Wurde bei Berg Blei verhüttet?
Lebhafte Diskussion zwischen Archäologen und Metallurgen - Geschichtsausschuß des Vereins deutscher Eisenhüttenleute tagte - Interesse für Badewald-Grabungen - Drei Perioden Dürener Eisenhüttengeschichte





Düren. - Großes Interesse bekundeten Mitglieder und Gäste des Geschichtsausschusses im Verein deutscher Eisenhüttenleute am Mittwoch auf ihrer Halbjahrestagung für die Ausgrabungen bei Berg vor Nideggen, die sie - nach den Vorträgen, die am Vormittag im Leopold-Hoesch-Museum gehalten wurden - am Nachmittag besichtigten. In einer sehr angeregten Diskussion betonte der Metallurg Dr. Schürmann von der Bergakademie Clausthal, daß in den beiden freigelegten Rennöfen am Hang des Märzentales auf keinen Fall Eisen geschmolzen worden ist. Es blieb die Möglichkeit offen, daß man in diesen Oefen bleihaltige Mineralien verhüttete.

Der Vorsitzende des Geschichtsausschusses, Prof. Dr. Schulz, hoffte in seinem Grußwort zur Eröffnung der Tagung im Vortragssaal des Museums, daß man zu einer dauernden Verbindung zwischen der örtlichen Geschichte des historisch so interessanten Raumes von Stadt und Kreis Düren mit der Geschichtsforschung von Eisen und Stahl komme. Er hieß zahlreiche Gäste auf der Tagung willkommen, die außer von Praktikern und Wissenschaftlern der Eisenhüttenkunde von Archäologen und Industriellen besucht war. Sein Dank galt Museumsdirektor Dr. Appel und den Referenten, Dr. von Petrikovits, Dr. Voigt, Dr. Wilsdorf und Dr. Schürmann.


Den alten Hochofen bei Zweifallshammer besuchte ein Teil der Tagungsteilnehmer der Halbjahrestagung des Geschichtsausschusses im Verein deutscher Eisenhüttenleute (Bild links). Lebhafte Diskussionen gab es im Märzental, wo Dr. Voigt an Hand eines geologischen Meßtischblattes die Formationen und Lagerstätten im Badewald erläutert (oben rechts) und kritisch mit den fachkundigen Teilnehmern die Gesteinsfunde aus den beiden Rennöfen prüft (unten rechts). Fotos: v. Radzibor

Prof. Dr. Schulz wiedergewählt

Oberstadtdirektor Dr. Brückmann, der mit Kreisrechtsrat Dr. Innecken als offizieller Vertreter von Stadt und Kreis erschienen war, begrüßte die Eisenhüttenleute. In einem kurzen geschäftlichen Teil wurden Prof. Dr. Schulz, sowie vier Beisitzer des Geschichtsausschusses per Akklamation wiedergewählt.

Dr. Wilsdorf sagte in seinem Referat über Georg Agricola einleitend, über keinen anderen Beruf gebe es aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit so viele schöne Holzschnitte und Illustrationen, wie über den des Bergmannes und des Schmelzers. Er würdigte Agricola, dessen Todestag sich am 21. November zum 400. Male jährt, als den Begründer der Spezialgeschichtsschreibung in der Renaissance. Seine Bergbaugeschichte sei wegweisend gewesen. Der Tuchfärbersohn aus Glauchau entfaltete als Schulmeister seine großen pädagogischen Fähigkeiten, vertiefte als Arzt das Gefühl der Humanitas, das ihm stets beseelte und wurde dann in Joachimsthal - als Spezialist für Bergmannskrankheiten und sehr geschickter Chirurg - völlig vom Bergbau in den Bann geschlagen.

Agricola selbst, der erste wissenschaftliche Bergmann, legte sein Geld gewinnbringend im Bergbau an - der damals noch sein Schwergewicht beim Gold- und Silberbergbau hatte - und wurde Millionär. Als Katholik blieb er seiner Konfession treu, dabei stets der Humanitas eines Erasmus verpflichtet.

Viele einmalige Funde

Dr. von Petrikovits, der Grabungsleiter von Berg, gab den Teilnehmern der Tagung einen Ueberblick über die Ergebnisse und Probleme der Grabungen in diesem Modellgebiet für die Nordeifel. Man habe den Eindruck, daß der neun Quadratkilometer große Ausschnitt an der Wasserscheide zwischen Rhein und Maas südlich von Berg typisch sei. Hier fand man Güter aus der Römerzeit von 250 bis 590 Morgen, die offenbar auf dem kargen Boden nicht nur von der Landwirtschaft, sondern vom Eisenerzbau lebten. Hausgeschichtlich interessant sei der Gesindebau, den man beim Gut am Hostert freilegte. Herde und Hypocauste heizten ihn. Der dreischiffige Getreidespeicher nahm durch seine drei Meter breite Einfahrt nach Berechnungen das gesamte Getreide des Gutes auf.

Erstmalig fand man, wie Dr. von Petrikovits sagte, eine eingefriedigte Grabanlage. Um den Gutshof lagen fünf Tagebaue für Brauneisenerz. Dr. von Petrikovits wies dann auf die beiden Rennöfen hin, die man freilegte und die Parallelen in Rennöfen bei Namur haben. Während man die Südhänge dem Ackerbau vorbehielt, baute man an den Nordhängen das Erz ab. Man verhüttete, so meinte Dr. von Petrikovits, auch Erz von weiter gelegenen Fundstellen. Daneben wurde Viehzucht betrieben und wohl auch Jagd und Forstwirtschaft. Abschließend wies Dr. von Petrikovits noch auf die Frage hin, ob man hier auf kaiserlichem Domänengebiet oder freiem Siedlungsland sei. Dieses Problem und andere Fragen der großen Metallprovinz zwischen Ardennen und Nordeifel müßten gemeinsam mit den belgischen Wissenschaftlern untersucht werden.

Eisenproduktion stand nicht allein da

Dr. Schürmann von der Bergakademie Clausthal, der Brauneisensteinfunde und Schlacken aus dem Raum von Berg untersuchte, sagte in einem Vortrag, das Brauneisenerz, das man als Haufen zwischen zwei römischen Schuppen am Heistert fand, sei infolge des geringen Erzgehaltes nicht verhüttungswürdig gewesen. Es handelte sich wohl um Abfall. Die Erze aus dem Raum der Nordeifel seien nicht spezifisch. Man habe sowohl kohlenstoffreiches, hartes Eisen, wie auch kohlenstoffarmes, weiches Eisen gefunden. Dr. Schürmann gab vor allem analytische Vergleiche mit Funden aus Schleswig-Holstein, wo er selbst bei Ausgrabungen von Rennöfen mitwirkte. Dr. Schulz meinte in seinem Dankeswort, hier hätten Archäologie und Metallurgie leider ... - wie das Ergebnis zeige - keine glückliche Ehe geschlossen.

In einer sehr lebhaften Aussprache wies Dr. Voigt auf die eminente Aktivität auf metallurgischem Gebiet hin, die in den Jahren von 150 bis 400 n. Chr. in der Erzprovinz des Hohen Venn entfaltet wurde. Die Eisenproduktion stehe nicht isoliert da. Blei, Kupfer und Edelmetalle wurden in der Nachbarschaft geschürft und verhüttet.

Dr. Derichs zweifelte den Getreideanbau in der Eifel an, wurde jedoch von Dr. v. Petrikovits auf die römischen Ackerterrassen hingewiesen.

Alte Ofenplatten

Museumsdirektor Dr. Appel zeigte anschließend den Gästen im Keller des Museums eine Auswahl von Ofenplatten aus der Zeit der Gotik und der Renaissance, so eine sehr schöne gotische Ofenplatte aus der Hütte des Grafen von Manderscheidt und eine Platte, die früher vermutlich im Dürener Rathaus verwendet worden war.

Das Mittagessen wurde auf Burg Nideggen eingenommen. Hier wies Dr. Voigt darauf hin, daß lange Zeit der Beginn der Dürener Eisenhüttengeschichte auf das Jahr 1613 datiert wurde und eng mit den Namen Hoesch - den Hütten im Kalltal und bei Lendersdorf verbunden war. Archivfunde, die er im Staatsarchiv Düsseldorf machte, erbrachten die neue Erkenntnis, daß auch im späteren Mittelalter und in der frühen Neuzeit unter landesherrlicher Regie im Wehe- und Vichtbachtal das Eisenhüttenwesen blühte. Man könne jetzt drei Perioden der Dürener Eisenhüttengeschichte fixieren, die römische, die spätmittelalterliche und die neuzeitliche.

Im Märzental hieß Oberkreisdirektor Dr. Bierhoff die Gäste willkommen und sicherte unter großem Beifall für die Ausgrabungen auch die weitere Unterstützung des Kreises zu. Dr. von Petrikovits gab die Erläuterungen am Grabungsort, an dem man die beiden Rennöfen zutage fördertet. Man habe den Hang ursprünglich für eine Ackerterrasse gehalten, sagte er, doch jetzt sei einwandfrei erwiesen, daß er künstlich abgegraben wurde. Die Füllung des Ofens nehme man in fünf Schichten mit Kalk als Zusatz an. Ein Windkanal wurde im Profil freigelegt. Die Austrittsöffnungen am Ofen sind mit Mörtel gemauert.

Warnung vor reiner Hypothese

Um diesen Grabungsbefund und seine Deutung entspann sich eine heftige Diskussion, wobei vor allem der Metallurg Dr. Schürmann nachdrücklich unterstrich, daß in diesen Oefen kein Eisen verhüttet wurde. Dagegen spreche, daß man keine eisenhaltige Schlacke fand, daß die grünen Glasuren auf den Steinen nur eine Temperatur von unter 800 Grad andeuten - Dr. Schürmann ließ sogar die Möglichkeit offen, daß die Glasuren absichtlich durch Auftrag von Salzen auf die Steine herbeigeführt wurden - und das selbst die „Ofensau“ seiner Ansicht nach eher Blei als Eisenerze enthalte. Dr. von Petrikovits wies allerdings auf die Uebereinstimmung des Fundes mit den belgischen Rennöfen hin, doch warnte Dr. Schürmann vor nur hypothetischen Deutungen. Man will jetzt die Möglichkeiten untersuchen, ob in den Oefen Blei gewonnen wurde. Bekanntlich fand man bei der Ausgrabung des Gutshofes am Hostert zwei Bleibarren.

Bestätigung durch Analyse

Wie Dr. Voigt am Donnerstagmorgen der Redaktion der „Nachrichten“ mitteilte, hat eine Analyse der „Ofensau“ - d. h. der metallhaltigen Rückstände - aus den beiden Rennöfen im Märzental einwandfrei ergeben, daß hier Blei und nicht Eisen verhüttet wurde. Damit wurde die Behauptung Dr. Schürmanns wissenschaftlich untermauert. Nicht anzuzweifeln ist, daß dennoch im Badewald auch Eisen verhüttet wurde, wie Schlackenfunde von anderen Fundstellen, die Dr. Schürmann ebenfalls untersuchte, ergeben.

Diese neue Wendung bei den Grabungsergebnissen wirft jetzt die Frage auf, woher das Blei, das offensichtlich zu kommerziellen Zwecken hergestellt wurde, kam. Es ist kaum wahrscheinlich, daß man es von den bekannten Schürfstellen Mechernich oder Maubach zum Verhütten ausgerechnet bis ins Märzental brachte. Vielmehr wird die Lagerstättenkunde nunmehr die Umgebung des Badewaldes auch auf bleihaltige Mineralien untersuchen müssen.





Quelle: Dürener Nachrichten Nr. 238 vom 14. Oktober 1955
Sammlung wingarden.de
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