Tempel im Badewald freigelegt
Wichtige Ausgrabung des Landesmuseums - Das erste heidnische Heiligtum im Kreis Düren - Mittel für weitere Forschung fehlen





Düren. - Das erste Heiligtum aus römischer Zeit im Kreis Düren wurde in den letzten Tagen vom Rheinischen Landesmuseum Bonn im Badewald südlich von Berg vor Nideggen freigelegt. Es handelt sich um einen gallo-römischen Tempel, in dem einheimische keltische Gottheiten verehrt wurden.

In unmittelbarer Nähe liegen zwei weitere Fundstätten. Sie könnten Aufschluß über die Bedeutung des Heiligtums geben. Doch fehlen Geldmittel für weitere Ausgrabungen. Man kann aber wohl erwarten, daß sich der Kreis Düren an den Kosten beteiligen wird. Ein entsprechender Antrag wird in Kürze vorgelegt. Insgesamt befinden sich im Kreis Düren etwa 400 bekannte, zum Teil erst wenig erforschte Fundstätten.

In einer Reportage „Ruinen der Stadt Badua?“ berichteten wir bereits vor einigen Wochen, daß man bei Rodungsarbeiten im Badewald auf sechs mächtige Steinquader gestoßen war. Zunächst wurde vermutet, daß es sich um Reste eines römischen Grabmales handele. Inzwischen ging die Fundmeldung von Bauer Fischer über Bodenpfleger Gerhards an das Rheinische Landesmuseum. Es beauftragte bald darauf die Archäologen Dr. H. von Petrikovits und Dr. Müller mit den Ausgrabungen.

Bruchstück einer steinernen Maske

Die Archäologen ließen an der Fundstelle einen Suchschnitt legen. Sie stießen auf Mauerreste und Fundamente. Ein zweiter, zum ersteren quer verlaufender Schnitt ergab weitere Aufschlüsse. Zum Vorschein kam schließlich ein gallo-römischer Tempel. An Hand von Keramikfunden kann man sein Alter genau bestimmen. Er stammt aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts oder aus dem 3. Jahrhundert nach Christi Geburt. In ihm wurden einheimische keltische Gottheiten verehrt, ein Kult, der in Britannien, Frankreich, West- und Süddeutschland, Ungarn und zum Teil in Jugoslawien nachzuweisen ist.

Der Tempel hat einen quadratischen Grundriß. Auf einem dicken Fundament aus aufeinandergeschichteten Buntsandsteinen bildeten die mauer ein Geviert mit einer Seitenlänge von 5,5 m. Durch eine Türöffnung in der östlichen Wand konnte man in die Cella hineinschauen, wo üblicherweise die Skulptur der Gottheit stand. Hier hat man jedoch kein Standbild gefunden, so daß es keinen Anhaltspunkt gibt, welcher Gottheit das Heiligtum diente. Jedoch kann die untere Hälfte einer steinernen Maske, auf die man stieß, damit in Verbindung stehen. Es wird angenommen, daß das Heiligtum im Mittelalter geplündert wurde.

Bedeckt war das Haus mit einem Ziegeldach. Spuren des Giebels sind noch vorhanden. Ferner wurde es von einer Säulenhalle umgeben. Die Länge der Säulengänge beträgt 9,20 m. Sie waren durch ein Pultdach mit der Cella verbunden. Rest der Rundsäulen wurden ebenfalls sichergestellt.


Hier legt Dr. v. Petrikovits seine linke Hand auf den unteren Teil der steinernen Maske, ein Bruchstück, das neben anderen behauenen Steinen in den Ruinen des gallo-römischen Tempels gefunden wurde.

Die Zeit drängt

Die Kapitelle der Säulen, die Türpfosten und andere Bauteile weisen bildhauerische Verzierungen auf. Auch davon wurden Teile geborgen. Unter anderem fand man das Bruchstück eines Reliefs. Es zeigt den Kopf und die Schulterpartie eines Menschen. Auf Schriftzeichen ist man bisher noch nicht gestoßen, so daß auf diese Weise kein Anhaltspunkt über die Gottheit, die hier verehrt wurde, gegeben ist.

In unmittelbarer Nähe, etwa hundert Meter nördlich und fünfzig Meter östlich vom Tempel befinden sich zwei weitere Fundstätten. An einer Stelle sieht man Mauerreste, zerbrochene Ziegel, darunter auch Bruchstücke, die auf eine römische Heizungsanlage schließen lassen. Der andere Platz zeigt wiederum ähnliche Steinquadern, wie sie am Tempel gefunden wurden. Dr. H. Petrikovits hält es für außerordentlich wichtig, diese Stellen zu untersuchen. Nach einer Meinung müssen sie aussagen, welche Bedeutung das Heiligtum hatte, ob es allein stand oder sich in einem Siedlungsverband befand.

Die Zeit drängt. In sechs Wochen wird der Pflug über die gerodete Fläche hinweggehen. Dann tauchen endgültig die Zeugen geschichtlicher Vergangenheit wieder unter. Dem Landesmuseum fehlen jedoch die Mittel, um diese Arbeiten durchführen zu lassen. Es soll deshalb die Bitte an den Kreis Düren herangetragen werden, sich mit 1000 DM zur Hälfte an den Kosten zu beteiligen. Es wäre schade, vielleicht unverzeihlich, wenn man diese Hilfe versagen würde. Die Gegenwart wird nicht nur dadurch beurteilt, was sie für sich selbst tut, sondern auch nach dem, was sie für die Vergangenheit übrig hat. Das Geschichtsbewußtsein ist ein Maßstab jeden echten kulturellen Strebens.

Weitere Heiligtümer vermutet

Im Tempelgelände soll auch noch ein Quadrant der beiden Suchschnitte als Fläche freigelegt werden. Die Archäologen hoffen dabei auf weitere Funde. Ihrer Ansicht nach handelt es sich bei dieser Kultstätte überhaupt um einen wichtigen Platz, liegt er doch unmittelbar am Rand der alten Römerstraße von Venlo ins Moselgebiet, eine Straße, die in früheren Zeiten auch als Prozessionsweg benutzt wurde. Zahlreiche historische Probleme ergeben sich in diesem Zusammenhang.

Darüber hinaus könnten unter Umständen Hinweise zur Deutung der anderen Fundstellen im Kreise Düren erarbeitet werden. Insgesamt sind 400 Fundstellen aus römischer Zeit im Dürener Land bekannt. Hier im Badewald wurde das erste Heiligtum entdeckt. Weitere Heiligtümer werden in Wollersheim, Vettweiß, Mariaweiler und Thum vermutet. Bei Mariaweiler wurde in letzter Zeit eine Reihe von Matronensteinen gefunden. Ein gallo-römisches Grab gibt es bei Frenz. Doch überall fehlt es zur intensiven Forschung an Geldmitteln. Um so wichtiger ist es, im „Hostert“ des Badewald, in der und um die Tempelanlage, alle Möglichkeiten des Forschens auszuschöpfen.

-ei.





Quelle: Dürener Lokal-Anzeiger vom 15. Mai 1954
Sammlung wingarden.de
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