachten wir zuerst den Zusammenhang bei Florus. So wie früher die Aeduer sich über den Arisovistus beklagt hatten (§. 10.), so beklagten sich nun zum zweiten Mal die Treviri 5) über die Germanen (Usipeten und Tenchtherer). Hic vero iam Caesar ultro Mosulam navali ponte transgreditur, ipsumque Rhenum etc. „Da konnte sich Cäsar nicht länger enthalten, über die Mosel, ja über den Rhein selbst zu gehen, um den Feind auf germanischem Boden aufzusuchen und zu züchtigen.“ Geben wir in diesem Zusammenhange zu, dass Cäsar, aus dem Lande der Aulerker und Lexovier (denn da stand er) kommend, über die Mosel geschritten sei, so müssen wir consequenter Weise auch annehmen, dass er oberhalb des Ausflusses der Mosel über die berühmte Pfahlbrücke den Rhein überschritten hat: und das wird doch nun wohl Niemand mehr behaupten wollen. Zweitens ist es unwahr, daß die Leseart Mosulam oder Mosellam nie wäre angefochten worden. Aus den Mss., die Massiliam lesen, schob Vinetus zuerst Mosulam unter: ein Ms. Aber hatte a pr. m. Mosellam; dieses griff Cluver (Germ. Antiq. II. 14.) auf, und ihm sind die meisten Editoren gefolgt. Dagegen bezeugt Ortelius (Thes. Geogr.), die Exemplaria hätten Mosam, und so hat stillschweigend editiert Stadius. Und unstreitig ist Mosam die richtige Leseart. Sobald Cäsar sich gegen den neuen Feind gerüstet hatte, eilte er über die Maas ins Land der Eburonen, wo der Feind stand, und ging darauf sogar über den Rhein. Ueberdies rechtfertigt sich aus des Florus Worten, in welchen die Eile Cäsars auf seinem Marsche ins Land der Eburonen nicht zu verkennen ist, auch die eben von uns gegebene Erklärung der Worte Cäsars: in ea loca iter facere coepit, wo eine Angabe des Weges und der Tagereisen unterblieben ist, eben wegen der Eile. - Ueber die Stelle des Florus bleibt noch zu bemerken, dass der Schriftsteller in der Kürze seiner zusammengezogenen Geschichtsübersicht nicht auf Genauigkeit Anspruch

Mit der irrigen Ansicht über die Mosa fällt auch das ganze Cap. Seuls S. 18. ff. über den vermeintlichen Wohnsitz der Ambivariten zwischen dem Zusammenfluss der Mosel und des Rheines bei Coblenz zusammen. Schon die Zusammenstellung der im Allgemeinen diplomatisch feststehenden Worte kann es nicht billigen, einen vicus Ambiatinus unter das Volk der Ambivariti verlegen zu wollen. Auch die gewöhnliche Annahme, die Ambivariten hätten in der Gegend von Breda gewohnt, verträgt sich nicht mit unserm eben gegebenen Zusammenhange. Auf der Reichardschen Karte von Gallien in Herzogs Ausgabe des B. G. befinden sie sich an der Maas zwischen Lüttich und Namür. Ich glaube, dass dieses Völkchen dicht auf dem linken Ufer der Maas zwischen dem Ausfluss der Nierse und Roer, oder auch noch etwas höher die Maas hinauf, gewohnt hat.

„Wenige Tagereisen war Cäsar von den Germanen entfernt, da kamen Gesandten derselben zu ihm und verlangten Ländereien (Cap. 7.). Cäsar gab ihnen eine abschlägige Antwort (Cap. 8.). Da baten sie um drei Tage Zeit, um mit den Ihrigen zu berathen; sie verlangten überdies, dass er nicht weiter vorrücken möchte. Aber Cäsar ging auf Letzteres nicht ein, weil er in diesem Aufschub List fand (Cap. 9.). Er rückte daher weiter vor und stand nicht mehr als 12,000 Schritte vom Feinde entfernt, als, der Absprache gemäss, die Gesandten zurückkehrten. Sie trafen ihn auf dem Marsch und baten inständigst, von weitern Vordringen abzulassen. Er aber setzte seinen Weg fort. Auf weiteres Ansuchen, dass er ihnen noch drei Tage Frist vergönnen möchte, erklärte er, nur noch 4000 Schritte, des Wassers wegen, vorrücken zu wollen; dahin sollten sie am folgenden Tage in größter Zahl bei ihm zusammenkommen, um über ihre Forderungen Rath zu halten (Cap. 11.). Nach vergeblichen Unterhandlungen und begangenen Treulosigkeiten überfiel Cäsar, indem er in der Eile noch einen Weg von 8000 Schritten zurücklegte, den Feind unvermuthet in seinem Lager und schlug ihn in die Flucht (Cap. 14.). Den flüchtigen Feind liess er durch seine Reiterei verfolgen bis an den Zusammenfluss der Maas und des Rheines, wo derselbe theils durch das Schwert der Römer, theils in den Wellen des Stromes umkam. Die römische Reiterei kehrte, ohne einen Mann verloren zu haben, zu Cäsar ins Lager zurück (Cap. 15.).“

Müller S. 14. legt ein besonderes Gewicht auf das Begehren der Germanen um drei Tage Zeit, um in diesem mit dem Senate der Ubier unterhandeln zu können. „Die Germanen mussten also dicht an der ubischen Gränze, mithin wiederum im Trevirischen sein“: schliesst er. Wohnten denn die Ubier so fern, dass, selbst wenn Cäsar schon ziemlich ins Land der Eburonen vorgerückt gewesen wäre, die Germanen nicht in drei Tagen von denselben in einer einfachen Sache hätten Bescheid haben können? Uebrigens war es ihnen nicht um Unterhandlungen mit den Ubiern zu thun, sondern vielmehr um Aufschub bis zur Rückkehr der zu den Ambivariten ausgesandten Reiterei; wie schon in der wiederholt erbetenen Zeitfrist von jedesmal drei Tagen angedeutet wird.

In den beiden letzten Capp. (14. U. 15.) ist die Rede von einem Lager der Germanen. Als also die Germanen auf die Einladung der gallischen Völker sich vom Rhein entfernten, liessen sie Weib und Kind, so wie Wagen und Gepäck (Cap. 14.) in der Nähe des Rheines in einem Lager zurück; nicht so, wie sie über den Rhein gegangen waren, mit Weib und Kind, zogen sie in Gallien ein, sondern nur die waffentragenden Männer machten vom Hauptlager aus Streifzüge ins Land der Eburonen und Condrusen. Dieser wichtige Umstand lässt sich geltend machen gegen die Ansicht derjenigen, welche die Germanen über die Mosel ins Gebiet der Trevirer führen. Nach Cäsars Erzählung nun dauerte nach der Ueberrumpelung des Lagers Flucht und Verfolgung noch nicht einen Tag, an welchem die römische Reiterei auch noch ins Lager Cäsars zurückkehrte. Und das die Flucht am Zusammenfluss der Maas und des Rheines aufhörte, so muss das Lager der Germanen nur ein Paar Stunden von dem Zusammenflusse entfernt gewesen sein. Jetzt aber entsteht endlich die wichtige Frage, was denn und wo der confluens Mosae et Rheni war. Die Ansicht, Mosa sei die Mosel, und der Confluens sei bei Coblenz, ist hinlänglich zurückgewiesen. Andere haben an St. Andreas unterhalb Thiel gedacht, so dass das Lager der Germanen zwischen Waal und Maas noch unterhalb Nymegen gestanden hätte. Gegen die Wahrscheinlichkeit dieser Ansicht spricht einerseits die Beschaffenheit des Terrains, der enge Winkel zwischen beiden Gewässern und der zwischen ihnen liegende Bergrücken, das Clever Gebirge; andererseits insbesondere unsere obige Erzählung, nach welcher die Germanen vor der Theilung des Rheines in seine Arme, in der Gegend von Emmerich, über den Rhein gegangen sind; dann auch die Worte Cäsars selbst, welcher nicht von confluens Mosae et Vahalis (die er ja namentlich kannte) spricht, sondern con confluens Mosae et Rheni.

So wei Drumann (I. c. S. 286.) ganz richtig die Germanen in der Gegend, wo der Rhein sich theilt (bei Emmerich), über den Rhein nach Gallien gehen lässt, so war auch er schon mit dem Orte, wo die Germanen nach der Ueberrumpelung ihres Lagers von den verfolgenden Römern in den Rhein getrieben worden sind, völlig mit sich im Reinen. Er spircht sich S. 288. Not. 88. dahin aus: „Ad confluentem Mosae et Rheni kann nichts anders bedeuten, als dass sie in den Keil zwischen Rhein und der Maas hineingetrieben wurden, und in der Gegend übersetzten, wo sie auf den Schiffen der Menapier in Gallien angelangt waren; der Arm des Rheines, welcher die Waal heisst, blieb ihnen zur Linken. Irrig hat man statt Mosa (Maas) Mosella (Mosel) lesen wollen, und sie bei dem nachmaligen Coblenz (Confluentes) übergehen lassen.“ Er sagt: „sie liessen die Waal zur Linken“; sie wurden also nach seiner Meinung vor der Theilung des Rheines in Waal und Rhein, bei Emmerich, in den Strom getrieben. Diese zuverlässige Ortsbestimmung beruht auf einer richtigen Betrachtung der Reihenfolge der Thatsachen in Cäsars Commentarien. Ja es könnten, ohne der Sprache Gewalt anzuthun, die Worte ad confl. auch von der Nähe (prope) beim Confluens verstanden werden, die Cäsar beim unglücklichen Uebergangsversuche der Germanen muthmasste, und welche in der That für denjenigen, welche geographische Lagen nur im Allgemeinen betrachtet, ohne auf Genauigkeit nach Stunden und Minuten in der Entfernung Anspruch zu machen, auch nicht gar fern war. Allein untersuchen wir nächer unser Confluens nach allen sich uns darbietenden Umständen und Rücksichten.

Kühn wird man die Behauptung nennen, die ich, durch die Verhältnisse genöthigt, aufstellen werde; allein der Zusammenhang wird sie, hoffe ich, rechtfertigen. - Klar, auch noch für die Gegenwart, ist des Tacitus Beschreibung der Maas- und Rhein-Mündung, so wie der Rheinarme 6). Anders verhält es sich mit der Ansicht Cäsars (Cap. 10.), welcher über die plures partes, in die der Rhein diffluiert, keine sichere Kunde gehabt zu haben scheint; dazu kommt, dass das Missgeschick die Dunkelheit der Vorstellung auch noch in eine neue Schwierigkeit durch die Entstehung verschiedener Lesearten verwickelt hat. Schneider lieset: Mosa-parte quadam ex Rheno recepta, quae appellatur Vacalus (i. e. Vahalis), insulam efficit Vatavotum, neque longius ab Oceano milibus passuum LXXX. in Rhenum influit, und stellt über die Wasserarme, welche die Insel bilden, eine neue Ansicht auf: Insulam Valavorum Caesar triquetram facit, Rheno, Vacalo, Mosa circumdatam, quorum primus secundum a se dimittens inchoat insulam, tertius secundum recipiens continuat, indemque denique in primum influens absolvit. Itaque Mosam, primas quasi partes agentem, efficere insulam dicit. Ich habe dagegen hauptsächlich folgende Puncte einzuwenden: 1) stimmt Tacitus (Ann. II. 6.) genau mit Cäsar darin überein, dass die Maas in den Ocean fliesst. 2) Die Maas so wie der Rhein haben jeder für sich einen besondern Ausfluss in den Ocean. 3) Die Annahme, dass die Maas nach der Aufnahme der Waal in den Rhein fliesse und die Insel der Bataver vollende, stimmt bei weitem nicht mit der Zahl von 80,000 passus als Zwischenraum zwischen dem Ocean und dieser vermeintlichen Vereinigung der Maas und des Rheins. 4) Nicht die Maas bildet die Insel der Bataver, sondern richtiger die Waal, dadurch nämlich, dass dies zunächst durch ihren Ausfluss aus dem Rhein die Insel anfängt. Inwiefern aber die Waal ein Theil des Rheins ist und die Insel der Bataver bildet, davon hatte Cäsar nur eine dunkele Vorstellung; denn er sagt parte quadam i. e. nescio qua. 5) Wie passt in die Ansicht von Schneider der Ausdruck neque (i. e. et non) longius? Man erwartete, dass Cäsar blos geschrieben hätte: et ab Oceano etc. Offenbar fügt er sich natürlicher unserer Ansicht, welche folgende ist. Nach Oudendorps und Herzogs wahrscheinlich richtiger Leseart (Mosa-parte quadam ex Rheno recepta, quae apellatur Vahalis insulamque efficit Batavorum, in Oceanum influit; neque (i. e. neque vero, neque tamen) longius - in Rhenum transit.) ist der Hauptgedanke Cäsars dieser: „Die Maas nimmt einen Rheinarm, nämlich die Waal, auf und ergiesst sich in den Ocean; nachdem sie jedoch vorher, 80,000 Schritte vom Meere entfernt, in den Rhein übergegangen ist.“ Wo war nun dieser transitus? Vielleicht bei St. Andreas unterhalb Thiel? Erstens entspricht die Entfernung nicht, und zweitens heisst bei Thiel der Rheinarm schon Vahalis. Cäsar wollte doch nicht sagen: „Die Maas fliesst in die Waal und dann ins Meer; aber 80,000 Schritte vom Meer fliesst sie in die Waal.“ Einen zweimaligen Uebergang der Maas in die Waal hat weder Tacitus angenommen, noch auch Cäsar: beide kennen nur einen einmaligen Zusammenfluss, sei es nun Thiel oder Gorkum gegenüber. Mag dieser nun bei dem einen oder bei dem andern Orte angenommen worden sein: Cäsar nahm vor der Vereinigung der Maas und Waal noch einen transitus der Maas in den Rhenus an; die Entfernung aber, die Cäsar von diesem transitus bis zum Ocean angibt, nämlich 80,000 Schritte, d. i. 16 geographische Meilen, entspricht in der Wirklichkeit ziemlich genau der Entfernung vom Meere bis zur Theilung des Rheines in Rhein und Waal: so dass also der vermeintliche transitus der Maas in den Rhein als identisch erscheint mit unserm fraglichen confluens Mosae et Rheni.

Es lässt sich Manches anführen, um die Möglichkeit einer Täuschung Cäsars über dies hydrographischen Beziehungen zu begründen.

Ein Confluens, ein wirklicher Zusammenfluss der Maas und des Rheines, konnte in der Vorstellung Cäsars Raum gewinnen aus der blossen Annäherung dieser beiden Gewässer. Die unbestimmte Angabe der plures partes, in die der Rhein diffluiere, und der multa capita, in denen er in den Ocean münde, so wie überhaupt die unklare Darstellung des Verhältnisses zwischen Rhein, Waal und Maas, lassen durchblicken, dass Cäsar hiervon nur eine schwankende Kunde hatte. Er wusste, dass die Maas in die Waal floss, ebenso dass der Rhein sich theilte; aber er kannte die Orte sowohl jenes Zusammenflusses als dieser Theilung nicht genau; und theils durch eine Verwechslung der Localitäten, theils durch die vielen Wasserarme, von denen er gehört hatte, irre gemacht, hat er in der Gegend, wo sich de Rhein (nach des Tacitus sicherer Kunde) in zwei Arme theilt, sich noch einen Zusammenfluss der Maas und des Rheines gedacht: eine Täuschung, die um so leichter Statt finden konnte, weil beide Gewässer auf einem so langen Raum in derselben Richtung und in immer grösserer Nähe fliessen. Dazu kommt noch, dass Cäsar nicht selbst den Feind verfolgte, sondern durch seine Reiterei verfolgen liess, deren Nachricht über das Terrain, wo sie die fliehenden Germanen niedermachte, nicht die genaueste gewesen sein mag.

Unsere Untersuchung hat zwar sowohl den Uebergang der Germanen nach Gallien, als auch den Ort ihres Untergangs bei der Rückkehr in die Gegend der Stadt Emmerich verlegt. Allein man würde sich sehr irren, wenn man die Lage des jetzigen Rheinbettes für dieselbige hielte mit dessen Lager zur Zeit der Römer oder überhaupt in älterer Zeit. Nirgends ist das Rheinbett einem grössern Wechsel unterworfen gewesen, als in der Gegend zwischen Xanten (Vetra) und der Theilung des Rheines in Waal und Rhein. Vertiefungen, Flussbetten zu vergleichen, durchschneiden auf beiden Rheinseiten die Ebene. Von diesen wird auf der rechten Rheinseite als ehemaliges Flussbett bezeichnet eine ungefähr Xanten gegenüber beginnende Vertiefung, welche sich über mehre längliche, wie übriggebliebene Theile eines ehemaligen Flusses geformte, noch sogenannte Meere, von denen das Aspeler und Millinger die grössten sind, und deren Zusammenhang sich leicht verfolgen lässt, bis in das im Millinger Meer seinen Anfang nehmende Flüsschen Wild hinzieht und den Lauf dieses Flüsschens östlich von den Städten Rees und Emmerich und am Fuss des Elten-Berges vorbei verfolgt. Dieses weite Bett soll der Rhein, wie man in hiesiger Gegend wissen will, erst vor zwei, höchstens drei Jahrhunderten verlassen haben.

Zwischen diesem Rheinbett und dem jetzigen Flusse zeigen sich unverkennbar Spuren von noch andern ehemaligen Flussbetten, z. B. in der Richtung des ebenfalls im Millinger Meer entstehenden und unmittelbar oberhalb Emmerich in den Rhein mündenden Flüsschens Lander; ebenso auf der Linie des weiter unterhalb Emmerich an mehren Bauernhöfen (z. B. am Uferhof) vorbeiziehenden breiten, hin und wieder sumpfigen Grabens. - Ganz besonders aber wird unsere Aufmerksamkeit angezogen von den deutlichen Spuren alter, und zwar in hiesiger Gegend als älter bezeichneten Rheinbette auf der westlichen Rheinseite. Es ist bekannt, dass das jetzige Strombett früher nicht vorhanden war. „Aus unverwerflichen historischen Bewiesen (sagt Ledebur in seinen Brukterern S. 74.) geht hervor, dass der Rhein in der Gegend von Emmerich bedeutend sein Strombett verändert hat; die Anschauung der Gegend überführt uns, dass der Rhein einst seinen Lauf mehr westwärts zwischen Gualburg und Kellen, zwischen Cleve und Rindern genommen hat. Daher waren der Stadt Emmerich, dem Sitze eines Utrecht'schen Archidiaconats, auch die jetzt auf dem linken Ufer des Rheins gelegenen Kirchspiele Kellen, Griethusen, Brienen und Rindern unterworfen.“ Ja es soll einst der Rhein die bezeichnete Gegend in zwei Armen durchströmt haben. Unweit des jetzigen Städtchens Calcar nämlich, wohin der Rhein früher von Xanten aus seinen Weg nahm, theilte sich derselbe in zwei Zweige, von denen der eine am Fusse des Clever Reichswaldes dem jetzigen Dorfe Rindern zuströmte, von hohen Ufern, Dämmen zu vergleichen, wie der Augenschein lehrt, eingeschlossen; der andere etwas mehr nach Osten hin das oben von Ledebur bezeichnete Bett des jetzt sogenannten alten Rheines einnahm: welche beide in unbedeutender Entfernung von einander fliessenden Arme sich unterhalb Rindern bei Schenkenschanz wieder zu einem Strom vereinigten. So lautet wenigstens die Tradition im Munde der Bewohner; und wenn auch die Annahme des Doppelflusses der historischen Bürgschaft entbehrt, so lässt sich doch dem Auge des Beobachters an Ort und Stelle wenigstens nichts entgegenstellen, was den Schein der Wahrheit zerstörte. Vielleicht auch gehörte jedes dieser Strombette einer verschiedenen Zeit an, ohne dass sich jedoch bestimmen liesse, wann im Laufe des Rheines die eine und die andere Richtung genommen habe. Jedenfalls aber theilte sich der Rhein in alten Zeiten bei Schenkenschanz in die zwei Arme, Wall und Rhein, von denen der Letztere dem jetzigen Elten zuströmte und an diesem Städtchen, so wie an den unterhalb desselben belegenen Bauernhöfen (Grundstein u.s.w.), vorbei seinen Lauf in einem jetzt noch ziemlich weitern und durch das Flüsschen Wild mit Wasser versehenen Bette, welches ebenfalls noch der alte Rhein heisst, nach dem holländischen Gebiete verfolgte. Bekanntlich geht jetzt die Theilung des Rheines in zwei Arme erst ungefähr eine Stunde unterhalb Schenkenschanz vor sich; allein nicht selten macht derselbe bei hohem Wasserstande und insbesondere bei starken Eisgängen auf den Besitz des alten eben bezeichneten Bettes sein Recht geltend, obgleich man durch Uferbauten und Dämme seinen Anstrengungen Trotz zu bieten sucht. - Man kann mit ziemlicher Gewissheit annehmen, dass, wenn man vom Alterthum überhaupt spricht, als das eigentliche am Längsten bestandene alte Rheinbett dasjenige gelten kann, welches jetzt noch in den zwei oben bezeichneten Längen im Namen des alten Rheines die bedeutendsten Ueberbleibsel zeigt. Erst zu der Zeit hat er dieses Hauptbett gänzlich verlassen, als ihm ein starker, jetzt noch in dem merkwürdigen Leydeich bei Calcar sichtbarer, in der Richtung des Flüsschens Ley (welches unter dem Namen Kalkflack Emmerich gegenüber in den Rhein fliesst) sich hinziehender Damm entgegengesetzt wurde, wodurch er sich zuerst über das Aspelinger und Millinger Meer u. s. w. und später in sein jetziges Bett Bahn brach.

In der Gegend von Emmerich waren die Germanen über den Rhein gekommen und hatten südlich von Cleve, wo fruchtbare Ebenen sich auszudehnen beginnen, ihren Weg nach Gallien genommen; und nun auf der Flucht blieb ihnen keine andere Wahl, als auf demselben Wege nach Germanien zurückzukehren. So geriethen sie einerseits zwischen den Clever Reichswald, welcher sich westlich beinahe bis an die Maas und nördlich bis gen Nymegen ausdehnt; andererseits zwischen den Rheinstrom, d. h. den alten Rhein. Wegen der fluchthemmenden Berge wollten sie durch Schwimmen ihr Heil versuchen; aber Angst, Ermattung und des Stromes Gewalt brachten ihnen in den Wellen den Tod.

Der Ermittelung des vermeintlichen confluens Mosae et Rheni zufolge stand das Lager der Germanen ein Paar Stunden (- so lange dauerte ja die Verfolgung der germanen durch die cäsarianische Reiter -) vom Rhein entfernt, südlich von Cleve, auf dem rechten Ufer der Nierse in der zwischen den Landstädtchen Goch, Calcar und Uedem liegenden Ebene, auf der sogenannten Gocher Haide. Von diesem Hauptlager aus machten die Germanen Streifzüge nach Süden, wo die Fruchtbarkeit der Gegend nach Geldern hin Lebensunterhalt und Beute in Fülle gewährte. Aus der Gegend von Geldern schickten sie einen Theil ihrer Reiterei über die Maas ins Gebiet der Ambivariten. Viertausend Schritte (also beinahe zwei Stunden) südlich von Goch war der Ort, wo Cäsar Wasser nahm. Achttausend Schritte südlicher, oder zwölftausend Schritte vom Lager (d. i. ungefähr 5 ½ Stunden), kehrten die Gesandten zu Cäsar zurück; und vielleicht eine Tagereise weiter nach Süden war die Stelle, wo die Gesandten ihn zuerst trafen und um Ländereien baten.

„Die germanische Reiterei, welche über die Maas ins Land der Ambivariten gegangen war und am Kampfe keinen Theil genommen hatte, zog sich, auf die Nachricht von der Flucht der Ihrigen, über den Rhein zurück ins Gebiet der Sigambrer und verband sich mit ihnen. Cäsar schickte Gesandte an die Sigambrer und forderte deren Auslieferung. Vergeblich. Die Ubier, mit denen er einen Freundschaftsbündnis geschlossen hatte, baten ihn um Hülfe gegen die Sueven, von denen sie hart bedrängt wurden 7), und versprachen ihm zur Uebersetzung des Heeres eine grosse Anzahl Schiffe (Cap. 16.). Deshalb beschloss Cäsar über den Rhein zu gehen. Aber er verschmähte die Schiffe der Ubier, weil ihm ein solcher Uebergang nicht sicher genug schien; sondern schlug da, wo der Fluss breit, reissend und tief war, eine Pfahlbrücke über denselben und fiel ins Gebiet der Sigambrer ein. Hier kamen zwar von einzelnen Gauen Friedensboten 8): an: aber die Sigambrer hatten sich auf die Kunde von dem Brückenbau in ihre Wälder zurückgezogen (Cap. 18.). Nur wenige Tage verweilte Cäsar in deren Gebiet, sich rächend durch Brand und Verwüstung 9), und wendete sich von da ins Gebiet der Ubier. Hier erfuhr er, dass die Sueven alle ihre Kräfte zusammengezogen hätten und ihn erwarteten. Aber er begnügte sich damit, den Germanen Furcht eingejagt, an den Sigambrern Rache genommen und die Ubier von der Bedrängung der Sueven befreit zu haben 10), liess die Brücke abbrechen und kehrte nach 18tägigem 11) Aufenthalte auf germanischem Boden über den Rhein zurück (Cap. 19.).“

Mit der Vernichtung der Usipeten und Tenchtherer auf der Gocher Haide verschwinden die beiden Völker keineswegs. Nicht alle, obgleich Cäsar 430,000 nennt, waren über den Rhein gegangen, sondern ein grosser, ja wahrscheinlich der grösste Theil auf der rechten Rheinseite als in dauernden Wohnsitzen zurückgeblieben. Denn von dieser Zeit ab treten beide Völker beständig als mächtige Bundesgenossen der Sigambrer auf: eine Verbindung, deren Anfang wahrscheinlich zurückzuführen ist auf die Flucht der Reiterei der Usipeten und Tenchtherer zu den Sigambrern, an welche sich die beiden Völker, die durch Cäsar so grosses Unglück erlitten, gleichsam als an ihre mächtigen Beschützer anschlossen: welches Bündniss den beutelustigen Sigambrern um so willkommener sein musste, weil ihnen bei ihren oftmaligen Raubzügen über den Rhein namentlich die vortreffliche Reiterei der Tenchtherer (Tac. Germ. 32.) die wesentlichsten Dienste leistete. Ueber die Wohnsitze der beiden Völker zur Zeit des Cäsar und Drusus kann kein Zweifel obwalten. Die Usipeten bewohnten das rechte Rheinufer nördlich von der Lippemündung. Denn Drusus setzt auf seinen zwei ersten germanischen Feldzügen neben der Insel der Bataver über den Rhein, durchzieht verwüstend das Land der Usipeten, schlägt dann eine Brücke über die Lippe und fällt ins Land der Sigambrer ein (Dio LIV. 33.). Die Tenchtherer wohnten neben den Usipeten, von denen sie die Lippe trennte, und erstreckten sich in einem schmalen Strich das Rheinufer hinauf bis in die Gegend von Cöln. Tencteri, discreta Rheno gens, sagt Tacitus Hist. IV. 64. (obgleich von einer etwas spätern Zeit); discreta, nämlich von den Ubiern (den Agrippinensern) auf dem linken Rheinufer. In ihrem Rücken (wenn wir den Rhein als Fronte nehmen) wohnten nördlich die Bructerer und südlich die Sigamber 12). Aber nicht blos im Rücken der Tenchtherer hatten die Sigambrer ihre Sitze, sondern hinter ihnen von der Lippe bis zur Sieg, ja wahrscheinlich bis zum Siebengebirge; das Rheinufer aber bewohnten sie nur von Cöln ab aufwärts.

Das Lager der Germanen hatte Cäsar, wie dargethan ist, tief am Niederrhein genommen. Da hielt er sich aber nicht lange auf: was sollte er auch da thun? Er zog nach dem Siege wieder Rhein-aufwärts. Er sagt das zwar nicht ausdrücklich; weil er oft mit seinem Heere Bewegungen von einer Gegend zur andern macht, ohne es gerade mit Worten anzuzeigen. Aber es liegen auch im Cäsar selbst Andeutungen von diesem Zuge. Ich will nicht reden von den Ubiern: denn deren Gesandte hatte Cäsar bei sich auf dem Zuge gegen die Usipeten und Tenchtherer (quorum sint legati apud se: Cap. 8.), und sie folgten ihm auf dem Zuge; denn Cäsar konnte auf ihre Bitten nicht eingehen, bevor er mit den Germanen fertig war. Nachdem er nun diese besiegt hatte, drangen die Gesandten mit neuen Bitten ihn ihn (magnopere orabant: Cap. 16.), ihrem Volke gegen die Sueven Hülfe zu leisten, oder nur sein Heer über den Rhein zu führen, um die Feinde dadurch einzuschüchtern. Von grosser Wichtigkeit ist die Rückkehr der über die Maas geschickten Reiter der Usipeten und Tenchtherer. Diese hatten der Schlacht auf der Gocher Haide nicht beigewohnt und auf die Nachricht von der Niederlage und Flucht der Ihrigen sich über den Rhein zu den Sigambrern geflüchtet und mit diesen gemeinschaftliche Sache gemacht. Sie waren hinter dem Rücken Cäsars über den Rhein geflohen, und gewiss in gehöriger Entfernung vom siegreichen Römerheere, aus Furcht dieses zu berühren und das Schicksal der Ihrigen zu theilen. Nach dem oben angegebenen Wohnsitze der Sigamber muß diese Flucht über den Rhein oberhalb Cöln Statt gefunden haben, und in derselbigen Gegend wird Cäsar Gesandte zu den Sigambrern geschickt haben, um die Auslieferung der Flüchtigen zu fordern. Equitatus Usipetum et Tenchtherorum - post fugam suorum se trans Rhenum in fines Sigambrorum receperat seque cum iis coniunxerat: Cap. 16. Sigambri, qui sunt proximi Rheno, a quibus receptos ex fuga Tenchtheros atque Usipetes supra docuimus: VI. 35. Da die in der zweiten Stelle genannten Sigamber, nach der Natur des Zusammenhanges der dort vorkommenden Begebenheiten, schwerlich Sigambrer des Binnenlandes gewesen sein werden, und da deshalb die Relativsätze nicht als blosse geographische Zugabe angesehen werden können, worin nur im Allgemeinen der Sigambrer überhaupt gedacht wurde; so lehrt die Vergleichung der beiden angezogenen Stellen, dass unter den Sigambrern, welche die Reiter der Germanen aufgenommen haben, die rheinischen zu verstehen sind, also diejenigen, die von Cöln ab aufwärts am Rheinufer wohnten. Eben diese rheinischen Sigambrer werden es gewesen sein, von welchen Cäsar die Auslieferung der Flüchtlinge forderte, und, da diese nicht erfolgte und auch die Ubier ihn um Hülfe baten, wird er in der Sigambrer Land eine Brücke über den Rhein geschlagen haben. Mit den angebotenen ubischen Schiffen überzusetzen, schien ihm zu gefährlich, weil er in Feindesland übersetzte auf das Ufer der kriegerischen Sigambrer, wo die Ueberfahrt durch den Widerstand der Feinde gehindert worden wäre oder doch zu viel Blut gekostet haben würde. Er fiel ins Gebiet der Sigambrer ein; nachdem er an ihnen Rache genommen, zog er zu den Ubiern.

Trotz dieses Zusammenhanges haben sich dennoch viele Forscher dahin entschieden, die Brücke unterhalb Coblenz und zwar nach Neuwied zu versetzen, so dass sie den Uebergang aus dem Lande der Trevierer in das der Ubier gebildet hätte. „Cäsars erster Zug ging durch die Ubier Gebiet gegen die Sigambrer“: sagt Müller S. 11. „Cäsar sagt, die erste Brücke hätte in dem Lande der Ubier gestanden“: sagt Seul S. 16. „und zwar bei Neuwied“: derselbe S. 21.). Cäsar sagt dieses nirgends; man hat nur aus dem missverstandenen Zusammenhange unrichtige Folgerungen gezogen. Weil die Ubier Cäsar um Hülfe baten, so folgt noch lange nicht, dass er auch unmittelbar ins Land der Ubier übergesetzt sei: denn die Verhandlungen mit den Ubiern geschahen durch Gesandte, wie Cäsar ausdrücklich sagt Cap. 16. und Cap. 8; und ausserdem wäre, was im Zusammenhange der Erzählung bei Cäsar wohl zu berücksichtigen ist, in Freundesland der Uebergang mit Schiffen keineswegs gefahrvoll gewesen. Strabos Worte 13) gehören nicht hierher, sondern können ganz füglich und müssen auf die zweite Brücke bezogen werden. Die Stelle des Florus (III. 10. 14.) haben wir oben beseitigt, und gezeigt, dass ihr Inhalt keinen Beitrag zur Ermittelung des Ortes geben kann, wo Cäsar über den Rhein gegangen sei; ja, dass nach ihr, wenn man die Erwähnung der Mosel aufkommen lässt, Cäsar südlich vom Ausfluss der Mosel über den Rhein gegangen sein müsste. Die bei Florus vorkommende Erwähnung des hercynischen Waldes kann nicht hierher gezogen werden, weil dessen Ausdehnung unbestimmt ist.

In ähnlichem Sinne, wie die beiden genannten Gelehrten, spricht sich Drumann I. c. S. 295. dahin aus: „Das Oertliche hat Cäsar nicht bestimmt; da er indess auf dem andern Ufer nicht sogleich auf dem Gebiet der Sigambrer stand, so ist der Uebgangspunct südlich von Bonn zu suchen, doch immer noch in einer bedeutenden Entfernung von Coblenz.“ Entweder hat er dieses unsichere Resultat aus „Simons ältesten Nachrichten über die Bewohner des linken Rheinufers“, worauf er hinweiset, genommen, oder die Worte Cäsars (Cap. 18: in fines Sigombrorum contendit. und Cap. 19.: se in fines Ubiorum recepit) irrig gedeutet. Diese beiden Angaben nämlich sind die einzigen, durch welche die obige Meinung eine Stütze zu erhalten könnte, wenn man erstens recepit nimmt in der Bedeutung „er zog sich zurück“, und dabei an einen Rückzug in ein Land denkt, aus welchem er vorher ausgezogen war; und zweitens, dem entsprechend, contendit dahin deutet, als ob Cäsar aus einem andern Gebiete (z. B. dem der Ubier) nach dem der Sigambrer hingezogen wäre. Allein beide Erklärungen beruhen auf Missverständniss und werden durch den Zusammenhang der oben gegebenen Umstände durchaus verworfen. Richtiger würde man die Worte se in f. Ub. recepit erklären durch: „er nahm aus Feindesland seine Zuflucht in das befreundete der Ubier, wo er vor Feindesgefahr gesichert war.“ Vgl. cap. 16: Equitatus - se - in fines Sigambrorum receperat. und VI. 35: Sigambri - a quibus receptos ex fuga Tenchtheros - docuimus. Allein selbst diese durch den Sprachgebrauch gesicherte Erklärung kann hier nicht in Anspruch genommen werden, weil Cäsar sich als Sieger darstellt. Die einzig richtige, im Zusammenhange der Verhältnisse begründete Erklärung ist diese: „Cäsar nahm aus dem Lande der Sigambrer seinen Rückzug nicht zur Brücke hin, sondern in das Land der ihn zu Hülfe rufenden Ubier“: - wobei weder im Gegensatze an das Land, aus welchem er ausgezogen war, noch auch an eine Zuflucht wegen Feindesgefahr gedacht wird. Ferner können, da die Sigambrer, wie oben aus Cäsar dargethan ist, sich bis an das Rheinufer erstreckten, die Forte in fines Sig. contendit nichts anderes heissen, als er, der nach Uebersetzung seines Heeres über die Brücke auf dem Rande des Sigambrerlandes stand, eilte nun zum Angriff derselben in das Innere ihres Gebietes selbst hinein“: - ohne den Nebengedanken, dass er nach seinem Uebergange zuerst auf einem andern Boden, als dem der Sigambrer, gestanden und dann sich beeilt hätte, das Land der Sigambrer zu erreichen und in dasselbe einzufallen. Hierbei ist es auch nicht einmal nothwendig, mit contendit den Begriff der Eile zu verbinden, der ihm ursprünglich und in gewissen Formeln eigen ist; sondern es lässt sich hier füglich ganz einfach fassen, als parallel mit profectus est, ingressus est.

In den aus Cäsar selbst oben aufgeführten Angaben ist uns im Cap. 19. gewissermassen ein Anhaltspunct gegeben zur etwaigen Bestimmung auch des Uebergangsortes. „Nur wenige Tage verweilte Cäsar im Gebiet der Sigamberer und zog dann ins Gebiet der Ubier, und nach achtzehntägigem Aufenthalte auf germanischem Boden kehrte er über den Rhein zurück.“ Wenn er von den achtzehn Tagen, die er jenseits des Rheines zubrachte, nur wenige bei den Sigambrern verweilte und nach diesen wenigen Tagen zu den Ubiern überging und also bei diesen den grössten Theil jener Tage zubrachte, darf man mit Recht vermuthen, dass seine Verwüstung nur einen Theil des am Ufer des Rheines ausgedehnten Sigamber-Landes, und zwar, wenn die Sieg die südliche Grenze der Sigambrer bildete, den südlichen Theil unterhalb der Sieg getroffen hat. Nimmt man aber an, dass die Sigambrer auch noch auf dem linken Ufer der Sieg bis zum Siebengebirge gewohnt haben, wie es wahrscheinlich ist, so folgt ganz natürlich und nothwendig, dass Cäsar auf dem linken Ufer der Sieg gleich unterhalb Bonn seine Brücke über den Rhein geschlagen hat, erstens weil, wie Mannert bemerkt, Cäsar es wohl gesagt haben würde, wenn sein Heer in Feindesland einen Fluss (die Sieg) passiert wäre, zweitens, und was, da Cäsar oft über Flüsse geht ohne es zu sagen, bedeutungsvoller ist, weil er nach einem Aufenthalte von nur wenigen Tagen sich ins Land der Ubier zurückzieht; und drittens weil er, dem der Kampf mit den Germanen auf germanischem Boden, wie er durch seine Darstellung es uns nicht verhehlten kann, gewiss furchtbar erschien, sich nicht der Gefahr ausgesetzt haben wird, im Falle eines unglücklichen Kampfes von den Sigambrern zwischen Rhein und Sieg vernichtet zu werden. So viel ist gewiss, dass es sich bei der Erforschung des Uebergangspunctes um die Mündung der Sieg oder doch die nächste Umgebung handelt. Für diese Gegend spricht auch Cäsars Angabe, er hätte da, wo der Rhein breit, reissend und tief war, eine Pfahlbrücke über denselben geschlagen, besonders die beiden letzten Eigenschaften, die der Rhein gerade bei der Sieg-Mündung hat.

Wie Cäsar über den Rhein zurückgekehrt ist, bestimmt er nicht; er sagt Cap. 9. nur: se in Galliam recepit pontemque rescidit. Der Rückzug geschah im Lande der Ubier, wahrscheinlich mit Hülfe der früher versprochenen Schiffe.

Versuchen wir nun zu ermitteln, wo Cäsar seine zweite Brücke über den Rhein geschlagen hat: beide Uebergänge bieten gegenseitige Erklärungen. Lassen wir zuerst den Cäsar selbst reden.

„Als Cäsar aus dem Lande der Menapier ins Land der Trevirer kam, beschloss er über den Rhein zu gehen und schlug eine Brücke darüber etwas oberhalb der Stelle (paulo supra cum locum), wo er früher das Heer hinübergeführt hatte. Im Lande der Trevirer liess er eine Besatzung an der Brücke zurück und ging ins Land der Ubier (VI. 9.). Während er dort die Zugänge und Wege ins Land der Sueven untersuchte, wurde er von den Ubiern benachrichtigt, dass die Sueven nebst Bundesgenossen alle Streitkräfte an ihren äussersten Gränzen zusammengezogen hätten und die Römer am Saume der ungeheuren silva Bacenis, der Gränzscheide der Cherusker und Sueven, erwarteten (Cap. 10.). Auf diese Nachricht führte Caesar sein Heer zurück, warf auf ubischem Ufer die Brücke auf 200 Fuss Länge ab und befestigte den andern Theil derselben. Und nun zog er gegen den Ambiorix, und zwar durch die Ardennen (Arduenna silva), welche von den Ufern des Rheines und der Gränze der Trevirer sich bis zu den Nerviern erstrecken in einer Länge von mehr als 50,000 Schritten (Cap. 29.).“

Diese zweite Brücke verband das Gebiet der Trevirer mit dem der Ubier. Und nachdem Cäsar aus Germanien zurückgekehrt war, zog er durch die Ardennen gegen den Eburonenfürsten Ambiorix. Zu den Ardennen, die am Rhein und der Trevirer Gränze sich erheben, gehören, wie Cäsar selbst andeutet und die Geschichtsforscher allgemein annehmen, auch die Eifelgebirge, und dies nur können es sein, durch welche Cäsar gegen die Eburonen gezogen ist; so dass er also aus der zwischen Andernach (Antunacum) und Coblenz liegenden Ebene westlich von Andernach durch die Gebirge seinen Weg genommen haben muss. In der genannten Ebene hatte er seine Brücke aufgeschlagen, sei es nun bei Engers 13), oder, was seither für wahrscheinlicher angenommen worden ist, bei Neuwied.

Fassen wir noch folgende Darstellung Cäsars ins Auge.

„Cäsar unternahm gegen die Eburonen einen Vernichtungskrieg und erliess an die Staaten einen Aufruf zur Plünderung ihres Landes (Cap. 34.). Als diese Nachricht sich jenseits des Rheines bei den Germanen verbreitete, setzten 2000 Sigambrer mit Schiffen und Flössen über den Rhein, 30,000 Schritte unterhalb der (zweiten) Brücke Cäsars, und raubten und plünderten anfänglich nur in dem zunächst am Rhein liegenden Gebiete der Eburonen (primos Eb. fines adeunt); aber die Beute verlockte sie, tiefer ins Innere des Eburonenlandes durch Sümpfe und Wälder immer weiter vorzudringen, und als man ihnen sagte, drei Stunden von da läge das mit römischer Beute angefüllte Aduatuca, nahmen sie dahin ihren Weg (Cap. 35.), wo sie das römische Lager, die Besatzung des Cicero, angriffen (Cap. 37.); jedoch nach vergeblichen Versuchen, das Lager zu erobern, zogen sie sich wieder über den Rhein zurück (Cap. 41.)“.

Zwei Angaben sind in dieser Darstellung besonders zu beachten, die Entfernung von 30,000 Schritten und die Lage von Aduatuca. Lag die zweite Brücke zwischen Andernach und Coblenz, so gingen die Sigambrer, weil 30,000 Schritte 6 geogr. M. oder 12 St. sind, über den Rhein zwischen Bonn und Cöln, also unweit der Sieg. Damit stimmt überein die Lage von Aduatuca, wohin die Sigambrer, welche auf ihrem Plünderungszuge von der Richtung vom Uebergangspuncte über den Rhein bis gen Aduatuca weder allzusehr nach Norden noch nach Süden werden ausgeschweift sein, ihren Weg genommen, vorausgesetzt, dass dieses identisch ist mit dem jetzigen Tongern 14), welches mit der Mündung der Sieg fast unter einer Linie liegt.

Aus dem Uebergange der Sigamberer über den Rhein bei der Sieg lässt sich zwar nicht unmittelbar auf den Ort der ersten Brücke des Cäsar schliessen; allein man kann doch der Vermuthung, dass dieser Uebergang der Sigambrer, so wie früher die Flucht der Usipeten und Tenchtherer zu den Sigambrern, und er erste Angriffspunct Cäsars wenigstens nicht in grosser Entfernung von einander zu suchen seien, die Wahrscheinlichkeit nicht absprechen. Oder sollte es blosser Zufall sein, dass die Entfernung der 30,000 Schritte von der zweiten Brücke bis zum Uebergangspunct der Sigamberer mit der nämlichen Entfernung bis zum ersten Rheinübergang des Cäsar bei der Sieg-Mündung so genau übereinstimmt?

Endlich ist noch ein Zeugniss über die Entfernung der beiden Brücken von einander übrig. „Etwas oberhalb der Stelle (paulo supra cum locum), wo er früher sein Heer hinübergeführt hatte, schlug er eine (zweite) Brücke über den Rhein“: Sagt Cäsar Cap. 9. Der Ausdruck paulo, „um ein Weniges“ hat veranlasst, dass man, unter allerlei Entstellungen des Sinnes und Zusammenhanges in Cäsar, die beiden Brücken möglichst nahe gelegt hat., die eine nach Neuwied, die andere nach Engers. Er spricht nur gegen die Ansicht derjenigen, welche die erste Brücke allzutief an den Niederrhein, und die zweite nach Neuwied verlegten. Dagegen konnte Cäsar in Rücksicht auf die mässige Distanz von dem Thal zwischen Coblenz und Andernach bis zur Siegmündung im Allgemeinen, ohne gerade auf eine ängstliche geographische Genauigkeit Anspruch zu machen, füglich sagen, die zweite Brücke hätte etwas höher gelegen als die erste, um so mehr, da die Ubier Gränznachbarn der Sigambrer waren.

Anhang über die Lage von Aduatuca. 15)

Die Aduatuken waren germanischen Ursprungs, Abkömmlinge der Cimbrer und Teutonen, die das Gepäck, welches sie nicht mit sich fahren und tragen konnten, am linken Rheinufer unter der Bedeckung von 6000 Mann zurückliessen. Sie lagen viele Jahre hindurch mit ihren Nachbarn im Krieg, erzwangen sich aber einen Frieden und wählten mit Uebereinstimmung ihrer bis jetzt feindlichen Nachbarn 16) den auf dem linken Maasufer zwischen den Nerviern, Eburonen und Menapiern gelegenen Landstrich sich zu ihrem Wohnsitz (Caes. B. G. II. 29.). In der Folge machten sie ihre Nachbarn, die von Ambiorix beherrschten Eburonen, zinspflichtig. Sie waren so mächtig geworden, dass die 29,000 Bewaffnete (II. 4.) den Neviern, ihren Stammverwandten, die nämlich ebenfalls Abkömmlinge der Cimbern und Teutonen waren (Appian. T. I. p. 46., ed. Ster.), gegen Cäsar zu Hülfe schicken konnten (II. 16.). und nun verliessen die Aduatuken alle ihre Städte und Castelle und bezogen mit Hab und Gut eine theils durch Natur theils durch Kunst trefflich befestigte Stadt (II. 29.).

Diese ihre Stadt aber wurde von Cäsar erobert, alles zur Beute gemacht und 53,000 Aduatuken als Sclaven verkauft (II. 33.). - Von nun ab ist von der sehr befestigten Stadt dieses Volkes keine Rede mehr. Cäsar hat uns den Namen derselben nicht genannt: vielleicht hat sie Aduatuca oder Aduaiucum geheissen, nach dem Namen des Volkes, und vielleicht hat Cäsar gerade wegen der Gleichnamigkeit die Stadt zu benennen für überflüssig gehalten. Was aus der verschollenen Stadt geworden ist, lässt sich nicht sagen. Von einer Zerstörung durch Cäsar, vielleicht damit sie fürderhin kein Aufenthaltsort für Feinde sein könne, ist keine Rede. Vielleicht ist sie dem Volke geblieben, aber nach ihrer Ausplünderung verödet und allmälig, so wie das gebrochene Volk selbst, in Verfall gerathen und in Vergessenheit versunken. Wo sie gelegen hat, würde sich, da Cäsar ihre feste Lage in so deutlichen Umrissen beschreibt, bei einer Untersuchung des Wohnsitzes des Volkes innerhalb der oben bezeichneten Gränzen durch Autopsie wohl ermitteln lassen können (vg. Müller S. 30.). - Mag Cäsar die Stadt zerstört haben, so war doch das Volk der Aduatuken noch nicht vernichtet. Sie erscheinen in der Folge noch oft unter den Waffen, namentlich mit ihren Stammverwandten, den Nerviern, Zunächst regte sie Ambiorix zum Kriege gegen die Römer auf (V. 38. und 39.). Als darauf die Trevirer den Krieg eifrigst gegen Cäsar betrieben, griffen auch die Nervier und Aduatuken zu den Waffen (V. 56.): wobei auffallend erscheint, dass nach der Ermordung des Indutiomarus Cäsar alle Streitkräfte der Eburonen und Nervier, nicht der Aduatuken und Nervier, auseinandergehen lässt (V. 58.). Frägt man hier, ob Cäsar sich im Namen geirrt habe, oder ob auch die Eburonen an diesem Aufstande Theil gehabt, und Cäsar die Aduatuken, deren Kräfte gebrochen waren, und die nur noch als Helfer ihrer Nachbarn erscheinen, zu nennen verschmähet habe, so wird man für das Zweite zu stimmen geneigt sein; denn auch im folgenden Jahre, in welchem neue Bewegungen unter den Trevirern ausbrachen, Ambiorix mit diesen einen Waffenbund schloss, und Nervier, Aduatuken und andere Völker zu ihrer Unterstützung die Waffen ergriffen (VI. 2.), werden die übrigen Völker von Cäsar bekämpft, aber von einem Feldzuge gegen die Aduatuken ist keine Rede. Im Vertilgungskriege gegen die Eburonen schickte Cäsar den Trebonius, um das an die Aduatuken stossende Land zu verwüsten (VI. 33.). Dieses ist die letzte Erwähnung des Volkes bei Cäsar, und weder im Eburonenkriege kommen sie mehr vor, noch auch später. Nach der Unterwerfung der Nervier und der Ausrottung der Eburonen werden sie in ihrer Schwäche sich in ruhiger Unterwürfigkeit gehalten haben. Ueberhaupt verschwindet von nun an ihr Name aus der Geschichte: sei es nun, dass sie, wie das auch bei andern Völkern der Fall gewesen ist, einen andern Namen angenommen haben (S. Cellarius I. c. p. 230.); oder dass sie nach Britannien ausgewandert sind und dort sich unter dem Namen Attacotti wiederfinden (S. Müller S. 32. Nachtrag zu S. 53.).

Die Eburonen, so wie die Condruser, Pämaner und Cäraser, waren germanischen Ursprungs und hiessen auch zusammen mit einem Namen Germani. Germanen, von welchen die meisten Belgen abstammen, waren in alten Zeiten über den Rhein gegangen und hatten sich in Belgien, wegen der Fruchtbarkeit des Bodens, niedergelassen und die dort wohnenden Galliern aus ihren Sitzen verdrängt. Sie allein hatten die Cimbrer und Teutonen von ihrem Gebiete fern gehalten (II. 4.). Diese Germanen sind also, so viel wir wissen, die ältesten namhaft gemachten Bewohner der von ihnen eingenommenen Landstriche. Sie gehörten auch zu denjenigen, welche sich gegen die Aduatuken mit unglücklichem Erfolge vertheidigt hatten. Die Eburonen wohnten auf beiden Ufern der Maas zwischen Maas und Rhein, grösstentheils aber zwischen Maas und Rhein (quorum pars maxima est inter ac Rhenum: V. 24.). Als Cäsar gegen die Aduatuken zu Felde zog, waren die Eburonen, welche nebst den Condrusern, Pämanern und Cärasern 40,000 Mann aufstellen konnten (II. 4.), den Aduatuken noch zinspflichtig. Nachdem aber Cäsar die Stadt der Aduatuken erobert und das Volk gedemüthigt hatte, wurden sie vom Tribut befreit, und Ambiorix erhielt durch Cäsars Wohlthat die Geissel, die in Sclaverei und Gefangenschaft gehalten worden waren, zurück (V. 27.). Und seit dieser Zeit erhob sich der Staat der Eburonen, welcher bisher ohne Namen und Rang (ignobilis et humilis) unter den übrigen gallischen Staaten (V. 28.) gewesen war, unter Cäsars Schutz und durch die Tüchtigkeit des Ambiorix zu Ansehen und Macht. Bald darauf erscheinen sie als Schutzverwandte (clientes) der Trevirer (IV. 6.).

Eine Stadt (oppidum) hatten die Eburonen nicht, ebenso kein vereinigtes Heer; sondern sie bildeten eine nach allen Richtungen hin in ihrem Lande zerstreute Volksmenge, die theils in Thälern, theils in Wäldern, theils in unzugänglichen Sümpfen hauseten und sich dort gegen feindliche Angriffe schützten (V. 34.). Als daher Cäsar aus Britannien zurückkehrte, und wegen der trockenen Jahreszeit in Gallien Mangel an Lebensmitteln war, wodurch er genöthigt wurde, seine Legionen in mehrere Staaten in Winterquartiere zu vertheilen, so schickte er eine Legion und fünf Cohorten ins befreundete Land der Eburonen, unter Anführung des Qu. Titurius Sabinius und L. Aurunculeius Cotta, welche, weil im Lande keine Stadt war, ein Winterlager bezogen und dasselbe befestigten (V. 24.). - Dieses Winterlager wurde Aduatuca. - Aber 15 Tage nach der Ankunft der Römer in das Winterquartier fiel Ambiorix von Cäsar ab (V. 26.); dieser Abfall kostete den Legaten Sabinus und Cotta das Leben; und die römischen Soldaten, die an aller Rettung verzweifelten, ermordeten sich selbst im Lager bis auf den letzten Mann (V. 37.).

Nachdem Cäsar seinen zweiten Uebergang über den Rhein bewerkstelligt hatte, betrieb er nach seiner Rückkehr den Krieg gegen Ambiorix (VI. 30.). er vertheilte seine Streitmacht in drei Theile: den Sabinus schickte er an die Gränze der Menapier; den Trebonius, um das an die Aduatuken stossende Land zu verwüsten (Cap. 36.); den Cicero schickte er nach Aduatuca, welches fast in der Mitte des Eburonenlandes lag. So heisst das Castell, wo im vorigen Jahre Sabinus und Cotta ihr Winterlager gehabt hatten. Dahin verlegte Cäsar das Gepäck aller Legionen und liess zu dessen Bedeckung den Q. Tullius Cicero mit der 14. Legion und 200 Reitern zurück: dieser Ort nämlich schien ihm wohlgelegen, sowohl aus andern Rücksichten, als auch weil die Befestigungen des Sabinus und Cotta unversehrt geblieben waren, so dass den Soldaten zu den übrigen nöthigen Befestigungen die Arbeit erleichtert war (Cap. 32.).

Also im Lande der Eburonen, die keine Stadt hatten, wird erst unter Cäsar der Grund zu einer Stadt gelegt, und zwar durch das Winterquartier des Sabinus und Cotta; dieses wurde unter Cicero zum Castell, und zwar mit der von der verschollenen Stadt der Aduatuken entlehnten Benennung Aduatuca, gleichsam Neu-Aduatuca, im Gegensatz und zum Unterschied von der sei es zerstörten oder durch Verödung dem Verfall und der Vergessenheit Preis gegebenen Aduatukenstadt Alt-Aduatuca oder Alt-Aduatucum. - Wer diesen untrüglichen Zusammenhang betrachtet, wird überzeugt sein von der unumstösslichen Wahrheit, dass Aduatuca, das Römercastell im Eburonenlande, und die Stadt (oppidum) der Aduatuken durchaus verschiedene Orte waren und nichts als denselbigen Namen gemein hatten. Aber wo lag denn das Römercastell? Vergleicht man die Worte Hoc (castellum, Aduatuca) fere est in mediis Eburonum finibus (Cap. 32.), mit den Worten Eburones, quorum pars maxima est inter Mosam ac Rhenum (V.24.); so sollte man glauben, dass das Castell zwischen Maas und Rhein gelegen hätte. Allein zwischen diesen beiden Flüssen und zwar im Herzen des feindlichen Eburonenlandes war keineswegs ein Ort zur Aufbewahrung des Gepäckes aller römischen Legionen geeignet, in dem Ciceros Mannschaft keineswegs einem starken Feinde gewachsen war und in den sieben Tagen, in denen Cäsar zu ihm zurückzukehren versprochen hatte (Cap. 33.). leicht eine Beute der für ihre Freiheit auf Leben und Tod kämpfenden Eburonen, oder auch fremder, durch die Beute gelockter Plünderer werden konnte.

Ein Heer konnte Cäsar gegen die in ihren Schlupfwinkeln zerstreuten Eburonen nicht gebrauchen: er bildete daher mehrere Abteilungen, sendete einzelne Haufen von Soldaten in verschiedene Richtungen gegen die Feinde und liess sie in ihren Schlupfwinkeln angreifen. Um sie noch mehr in die Enge zu treiben, lud er auch die benachbarten Staaten zur Plünderung ihres Landes ein: und es kam eine grosse Anzahl Beutelustiger. Es war nämlich abgesehen auf einen Vertilgungskrieg (ut stirps ac nomen civitatis tollatur: Cap. 34.). Der Aufruf Cäsars lockte auch die Sigambrer, die mit Schiffen und Flössen über den Rhein setzten. Sie fielen zuerst ins Gebiet der Eburonen ein, raubten und plünderten und liessen sich weder durch Sümpfe noch durch Wälder aufhalten, sondern die Beute lockte sie immer weiter. Da hörten sie, dass Aduatuca, wo die Römer ihr Gepäck aufbewahrten, nur drei Stunden entfernt läge, und die Beutelustigen eilten darauf los (Cap. 35.). - Aus dieser Darstellung sollte man glauben, die Sigambrer seien zwischen Maas und Rhein geblieben und hätten die Maas nicht überschritten. Allein im Cäsar finden oft, namentlich bei der Eile, Uebergänge über Flüsse statt, ohne dass von den Flüssen Erwähnung geschieht. Und aus den Worten, dass sich die Sigambrer weder durch Wälder noch durch Sümpfe im weitern Vordringen hätten aufhalten lassen, geht hervor, dass sie sich schon tief ins Eburonenland hineingewagt hatten, bevor sie gegen Aduatuca gingen.

Cäsar beendigte glücklich den Vertilgungskrieg (Cap. 43.). Von dieser Zeit an wird der Name Eburonen in der Geschichte nicht mehr genannt. An ihre Stelle treten die Tungri. Tacit. Germ. c. 2: Qui primi Rhenum transgressi Gallos expulerunt, ac nunc Tungri, tunc Germani, vocati sunt. Also nicht die Aduatuken, wie Mancher geglaubt hat, sondern die von Cäsar (II. 4. extr.) genannten Germani, nämlich Eburones, Condrusi, Paemani und Caerasi, unter denen aber die Eburones die wichtigsten waren, sind schon zu des Tacitus Zeit übergegangen in die Tungri. Unterdess ist das Castell zur Stadt geworden und erhält von diesen Tungri den Beinamen Aduatuca Tungrorum, oder wie Ptolemäus (II. 9.) die Stadt der Tungri nennt, Aduatucum, oder wie Antonius in seinem Itinerarium, Advoca Tungrorum. Der Beiname Tungrorum ist gegeben worden, damit dieser Ort nicht verwechselt würde mit dem von Cäsar genannten oppidum Aduatucorum. Späterhin verlor sich der alte Namen Aduatuca, und die Stadt hiess blos Tungri (-orum) jetzt Tongern.

Nachdem die Lage von Aduatuca ausser Zweifel gesetzt ist, erhalten auch die beiden Stellen Cäsars (V. 24. u VI. 32.) ihr Licht. Der Zusatz quorum pars maxima est inter Mosam ac Rhenum soll nicht anzeigen, dass die zwei Legaten in dem zwischen Maas und Rhein gelegenen Gebiete der Eburonen ihr Winterquartier gehabt haben, sondern er ist nur ein geographische Zugabe: indem Cäsar sagt, die Legaten seien ins Eburonenland geschickt worden, giebt er über den Wohnsitz dieses Volkes die geographische Zugabe, dass der grösste Theil desselben zwischen Maas und Rhein gewohnt hätte. Und die Worte fere in mediis Eburonum finibus zeigen an, dass ein grosser Theil der Eburonen auf dem linken Maas-Ufer gewohnt hat, und sind gesagt mit besonderer Rücksicht auf die Ausdehnung der Eburonen die Maas hinauf und hinunter, so dass das Castell ungefähr in der Mitte dieser Ausdehnung lag.

Dederich.





Anmerkungen

  1. Soldaten und Tross:

    setzt Appian (T. I. p. 46. ed. Ster.), welcher übrigens 400,000 in runder Zahl nennt, erklärend hinzu. Aus Cäsar ist Orosius (VI. 8. fin.), welcher 440,000 Mann anführt, zu verbessern.

  2. Drumann (Gesch. Roms u. s. w. Bd. III. S. 286.) lässt richtig die Germanen bei Emmerich über den Rhein gehen, dann aber irrig auf die Einladung der Gallier über die Maas ins Land der Eburonen und Condruser vordringen.

  3. Auch Drumann I. c. S. 289. sagt: „sie hatten ihre Reuterei über die Mosel geschickt.“ Aber das ist nichts als ein Druckfehler und soll heissen über die Maas, wie auch Drumann S. 287. richtig erzählt („welche sie auf das linke Ufer der Maas geschickt hatten, die Ambivariter zu plündern“).

  4. S. unten die Stelle des Florus.

  5. So lese ich mit Müller S. 28. (Anhang), anstatt Tencteri: der Feind war ja ins Gebiet der Clienten der Trevirer eingefallen; daher der Trevirer Klage bei Cäsar.

  6. Er sagt Ann. II. 6: Rhenus-apud principium agri Batavi velut in duos amnes dividitur, servatque nomen-donec Oceano miceatur: ad Gallicam ripam-Vahalim incolae dicunt; mox id quoque vocabulum mutat Mosa flumine, einsque immenso ore eundem in Occeanum effunditur.

  7. Die (XXXIX. 48.) erzählt, als ob die Ubier, die Nachbarn der Sigambrer, mit denen sie im Streit lagen, Cäsar gegen die Sigambrer zu Hülfe gerufen hätten: obgleich Cäsar sowohl Cap. 16. als auch Cap. 8. die Sueven nennt.

  8. Wovon? - Wir haben hier gewiss eine Erdichtung.

  9. An diesen Zug dachte Suctonius (Caes. 25.), wenn er sagt: Germanos, qui trans Rhenum incolunt, primus Romanorum ponte fabricato aggressus, maximis affecit cladibus.

  10. Aus Cäsars Worten (ut Sigambros ulciceretur, ut Ubios obsidione liberaret) ist Orosius VI. 9. zu verbessern: Sigambros alciscitur (dieses Zeitwort fehlt in der Ausgabe des Fabricius) et Ubios obsidione liberat.

  11. Vgl. Plutarch Caes. 23. Dio I. c. sagt

    sich einer runden Zahl bedienend.

  12. Tacit. Germ. 33: Juxta Tencteros Bructeri olim (d. i. zu Cäsars und Drusus Zeit) occurrebant: nunc Chamavos et Angrivarios immigrasse narratur.



  13. wo die Ueberreste eines römischen Mauerwerkes noch übrig, ja bei niedrigem Wasserstande noch Brückenpfähle im Rheinbett sichtbar sein sollen. Dass solche Ueberreste aber auch aus dem Mittelalter herrühren können, zeigt Minola in s. Beiträgen zur Uebers. d. röm. deutsch. Gesch. S. 226. ff.

  14. Ueber diesen Punct folgt unten eine besondere Untersuchung.

  15. Ueber Aduatuca im Lande der Eburonen und über die Stadt der Aduatuci sind die Meinungen sehr getheilt. Einige halten beide Orte für einen und denselben. Andere unterscheiden zwei Orte Aduatuca und Aduatucum, nennen diesen die Hauptstadt der Audatuci, jetzt Tongern, und verlegen jenen zwischen Maas und Rhein, wie Drumann Bd. III. S. 332. Anm. 21; oder gar an den Rhein selbst, wie Ricklefs (bei Ersch. u. Grub.), welcher, so wie Drumann, auch annimmt, der Name der Aduatuci hätte sich in den der Tungri verloren. Richtiger urtheilt über das im Eburonenlande gelegene Aduatuca als gleichbedeutend mit dem jetzigen Tongern L. Zander (bei Ersch. u. Grub.). Eine klare Ansicht über beide Orte zeigt schon Cellarius (Geogr. Ant. T. I. p. 216. und 233. ed. Cantabrig. 1703.). Meine Hauptansichten über die Verschiedenheit der Stadt der Aduatuci von der Eburonen-Stadt Aduatuca (j. Tongern) finde ich zwar niedergelegt in Müllers Mark. des Vaterl. S. 51. f.; allein ihre Entwickelung, die von Müllers Werk unabhängig ist, enthält so manches Eigenthümliche über die Entstehung von Aduatuca und das Verschwinden der Aduatuci, dass ich dieselbe, die ohne die Kenntniss jenes Werkes entstanden ist, unverkürzt mittheilen zu müssen glaube.

  16. Drumann a.a.O. lässt die Aduatuken von den Eburonen dahin verdrängt werden.









Quelle: Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande V. und VI., Bonn, Seite 252 - 286
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