Forschungen im Badewald veröffentlicht
Die Grabungen sind noch nicht abgeschlossen - Lebendige Deutung der Vergangenheit





Düren. - Eine erste Veröffentlichung der wissenschaftlichen Forschungen im Zusammenhang mit den archäologischen Grabungen im Badewald in den Jahren 1954 und 1955 ist jetzt vom Leiter der Grabungen, Dr. Harald von Petrikovits, als Sonderdruck aus den Bonner Jahrbüchern unter dem Titel „Neue Forschungen zur römerzeitlichen Besiedlung der Nordeifel“ erschienen. Die vom Landesmuseum Bonn herausgegebene Broschüre gibt einen ersten Ueberblick über das Ausmaß der gesamten Grabungen und ordnet sie in das bisher bekannte archäologische, historische und kulturgeschichtliche Bild römischer Siedlungen in den ersten Jahrhunderten nach Christus ein.

Dr. von Petrikovits hat damit den Auftakt zu einer intensiveren Erforschung der Lebensverhältnisse in der römischen Epoche unseres engeren Heimatgebietes gegeben und sich um eine lebendige Deutung der Vergangenheit anhand seiner Grabungen und der aus der Literatur bisher bekannten archäologischen Arbeiten bemüht. Die Veröffentlichung ist eine wesentliche Ergänzung der von dem Dürener Geologen und Heimatkundler Dr. August Voigt in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der römischen Erzgewinnung in unserem Gebiet durchgeführten lagerstättenkundlichen und wirtschaftshistorischen Forschungen.

Ein „modellgerechter Ausschnitt“

Wie der Grabungsleiter in dem Sonderdruck, der durch umfangreiches Kartenmaterial und fotografische Abbildungen ergänzt ist, mitteilt, sind die Grabungen und Forschungen im Gebiet des Badewaldes und im Raum zwischen Berg vor Nideggen, Klemenzstock, dem Rödelsberg und dem Märzen- und Neffelbachtal noch nicht abgeschlossen. Der Zeitpunkt neuer Grabungen hängt jedoch zur Hauptsache davon ab, wann das Bonner Landesmuseum, dessen Archäologen zur Zeit in vielen Teilen unseres Landes beschäftigt sind, neue Ausgräber zur Verfügung hat. Dr. von Petrikovits strebt anhand der Erforschung eines „modellgerechten Ausschnittes“, als das er das genannte Gebiet im Badewald ansieht, eine umfassende Darstellung der römischen Besiedlungsart in der Rheinzone an. Die Grabungen im Badewald haben ihm bereits wesentliche Einblicke in die römerzeitliche Kolonisation der Nordeifel gegeben, die durch spätere Forschungen und Grabungen bei Arloff im Kreise Euskirchen ergänzt und bekräftigt wurden.

Zehn römische Grundbesitze aufgedeckt

In dem Untersuchungsfeld des sogenannten Badewaldes bei Nideggen, einem Gebiet von etwa neun Quadratkilometern, wurden bisher neun oder zehn römische Grundbesitze aufgedeckt und gefunden. Die Hauptgrabungen konzentrierten sich auf einen großen Gutshof in der Flur „Am Hostert“ der Gemeinde Wollersheim. Zu einem prächtigen Herrenhaus, dessen Grundrisse freigelegt werden konnten, und das mit einer Heizung ausgestattet war, gehörten ein ebenfalls aufgedecktes „Gesindewohnhaus“, ein Getreidespeicher, mehrere Wirtschaftsgebäude und eine Grabanlage für die Gräber des Gutsbesitzers. Auch ein Grabfeld des Gesindes wurde im Laufe der Forschungen freigelegt. Dr. von Petrikovits geht in seiner Broschüre auf die einzelnen Funde ein, vergleicht sie mit anderen bekannten Grabungen und zeiht daraus den Schluß, daß der Gutshof um die Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christi gebaut und bis zur Mitte des vierten Jahrhunderts bewirtschaftet wurde. Spuren gewaltsamer Zerstörung fanden sich nicht, so daß die Frankeneinfälle in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts offenbar die römerzeitlichen Siedlungen der Nordeifel nicht berührten. Bei einem ebenfalls festgestellten Gutshof im Roestal befindet sich ein hoher Abschnittswall mit Graben, dessen Untersuchung später einmal vielleicht das Schicksal der römischen Voreifelhöfe klären helfen kann.

Geheimnis um „Badestadt“ gelöst

Die starke Siedlungsdichte in diesem Gebiet, das seit Jahrhunderten von einem dichten Wald bewachsen ist und schon deshalb keinen rein wirtschaftlichen Charakter haben konnte, führt Dr. von Petrikovits in seiner Veröffentlichung auf die Erzgewinnung in diesem Raum zurück. Er stützt sich dabei auch auf Forschungen des Dürener Geologen, Dr. August Voigt, dessen Forschungen über „Gressenich und seine Galmei in der Geschichte“ in den augenblicklich im Druck befindlichen Bonner Jahrbüchern ebenfalls in Kürze erscheinen werden. In dem rund neun Quadratkilometer großen „Modellausschnitt befinden sich 60 Mulden, die durch die archäologischen Grabungen als römische Tagbaugruben für die Erzgewinnung bestimmt werden konnten. In der Ueberlieferung und in der Sage des Dürener Landes galten diese Mulden seit vielen Jahrhunderten als die Ueberreste einer großen Stadt im Badewald. Heute weiß man, daß in diesen Löchern Erzgestein gewonnen wurde, das in ebenfalls in den vergangenen Jahren ausgegrabenen Metallschmelz- oder Röstöfen verarbeitet wurde.


Etwa neun Quadratkilometer groß ist der „Modellausschnitt“, den die Archäologen des Bonner Landesmuseums zur Klärung der Frage der römischen Besiedlung in der Nordeifel in den vergangenen Jahren erforschten und noch weiter erforschen wollen. Die in das Kartenbild eingetragenen römischen Zahlen und die mit einem Gitternetz gezeichneten Stellen geben die Lage der bis jetzt aufgedeckten und bekannten römischen Anlagen an. Mittelpunkt der vorjährigen Grabungen waren Fund VII, „Am Hostert“ und der Fund III, wo einige Schmelzöfen aufgedeckt wurden. Die ovalen Einzeichnungen zeigen die Lage der bis jetzt bekannten Tagebaugruben in diesem Gebiet an.

Planmäßige römische Kolonisation

Diese Funde waren im vergangenen Jahr Mittelpunkt verschiedener Exkursionen, an denen Metallfachleute aus ganz Deutschland teilnahmen. Bis jetzt ist jedoch noch nicht mit ausreichender Sicherheit zu sagen, welches Metall in diesen Oefen bearbeitet wurde. In der näheren Umgebung steht in größeren Mengen Brauneisenstein und auch Blei an. Bergbau und Verhüttung waren also ein wichtiger Produktionszweig der bis jetzt im Modellgebiet festgestellten römischen Gutshöfe. Dr. von Petrikovits beschließt seine Veröffentlichung mit einigen gesellschaftsgeschichtlichen Hinweisen und der Feststellung, daß es sich offenbar bei den Höfen um eine planmäßige römische Kolonisation gehandelt haben muß. Untersuchungen in dieser Richtung sollen auch im Zusammenhang mit dem inzwischen festgestellten Töpferbezirk von Soller durchgeführt werden, über den bisher noch keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen erschienen sind. Alles in allem ist der Sonderdruck ein wertvoller Beitrag zur Erforschung der ländlichen Besiedlung während römischer Zeit in der Rheinzone. Einzelergebnisse der Grabungen im Badewald sollen später noch veröffentlicht werden.





Quelle: Dürener Zeitung Nr. 213 vom 11. September 1956
Sammlung wingarden.de
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