Ein Modell für die Römerzeit
Dr. von Petrikovits veröffentlichte den ersten Bericht über die Grabungen bei Berg - Wertvolle Erkenntnisse über die römische Kolonisationsperiode





Düren. - Dr. Harald von Petrikovits, der für das Bonner Landesmuseum die Ausgrabungen im Raum von Berg bei Nideggen leitete, legte im Heft 1-2 der Zeitschrift „Germania“ allen Freunden der Geschichtswissenschaft den ersten, umfassenden Grabungsbericht vor. Mit behutsamen Wertungen, noch ohne abschließende Stellungnahme, schildert er unter reichen Literaturhinweisen die Grabungen und Funde in dem Modellausschnitt von neun Quadratkilometern südlich der Ortschaft Berg und ihre Bedeutung für die Erforschung der Siedlungsgeschichte der Eifel zur Römerzeit.

Neun oder zehn römische Gutshöfe mit einem durchschnittlichen Areal von rund 360 Morgen liegen in diesem Gebiet, dessen südöstlicher Raum noch weitere Fundstellen bergen mag. Außerdem gelang der so wichtige Nachweis der Metallverhüttung, der eine plausible Erklärung für die auffällige Siedlungsdichte zu römischer Zeit liefert.


Neun Quadratkilometer groß ist das Modellgelände südlich von Berg, in dem Dr. von Petrikovits bis jetzt neun oder zehn römische Gutshöfe feststellte.

Das Bonner Landesmuseum veranlaßte einen Sonderdruck dieses wichtigen Beitrages und gab ihn in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband heraus. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Kreis Düren, die Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Institutes und das Rheinische Landesmuseum finanzierten und unterstützten die Grabungen, die Dr. von Petrikovits mit seinen Mitarbeitern Jaensch, Ostendorf, Cüppers, Müller und Piepers durchführte.

Speicher mit drei Schiffen

Am Anfang dieser Grabungen standen die Untersuchungen am Hostert, wo bekanntlich ein römischer Gutshof mit seinen Nebengebäuden und den Gräbern der Gutsherren aufgedeckt wurde. Das Herrenhaus ist ein rechteckiges Gebäude mit einem Grundriß von 15 mal 30 Metern, dem zwei Eckrisalite mit einer verbindenden Loggia vorgelagert sind. Das Haus wurde - diese Datierung erlauben Keramikfunde - um die Mitte des 2. Jahrhunderts gebaut. Ein Zimmer ist mit einem H-förmigen Teilhypocaust versehen, ein anderer Raum war unterkellert.

Südwestlich des Herrenhauses lag ein weiteres Wohngebäude, das in seinen Ausmaßen von 11,6 mal 15,6 Metern als Gesindewohnhaus definiert wird. Auch hier fand Dr. von Petrikovits Heizmöglichkeiten, so einen Raum mit einer T-förmigen Kanalheizung, einen Raum mit einer Herdnische in der Mauer, einen mit einem Ofen neben der Tür, der, wie er vermutet, ein Backofen gewesen sein kann. Zum Gut gehörte ferner ein Getreidespeicher von 15,5 mal 18 Metern. Zwei Reihen von je vier rechteckigen Pfeilern teilten diesen Raum in ein breites Mittelschiff und zwei kleine Seitenschiffe. Parallelen lassen annehmen, daß diese Pfeiler noch ein zweites Geschoß, vielleicht eine Art Dachboden, trugen. Die Verwendung zwei weiterer, kleinerer Wirtschaftsgebäude, die ebenfalls ausgegraben wurden, ist noch unklar.

Die Gebäude waren, wie Dr. von Petrikovits feststellt, fast ausnahmslos in der gleichen Mauertechnik ausgeführt. Die Mauern waren Fachwerkwände auf Steinsockeln, die in Schalentechnik gemauert waren. Man setzte dabei zwei Schalen aus einigermaßen quaderförmigen Handsteinen und füllte den schmalen Zwischenraum mit kleinen Füllsteinen, häufig Konglomeratkieseln. Als Bindemittel wurden Kalkmörtel oder Lehm verwendet. Als Baumaterial verwendeten die Siedler nicht den örtlichen Buntsandstein, sondern bessere Steine aus Steinbrüchen südwestlich von Wollersheim, wie Dr. von Petrikovits annimmt. Vereinzelt fand man auch Braunsandstein unter dem Baumaterial. Eine Umfassungsmauer des Hofes wurde noch nicht gefunden, doch legen verschleppte, steinerne Zaunpfeiler den Schluß nahe, daß das etwa 150 mal 110 Meter große Hofgelände vielleicht eine Umzäunung aus Steinpfeilern mit waagerechten Balken als Verbindung hatte.

Eingehend befaßt sich der Bericht auch mit den Grabanlagen, die nordwestlich des Gutshofes entdeckt wurden und die auch noch Reste von Skulpturen enthielten. Diese Grabbauten bei der Villa rustica am Hostert vertreten, wie Vergleiche ergaben, einen weit verbreiteten Typus, der durch die Romanisierung ins Land gebracht wurde. Während es sich hier um Gräber der Gutsherren handelt, fand Dr. von Petrikovits nahe bei einem Gutshof im Märzental auch einfache Ziegel- und Steinplattengräber mit Tonurnen, also Gesindegräber.

Noch offene Fragen

In der Frage nach der Produktion der in dem Modellausschnitt entdeckten Güter weist Dr. von Petrikovits darauf hin, daß der Getreidespeicher natürlich auf Ackerbau deutet. Der obere Buntsandstein wurde hingegen gemieden, weil er für die römische Landwirtschaft keine geeigneten Böden hergab. Er blieb mit Wald bedeckt und diente vielleicht als Waldweide. In diesem Zusammenhang gehört auch die noch geplante Untersuchung der Ackerterrassen in dem Modellraum. Es ist bis heute nicht klar, ob sein Gebiet auch im Mittelalter vorübergehend agrarisch genutzt wurde. Dazu gehört aber auch die Untersuchung eines Walles am Roestal, der vielleicht einen Viehpferch umgab, wenn er nicht eine Art Wehranlage darstellt und Hinweise auf das Geschick dieses Siedlungsraumes zur Zeit der Frankeneinfälle im 4. Jahrhundert birgt, jener Zeit, in der diese Gutshöfe wieder verfielen.

60 Tagebaumulden

Sicher war jedoch der Nachweis der Metallverhüttung, der für diesen Raum durch den Fund zweier Metallschmelz- oder Röstöfen gelang, die bei den Grabungen im Märzental freigelegt wurden und die ebenfalls in die Siedlungsperiode des Gutes am Hostert gehören. Dr. von Petrikovits gibt eine eingehende Schilderung des Grabungsergebnisses und verweist in diesem Zusammenhang auch besonders auf die bedeutsamen Forschungen des Bergbaugeologen Dr. Voigt, des Entdeckers der Erzprovinz um das Hohe Venn. Er betont: „Nach den vorgelegten archäologischen Befunden wird man also annehmen dürfen, daß Bergbau und Verhüttung ein wichtiger Produktionszweig der Gutshöfe in unserem Untersuchungsfeld waren“. Zur Bestärkung dieser Meinung dienen auch die rund 60 Mulden in diesem Bereich, die, wie Grabungsschnitte ergaben, alte römische Tagebaue gewesen sind.

In einem abschließenden gesellschaftsgeschichtlichen Hinweis stellt Dr. von Petrikovits fest, daß man zwar nicht wisse, ob die Siedler freie Grundbesitzer waren oder ob sie als coloni - als Pächter - auf kaiserlichem Besitz siedelten. Die planmäßige Kolonisation lege die zweite Möglichkeit besonders nahe. In diesen Fragenkreis gehöre, so sagt der Berichter, auch der römische Töpferbezirk von Soller, wo im 2. und 3. Jahrhundert Töpfer in einem rund elf Kilometer langen Gebiet arbeiteten. Die Güter werden, legt man andere Erfahrungswerte zugrunde, etwa 35 Landarbeiter gebraucht haben. Dazu dann noch Kräfte für den Erzbau und die Verhüttung. Da Dr. von Petrikovits den Einsatz von Saisonarbeitern als unwahrscheinlich ansieht, wird gerade die Frage, wo alle diese Arbeitskräfte wohnten - ob sie Sklaven oder Freie waren - besonders untersucht werden müssen.

Es ist zu hoffen, daß diese Grabungen und Untersuchungen, die noch fortgesetzt werden sollen, wirklich in nachhaltiger Weise die römische Siedlungsgeschichte im Eifelraum aufhellen helfen, zumal Dr. von Petrikovits eingangs betont, daß die kolonisatorische Leistung der Römer für die Rheinzone nicht minder bedeutungsvoll war als die Ausbauperiode des Mittelalters.


Dr. von Petrikovits bei den Ausgrabungen in der Umgebung von Berg bei Nideggen.

Fotos: Archiv





Quelle: Dürener Nachrichten 214 v. 13. September 1956
Sammlung wingarden.de
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