Das Geheimnis des Badewaldes
Pfarrer Andreas Pohl setzt seine Artikelserie fort - Heute untersucht er die wirtschaftsgeschichtlichen Zusammenhänge.





Berg vor Nideggen. Pfarrer Andreas Pohl behandelte in einer Artikelserie, die im Dürener Lokal-Anzeiger erschien, das Geheimnis des Badewaldes, der durch die vom Landesmuseum unter der Leitung von Dr. von Petrikovits mit Unterstützung des Kreises Düren und der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführten Grabungen überregionale Bedeutung erhielt. In vier abschließenden Beiträgen untersucht Pfarrer Pohl aus Blens weitere wesentliche Fragen, die zur Lösung des Geheimnisses im Badewald beitragen.

Wie war die Situation vor und zu Beginn der Römerzeit im Blickfeld der Bade? Und zwar wirtschaftsgeschichtlich, kultur- und religionsgeschichtlich? - Wirtschaftsgeschichtlich: Unsere Vorfahren bei der Bade an Rur und Neffel waren schon längst vor der Römerzeit keine Halbwilden noch umherschweifende Jäger mehr. Das waren sie schon zur Hallstattzeit nicht mehr. Ackerbau und Verwendung der Metalle waren ihnen bekannt.

Man fand Steinbeile

Freilich waren unendlich lange Zeiträume vergangen, ehe nach der Eiszeit, als der Ackerbau ganz primitiv begann und nur die kleinen Werkzeuge aus Feuerstein da waren, der erste Anbau von Samen möglich war. Vier steinzeitliche Funde wurden bisher in der Bade gemacht. Die Massensammlung steinzeitlicher Funde des Heimatforschers Rochels aus Lüxheim ist weit bekannt. Etwa 3000 Jahre vor Christus waren die ersten Bandkeramiker an der Bade an der Rur und Neffel. Am Fuße der Bade fand man Steinbeile. Wir erwarten von den weiteren Ausgrabungen in der Bade die Aufdeckung bandkeramischer, steinzeitlicher Siedlungen, vielleicht mit Wohn- und Vorratsgruben. Es kam die Römerzeit. Die am Fuße der Bade bei Gödersheim ausgegrabenen Matronensteine, die die Franken für ihre drei Gräberfelder zu Gödersheim, Ginnick und Wollersheim benutzt hatten, gehören ohne Zweifel den großen römischen Niederlassungen in der Bade an, welche Schoop als die größten im Kreise Düren eingezeichnet hat. Meines Erachtens gehören sie zum großen Teil vor-römischen, also keltischen Siedlungen an. Es gab in der ganzen Voreifel keine Stelle, die vor- und frühgeschichtlich gesehen geeigneter für die ersten Siedler war, als die Badelandschaft. Mitten zwischen den zur Rur herabfließenden vier Bächen und den Quellen der Neffel, der ältesten Kultur- und Siedlungslinie der Vordereifel und des Dürener Landes. Dazu kam der Löß an Rur und Neffel (bei uns Mergel genannt), der schon die Bandkeramiker angelockt haben wird.

Blühender Ackerbau

Die Neffel (Navalia des Tacitus) ist, trotzdem in den 80er Jahren mehrere ihrer Quellen versiegten, auch in ihrem Oberlauf von Gödersheim bis Zülpich, also 5 km weit, 6 Mühlen treibt. Die Steinzeitbauern haben wohl erstmalig in unserer Landschaft die Gerste angebaut. Auf einem Matronenaltar-Relief, der bei Gödersheim gefunden wurde, ist eine schöne gearbeitete Gerstenähre abgebildet. Aepfel und Birnen sehen wir ebenfalls auf diesem Relief. Wenn Tacitus in seiner „Germania“ Kapitel 5, schreibt „Obstbäume gedeihen dort nicht“ (impatiens frugi ferum), so ist dazu zu bemerken, das vor 40 Jahren eine textkritische Kontroverse unter Fachgelehrten war, ob anstatt impatienis nicht iampatiens zu lesen sei und Harenza recht habe, wenn er übersetzt „Edelobst gedeiht dort nicht“. Uebrigens ist nicht zu bestimmen, welchen genauen Landstrich Germanien Tacitus hier im Auge hatte. Denn er schreibt, Germanien reiche vom Ozean bis nach Pannonien und vom Rhein bis zur Elbe. Außer den genannten Früchten sehen wir auf den Reliefbildern unserer Matronensteine Krüge, Trinkgefäße, Körbchen, Geflügel, Schweine, große Ampforen aus Ton, die beweisen, daß Gerstenbier und Weinbau bei der Bade vor 1700 Jahren bekannt waren. Warum aber soll also vor 2000 Jahren in der Bade nicht blühender Ackerbau gewesen sein. Die Weinreben waren am Rhein schon in der vorrömischen Zeit da. Die Römer haben zudem zur Förderung des Weinbaues viel getan, besonders der Kaiser Probus (vergl. die Probusmünze, gefunden am Fuße der Bade bei Gödersheim).

Germanen wohnten abgesondert

Spätestens im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. wird Gerstenwein und Bier bei der Bade im Neffeltal bekannt gewesen sein. Wenn wir die auf den Matronensteinen von der Bade abgebildeten landwirtschaftlichen Produkte betrachten, dann steht vor unserem geistigen Auge das Bild einer blühenden Landschaft an der Bade und Neffel und 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. Dann sehen wir weiterhin Weinberge, Obstgärten und Gerstenfelder, Schweine und Flügelzucht. Diese Steinurkunden zeigen uns Schweineköpfe und Schweineschinken. Sie zeigen uns große und kleine Vögel, die unstreitig der Familie der Sumpfvögel angehören. Wie künstlerisch hochstehend ist die Arbeit der Steinmetzen: Rebenzweige, Füllhörner, die mit Blättern und Trauben verziert sind. - Das ist ein ganz anderes durch unsere Steinurkunde bewiesenes Bild als die ältesten Nachrichten über den germanischen Siedlungsraum bei den griechischen und römischen Schriftstellern.





Quelle: Dürener Lokal-Anzeiger Nr. 259 vom 6. November 1954
Sammlung Michael Peter Greven, Nideggen, Sammlung wingarden.de, H. Klein, Sammlung Marliese Wintz, Kreuzau
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