Ein Beitrag des Dürener Lokal-Anzeigers zur Herbstversammlung des Historischen Vereins in Düren:
Johann Wilhelm Braun, ein berühmter Sohn des Dürener Landes
Ein Rheinischer Geistesführer des 19. Jahrhunderts (1801-1863) - Von Pfarrer Andreas Pohl





Düren. Am Mittwoch, 25. September, hält, wie bereits berichtet, der Historische Verein für den Niederrhein in der Stadthalle seine diesjährige Herbstversammlung ab. Wir bringen aus diesem Anlaß eine wissenschaftliche Abhandlung über einen bedeutenden Sohn unserer Heimat, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer bemerkenswerten Erscheinung des geistigen Lebens wurde: Prof. Joh. Wilh. Jos. Braun, Professor der Theologie, Philosophie und beider Rechte, dessen Werk es nicht verdient, daß es in Vergangenheit gerät. Der Verfasser des nachstehenden Artikels ist Pfarrer Andreas Pohl, der in Neuabenden, Kreis Düren, seinen Lebensabend verbringt und durch seine heimatgeschichtlichen Forschungsarbeiten seit Jahrzehnten einen anerkannten Namen hat:

Diese Abhandlung hat mit Fragen der Parteipolitik und Dogmatik nichts zu tun. Sie bringt weithin Ausführungen meines hochverehrten Lehrers der Kirchengeschichte an der Universität Bonn, Prof. Schroers.

Schon oft brachten „Eifel“-Zeitschrift und „Eifelkalender“ Bilder großer Söhne der Eifel, die es nicht verdienen, daß man sie und ihr Lebenswerk unter dem Hügel der Vergessenheit ruhen läßt. Zu ihnen gehört Joh. Wilh. Jos. Braun, Professor der Theologie, der Philosophie und beider Rechte, geboren zu Gey auf Haus Gronau am Rande der Nord-Ost-Eifel. Bei seinem Tode schrieb die Augsburger Allgemeine Deutsche Zeitung: „Braun hat sich einen Namen erworben in der Wissenschaft, der zu denjenigen gezählt werden darf, welche den Rheinlanden zur Zierde gereichen“. „Populär“ im landläufigen Sinne ist er freilich nicht gewesen, dafür sorgte schon Zeit seines Lebens eine absolutistische Regierung mit ihrer scharfen Zensur. Dazu war er eine aristokratische Natur. Er liebte es, auf stiller oft einsamer Höhe zu wandeln, und auch darin war er ein echter treuer Sohn seiner einsamen Eifelheimat. Bei den Bewohnern der Nordeifel ist er aber doch „volkstümlich“ geworden, als er als Abgeordneter der nordöstlichen Eifelkreise einzog in die Frankfurter Nationalversammlung und das Erfurter Unionsparlament u. der wirtschaftlichen Not des damals noch armen Eifellandes durch seine Tätigkeit steuerte. Damals klang sein Name und sein Lob von Eifeldorf zu Eifeldorf, als er Abgeordneter des rheinpreußischen Wahlkreises Düren-Jülich wurde. Das war vor 100 Jahren. Heute aber ist dieser berühmte Theologe, Historiker, Archäologe und Jurist so gut wie vergessen. Die Eifeler Geschichtsforschung weiß nichts von seiner Bedeutung. Umsomehr ist es, wie Schroers schreibt: „Eine Forderung der historischen Wahrheit und Gerechtigkeit, sein Andenken wieder aufleben zu lassen und zu zeigen, welche Stellung er in unserer Geistesgeschichte einnimmt“. Es genügt, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß im Besitze der kath. theologischen Fakultät in Bonn mehr als 700 an Braun gerichtete Briefe sich befinden, daß er der führende Mann und Mitarbeiter fast aller gelehrten und wissenschaftlichen Gesellschaften und Vereine im Rheinland war, daß er mit vielen berühmten Künstlern, Dichtern und Geistesmännern seiner Zeit in persönlicher Verbindung stand, daß er in Rom Zutritt hatte zu den Kardinälen Castiglioni (später Pius VIII) und Capellari (später Gregor XVI) und von Leo XII in Audienz empfangen wurde.


Professor Joh. Wilh. Braun, 1801-63


Der Historiker und Archäologe

Als solcher kommt Prof. Braun für diese Abhandlung zuerst in Betracht. Gerade hier zeigt sich als echten Sohn jener Landschaft am Rande der Nord-Osteifel, deren geradezu geschichtsträchtiger Boden uns immer neue Zeichen und Zeugen ältester Kultur offenbart. Das beweisen die in diesem Maimonat 1954 im Badewald begonnenen Spatengrabungen des Bonner Landesmuseums. Hier sind wir im klassischen Lande der Afrikanischen, Vesuvianischen und Sunniker Matronen *), der ältesten Türme der Voreifel, der Reste des Stein- und Schalenkults, der beinahe 500 festgestellten römischen Siedlungen der Voreifellandschaft (1). Hier hat der Archäologe und Historiker Braun mehrere Jahrzehnte lang geforscht und den erdigen Mantel der Geschichte oft gelüftet, hier hat der Professor der Kirchengeschichte und Doctor beider Rechte sein reiches Wissen ganz in den Dienst der Heimatgeschichte gestellt und viele Jahre lang auf diese Weise befruchtend auf das Interesse für die älteste Kultur des rheinischen Landes und der ganzen Eifel und nicht zuletzt auch das Geistesleben der Eifelbevölkerung eingewirkt. Dadurch schon verdient er einen Ehrenplatz im Herzen seiner Landsleute. Wie hoch sein Ansehen und seine fruchtbare literarische Tätigkeit auf dem Gebiete der Heimatgeschichte und Altertumsforschung war, beweist die Tatsache, daß er lange Jahre den „Verein von Altertumsfreunden in den Rheinlanden“ leitete, die „vornehmste gelehrte Gesellschaft der Provinz“, wie Schroers schreibt, Brauns Ideal bei dieser Aufgabe war es, alle Gebildeten mit Hintansetzung der sie trennenden Standpunkte in dem Interesse für die historische Vergangenheit zu einigen (2). Er legte stets Wert auf ein gemeinschaftliches und einheitliches „Kulturbewußtsein“, das wir heute Europa nennen, in dem sich auch Andersgläubige zusammenfanden. In besonderer Weise trat Braun als Historiker, Staatsphilosoph und hervorragender Publizist hervor in seiner großen Briefsammlung während der Tagung der Frankfurter Nationalversammlung (4). Er veröffentlichte diese 21 Briefe, die er von Frankfurt aus an seine Wähler und Freunde richtete unter dem Motto: „Jedes Reich, das in sich selbst uneins ist, wird verwüstet werden“. (Matth. XII 25). Was er damals, vor 100 Jahren schrieb, gilt in vollem Umfange für heute noch.

Braun, der Staats- und Gesellschaftslehrer

Im „Völkerfrühling“ des Jahres 1848 zog Prof. Braun als Abgeordneter seines heimatlichen Wahlkreises in die Deutsche Nationalversammlung in Frankfurt ein und bald darauf in das Erfurter Unions-Parlament. Bezeichnend für Braun ist das Motto, das er über die Sammlung der 21 Briefe setzte, die er von Frankfurt aus an seine Wähler und Freunde richtete: „Jedes Reich, das in sich selbst uneins ist, wird verwüstet werden“, und die Tatsache, daß ihm auch als Politiker „die Würde des Menschen und die Geltung seiner Kirche mit im Vordergrund standen“. Was er damals schrieb, hat auch heute noch vollauf Geltung und beweist seinen weitschauenden Blick:

(4) Zu Einheitsidee und Einheitsstaat: „Der vollkommene Staat und die vollendete Staatsform besteht nur in der Idee. In Wirklichkeit ist nur die Staatsform die beste, welche unter den gegebenen Umständen für ein großes Volk am besten paßt“. Die alten Römer haben es besser eingesehen, wie unendlich viel in einer freien Verfassung auf dem Eid beruht. Die Frankfurter Versammlung hat dem Eid den Lebensnerv abgeschnitten. Sobald wir Mitglieder eines Staates werden, müssen wir auf einen Teil unserer Freiheit verzichten. Ohne diese Verzichtleistung ist kein Staat möglich. Der Bürger ist verpflichtet, so viel, aber nicht mehr, von seiner Freiheit abzugeben, als für den Zweck des Staates erforderlich ist. Die beste Armee geht zugrunde, wenn sie das Unglück hat, einen schlechten Führer an der Spitze zu haben.

Koalitionen (S. 69). Eine Koalition, die nicht auf gemeinsamen Grundsätzen beruht, ist ein unnatürliches Bündnis, das jeden Augenblick wieder aufzulösen droht. Nicht Gleichheit der Meinungen, nicht augenblickliches Interesse, sondern Gleichheit der sittlichen Grundsätze schlingt ein dauerhaftes Band um Freunde. Was zusammengewachsen, was verbunden, was vereinigt ist, (coalitus) kann nicht zum zweiten Male zusammenwachsen, es sei denn vorher getrennt worden.

Der Abgeordnete: Die Nationalversammlung war zerlegt in 15 Abteilungen, die von Zeit zu Zeit neugebildet wurden. Hätten diese Abteilungen jedesmal die Frage, die auf der Tagesordnung stand, behandelt, so wären alle die Nachteile vermieden worden, welche die Klubs erzeugt haben. Die oft wiederholte feierliche Erklärung des Präsidenten der Nationalversammlung, er habe ein neu eingetretenes Mitglied einer bestimmten Abteilung zugewiesen, um an den Arbeiten in derselben teilzunehmen, erregte nur Lachen.

Teilung Deutschlands: Wir sind hierhin gekommen, um Deutschlands Einheit zu konstituieren und man schlägt uns hier vor, einen Teil Deutschlands aus Deutschland hinauszuwerfen. An dem Tage, wo wir diesen Antrag (v. Gagerns) auch nur verhandeln, verhandeln wir eine Teilung Deutschlands.

Staat und Religion: Die großen Staatsmänner und Weisen des Altertums haben begriffen, daß die bürgerliche Freiheit einen festen Punkt haben müsse, ohne den das Staatsschiff untergehen müsse. Sie fanden diesen Punkt jenseits der sichtbaren Welt, sie sprachen vom göttlichen Ursprung der Gesetze. Es gibt keinen einzigen Staatsmann des Altertums, der geglaubt hat, einen Staat ohne Religion aufbauen zu können. Die Religion selbst war ein Institut des Staates, ihre Verletzung wurde mit den schwersten Strafen belegt. Sokrates, der sein Vaterland in drei Schlachten verteidigt hatte, mußte den Giftbecher trinken, weil er beschuldigt wurde, daß er die vom Staate anerkannten Götter nicht anerkenne. Er war kein Atheist. Sein Verbrechen bestand nur darin, daß er den Volksglauben bekämpft hatte. Wer die Gottheit nicht scheut, sagte Mäzenas zum Kaiser Augustus, der scheut auch keine andere Autorität (in Xenophos Denkwürdigkeiten).

Staat, Kirche und Schule. Die Verhandlungen über die Schul- und Kirchenfrage bildeten die Kraftperiode des parlamentarischen Lebens in der Paulskirche zu Frankfurt. Religiöse Gemüter waren erschüttert über die Art und Weise, wie die Kirche, das Christentum, die Religion überhaupt in den Reden über diese Frage behandelt wurden. In den Gerusien der hellenischen Staaten und in den Comitien der Römer würde man solche Angriffe auf den Kultus nicht gestattet, sondern die Redner vor Gericht gestellt haben. Die Verhandlungen über die Schul- und Kirchenfragen haben das bleibende Gute, daß sie den, der es will, einen Blick in die kirchlichen Zustände Deutschlands tuen lassen und diejenigen einigermaßen verlegen machen, die überall die deutsche Gründlichkeit rühmen. Nichts ist so sehr anzuraten, als die Geister ruhen zu lassen, die man unvorsichtig genug weckt, damit der Zweispalt, der über den Glauben gesiegt, nicht auch die Liebe von neuen vernichte und die Hoffnung des Vaterlandes. Nichts war in der Paulskirche so verhaßt wie die Bürokratie, und obwohl sie fast alle Tage mit neuen Verwünschungen beladen wurde, so gelang es ihrem Geiste doch, in die Paulskirche einzudringen und zwar im Geheimen. Die Petitionen über das Verhältnis der Schule und Kirche zum Staate waren zu einer ungeheuren Anzahl angewachsen und bloß ein Teil derjenigen, die sich auf die Schule bezogen, „waren wie ein kleines Archiv“. Und vor allem diesen hat die Nationalversammlung so gut wie nichts erfahren! Heißt das, dem Willen des Volkes „Rechnung tragen“?

Europa, Amerika und Rußland: Europa ist seit den Tagen der Völkerwanderung nie in einem Zustande so großer Flüssigkeit gewesen als in diesem Augenblick. Jeden Monat, jede Woche, jeder Tag kann neue Konjunkturen bringen. Man wird die Demokraten einmal niederwerfen, aber die Demokratie wird bleiben. Mögen sie ihren Fuß in Europa setzen wohin sie wollen, sie stehen auf einem Vulkan, so ruhig es auch hier oder da aussehen wird. Das Erworbene zu befestigen, innere Größe zu pflegen, nicht nach neuem Besitze zu streben, das fordert jetzt die Klugheit. -

Jenseits des Ozeans hat sich bereits eine Macht erhoben, die ihre Grenzen weiter ausdehnen wird als das alte Rom, da seine Adler mit einem Flügel die Elbe und die russische Grenze berührten, mit dem anderen in die Sandwüsten Afrikas und Asiens reichten, in denen das Leben der Natur sich verliert. Schneller als die Adler der Römer fliegen die Banner der Vereinigten Staaten. „Rußland, der nordische Riese, der die ungeheure Macht seiner Glieder bisher nur schwer gebrauchen konnte, hat in dem Dampfe das Mittel gefunden, sie näher zusammenzubringen“. Aber in dem uralten Bau der Staaten laufen Rasende mit Fackeln umher. Bald brennt hier ein Turm empor oder bricht dort eine Zinne herab, bis alles in Schutt sinkt“. „Nach dem Zeugnis der Geschichte beginnt der Verfall der Staaten, wenn die Kultur ihre höchste Stufe erreicht hat. Die Kultur weckt den Trieb nach Genußsucht, erzeugt den Geiz und die Habsucht“. -

„Und da sich die neuen Tage aus dem Schutt der alten bauen, kann ein ungetrübtes Auge rückwärtsblickend vorwärts schauen“.


Unser Bild zeigt Haus Gronau in Gey, das Geburtshaus Prof. Brauns

Professor Braun als Publizist

Braun, der Staatsphilosoph und Historiker, war mehr Publizist. Agitator und Organisator im eigentlichen Sinne ist er weniger gewesen. Schroers hebt das mit Recht hervor. Hier muß festgestellt werden, daß Braun bei alledem der Kirchenmann blieb, wozu ihn der Bischof gemacht hatte (3), und zwar in erster Linie der Kirchenmann, der das innerkirchliche Leben beachtete. Er hat sogar ein Gebetbuch erfaßt, das in den Kreisen vieler Gebildeten benutzt wurde. Bezeichnend ist, was Schroers schildert, wie damals die Universität Bonn - natürlich abgesehen von den Fachwissenschaften - keine nennenswerte Bedeutung hatte für ihre Umgebung und wie ein Fremdkörper im Lande war (3). Braun aber hatte als einer der wenigen damaligen Professoren den weitaus größten Einfluß wegen seiner vielseitigen Begabung, dem Umfang seines Wissens und der warm an seiner Heimat hängenden Seele (3). Diese Tatsache allein reicht schon hin, ihm eine Stelle in der Geisteswissenschaft des rheinischen Volkes zu sichern. Diese Geistesgeschichte ist auffallend arm an hervorstechenden Persönlichkeiten aus dem eigenen Geblüte (besonders auf der katholischen Seite). Ein Grund mehr, den einsamen Schläfer auf dem stillen Eifelfriedhofe in Gey nicht zu vergessen. -

Die Söhne der Nordeifel sind zäh und sturmerprobt wie die Eichen und Buchenhecken ihrer Heimat. So war es auch bei Braun. Von Jugend an wurde er oft von Krankheiten heimgesucht. Umsomehr muß man die Arbeitsleistung dieses Mannes und seine ungebrochene Lebensfreudigkeit bewundern“ (Annette von Droste-Hülshoff bei Cardaun: „Briefe“). Prof. Hermes, Bonn, stellt ihm das Zeugnis aus: „Braun gehörte zu den ersten der Bonner Theologiestudierenden“. Dieser zähe Bauernbursche aus der Nordeifel glich darin seinem Nachbarn aus Woffelsbach, dem späteren Butterpastor von Ameln“ (s. Anm.). Seine Gymnasialstudien begann er, wie auch Cremer auf dem humanistischen Gymnasium im benachbarten Düren, seine philosophischen Studien in Köln, dann folgten die Studienjahre von Wien und zuletzt das Studium der Theologie, der Philosophie und Philologie in Bonn. Braun war ein ausgesprochenes Sprachtalent. Auf dem Gebiete des kirchlichen und antiken Altertums hat er sich durch seinen unverdrossenen Fleiß bei der nur 7 Semester damals umfassenden akademischen Lehrzeit ein beinahe universales Wissen angeeignet (5). Brauns wissenschaftliche Eigenart hatte einen dreifachen Zug: einen historischen, archäologischen und juristischen (3). Braun hatte den heißen Drang, Länder und Menschen zu sehen, um sein Wissen zu vertiefen und zu erweitern, und so folgen bald seine Wanderjahre (1825-27). Er hatte das Glück, ein Reisestipendium zu bekommen, geht wieder nach Wien und schreibt dort seine Doktorarbeit über den „Platonismus der Kirchenväter“. An Entbehrungen war er gewöhnt, aber die Sorge um seinen Lebensunterhalt zehrte so an seiner Gesundheit, daß er eines Tages schwerkrank im Wiener Bürgerhospital lag. Er hatte damals nur die niederen Weihen, der Erzbischof Ferdinand August von Köln gestattete ihm die höheren Weihen zu empfangen. So wurde er im Dezember 1825 im Stephansdome zu Wien zum Priester geweiht. Am Dreikönigstage feierte er seine Primiz, war ein eifriger Seelsorger und erwarb sich, wie es in einem Berichte heißt, „Die Achtung und Liebe aller“. Nun hatte er eine bescheidene Existenz und konnte im Herbst 1826 in das Land seiner Sehnsucht, nach Italien, reisen. In Rom hatte er Zutritt zu den höchsten kirchlichen Stellen, wie wir oben sahen, vor allem zu Cardinal Castiglioni, dem späteren Papst Pius VIII, einem großen Kenner des christlichen Altertums. Hier versenkte Braun sich von neuem in das Studium der christlichen Archäologie. Im Kreise der Romantiker und der deutschen Künstler und Maler, wie Veith und Overbeck, war er gerne gesehener Gast. Hier entstanden die Pläne für viele seiner späteren literarischen Arbeiten. Als er dann über Wien, Dresden und Berlin wieder an den Rhein zurückkehrte, suchte er, der treue Sohn seiner Eifelheimat, zuerst das stille Gronau auf und lebte monatelang im Kreise seiner Verwandten in dem einsamen Eifeldorf. Dann begann seine Dozentenlaufbahn in Bonn mit der öffentlichen Antrittsvorlesung „Die Katakomben von Rom und Neapel“, 1829 wurde er außerordentlicher Professor. Bezeichnend ist seine öffentliche Habilitationsrede: „Der Freimut der Historiker und seine Begeisterung für Wissenschaft und Menschenwohl“ (Schroers). Öftere Betätigung in der Seelsorge hat er darüber nicht vergessen. 1833 erhielt er seine Bestallung als ordentlicher Professor der Kirchengeschichte. Überall legte er den größten Wert auf die Verbindung der geschichtlichen Erscheinungen und ihrer psychologischen Erklärung. Die Dinge erschienen ihm also immer auf großem Hintergrunde. Seine Arbeiten „Die kulturellen, religiösen und sittlichen Zustände im Heidentum und Judentum zur Zeit Christi“ und „Die historische Einleitung der Reformation“ beweisen seinen weiten historischen Blick (3). Vor allem aber beweisen das seine 21 Briefe zur Zeit der Frankfurter Nationalversammlung (siehe oben!) -


Grabstein Professor Brauns

Die Jahre 1813-35 waren für Braun Jahre des Kampfes. Die Zeitschrift „Philosophie und katholische Theologie“ berichtet in den Jahren 1832-52 davon (6). Braun reiste damals nach Rom. Dort wurde er von der Cholera ergriffen (in Rom starben damals 5119 Menschen daran). Der zähe Sohn der Eifel überstand die Krankheit, kehrte in die Heimat zurück, und schrieb viele Arbeiten, in denen der Historiker die Kirchengeschichte seiner Heimat behandelte. Es erschien seine „Geschichte der Prämonstratenserabtei Steinfeld“ in der Eifel, seine Arbeit: „Zur Geschichte der Stadt Schleiden“, „Geschichte des Klosters Niederehe“ (Kr. Daun), „Der Steinfelder Mönch Goffine“ - Verfasser der bekannten Handpostille - „Zur Rechtsgeschichte des Herzogtums Jülich“, „Zur Geschichte des Landes Montjoie“, viele mit erstmals veröffentlichten Weistümern, „Karls des Großen Geburtsort“. Von 1847 bis 1863 war Prof. Braun Vorsitzender des „Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande“. „Brauns hervorragende Bedeutung lag in dem Bestreben, einer gewissen Universität der Bildung, die sich sowohl in seiner außerordentlichen Vielseitigkeit des Wissens wie in der daraus hervorgehenden seltenen Objektivität des Wissens wie in der daraus hervorgehenden seltenen Objektivität allen Erscheinungen des Lebens gegenüber bekundete“ (Schroers). Braun hatte Freunde unter allen Parteien. Die Chronik Jahrbuch 36 des Vereins der Altertumsfreunde im Rheinlande schreibt über ihren Vorsitzenden Braun: „Ihm schwebte für unseren Verein das ideal einer Versammlung aller Gebildeten mit Hintansetzung der sie sonst trennenden Standpunkte vor. An der Auffassung einer durchaus objektiven Wissenschaftlichkeit, die auf dem Gebiete der Erforschung der Vorzeit und der Erhaltung ihrer Denkmäler alle Gebildeten in dem Interesse für die historische Vergangenheit zu einigen sucht, etwas ändern zu wollen, hieße, den Lebensfaden unseres Vereins zu zerstören. Der neue Vorstand kann deshalb nur bestrebt sein, jeden alleinrichtigen Standpunkt überall zu kräftigen und hervorzuheben. In den 20 Jahren von 1843 bis 1863 findet man in den gelehrten Zeitschriften eine Ueberfülle von Arbeiten Brauns über archäologische Funde. Es ist dabei neben Brauns eigenen Forschungen auch Bekanntes zu finden, so daß - wie Schroers sagt - der Eindruck des Popularisierens entsteht. Verfasser dieser Abhandlung meint, daß dieses „ins Volk gehen“ gerade in unserer Zeit, wo man das „Echo der Jahrhunderte“ wieder wecken will und Volks- und Heimatskunde in Schule und Gemeinden mehr gepflegt werden sollen, sehr zeitgemäß ist. Als man im Jahre 1843 im Garten des von Braun bewohnten Hauses römische Gebäudereste mit Heizanlage entdeckte - wie Schreers berichtet - schrieb Braun eine „Darstellung der antiken Heizkunst und des römischen Hausbaues in den Rheinlanden“ und eine Abhandlung über „Die Kapitole“. Die Jahrbücher schrieben damals: „Es bleibt Brauns Verdienst, als Erster damals darüber geschrieben zu haben.“ Braun berichtet dabei auch über das große Verdienst der Hilfe bei der Erhaltung dieser Kapitole. Als um diese Zeit ein römisches Cohortenzeichen bei Wüstenrode (bei Stolberg) in der Nähe seiner Eifelheimat gefunden wurde, schrieb er die Abhandlung „Der Wüstenroder Leopard, ein römisches Cohortenzeichen“ (7). In bunter Fülle veröffentlichte Braun dann eine Reihe von archäologischen Arbeiten, die sich auch oft auf neue Funde in der Eifel beziehen und alle Gebiet der Altertumskunde umfassen: Architektur, Skulptur, Töpfereien, Glasgefäße, Münzen, Gemmen, Inschriften. Er war auch hier einer der ersten, die über diese Dinge aus der Vor- und Frühgeschichte der Eifel schrieben, betonte die historische Geographie und verlangte die Herstellung von Karten über das römische Wegenetz, und zwar auf der Grundlage der Generalstabskarten (Schroers). Seine Stärke war die sachliche Erklärung. Die Religionsgeschichte stand dabei im Vordergrund, z. B. in seinen Schriften: „Das Tempelbild im Brohltal“, „Herkuleskult“ und „Mithrasdienst“, die altchristlichen „Gräber zu St. Matthias“, die „Externsteine“, „Rätsel der Archäologie“, das „Remager Portal“.

Seine sagen- und legendenreiche Eifelheimat wies ihn immer wieder darauf hin, in Sage und Legende den historischen Kern zu entdecken. Ein Nachruf bei seinem Tode nennt ihn „eine wissenschaftliche Größe.“ „Das Schicksal seines Lebens hat seinen Namen verdunkelt“ (Schroers, S. 504). Das Ausland aber kargte nicht mit der Huldigung vor ihm: Die „Gesellschaft zur Erhaltung der historischen Denkmäler im Großherzogtum Luxemburg“ und der „Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens“ verliehen ihm die Ehrenmitgliedschaft. Das unter der Leitung des französischen Unterrichtsministeriums stehende Comité des travaux historiques et des sociétés savantes“ in Paris nahm ihn 1858 unter seine Mitglieder auf (1858) und der Herzog von Northumberland widmete ihm als Ehrengeschenk ein prachtvolles Kupferwerk.

Braun in seinem Verhältnis zu Kunst und Dichtung.

Vielleicht beginnt man diesen Abschnitt mit dem Ausspruch Brauns „Die Lage der Kathedralkirchen (1858) auf Anhöhen und an Bergabhängen ist ein Nachklang der Naturreligionen, die ihre Götter auf Bergen ehrten.“ Mit seinen „Arbeiten über Raffaels Disputa“ und „Die schwarzen Muttergottesbilder“ und seine persönlichen Beziehungen zur größten deutschen Dichterin, Annette v. Droste-Hülshoff. Seine Abhandlung über die „Disputa“ hat man damals eine „wissenschaftliche Tat“ genannt. Eine solche war es auch, als er für die unter seiner Führung und nach seinen Vorschlägen entstandenen berühmten Gemälde im Treppenhaus des Wallraff-Richartz-Museum zu Köln eintrat. (Leider wurden dieselben im zweiten Weltkriege vernichtet). Annette lernte er kennen im Hause des Vetters der Dichterin, des Bonner Professors Klemens v. Droste, der Brauns Freund war. Damals wußte man in Deutschland noch nichts von der glänzenden Dichtergabe der „scheuen Tochter Westfalens“. Braun erkannte als einer der Ersten „daß die deutsche Literatur nichts habe, was ihren psalmenartigen Gesängen würdig an die Seite gesetzt werden könne“ (Braun bei Schroers). Er gewann als Verleger für sie den berühmten Kölner Literatur- und Kunstkenner Dumont. Zum Dank erhielt Braun von Annette die Handschrift ihrer Gedichte: „Das Hospiz auf dem St. Bernhard“ und „Des Arztes Vermächtnis“. Nach dem Tode der Dichterin hat er gemeinsam mit Jungmann und Schlüter den zweiten Teil des „geistlichen Jahres“ herausgegeben. Annette hat sich erst nach vielen Bemühungen Brauns entschlossen, mit ihren Werken an die Oeffentlichkeit zu treten. Das war eine große literarische Tat Brauns, der selbst auch dichtete und mehr das Lehrgedicht und die Spruchdichtung pflegte in Sinngedichten, Epigrammen und Reimsprüchen. Geschichte und Naturbetrachtung regten ihn dazu an. Die Liebe zur Eifelheimat bot ihm im stillen Gronau mit ihren Blumen und Bauerngärten neuen Stoff. „Die Blumen sind die gemalten Anfangsbuchstaben in dem großen Buche der Natur und jede von ihnen ist unergründlich wie die Natur selbst“. (Am 8. Mai 1853). Braun schrieb ein „Seelengärtlein“ für ernstreligiöse Männer gebildeter Stände und, man muß sich in Anbetracht der damaligen Zeitumstände darüber wundern, eine „Erklärung des Meßritus“ und einen „Unterricht über die Feindesliebe“. Immer wieder bricht sein großer Heimat- und Familiensinn durch: Er verzichtet auf sein Erbteil zu Gunsten seiner Geschwister, behielt sich aber im elterlichen Hause ein Zimmer vor, wo er jährlich eine zeitlang wohnte (8). Braun war sein ganzes Leben lang von körperlichen Leiden heimgesucht. Umsomehr muß man die Arbeitsleistung des Mannes und seine ungebrochene Lebensfreudigkeit bewundern, schrieb 1837 Annette v. Droste-Hülshoff an Cardans (Briefe). Schroers schildert Braun als einen großen, kräftigen Mann, aber leiblichen Dulder, als eine stattliche und schöne Erscheinung mit reichem blonden Haar. Ende Juli 1863 stellten sich Brustkrämpfe (angina pectoris) ein, am 30. September setzte ein Schlagfuß seinem Leben ein Ende. Am 4. Oktober wurde er in Gey, wie er es gewünscht, in die heimatliche Erde gebettet. Ungewöhnlich zahlreiche Laien und, in Bonn wie in Gey, die gesamte Geistlichkeit folgten seinem Sarge (3).

So zog in diesen Zeilen an unserem Geistesauge das Bild eines heimattreuen Eifelers vorüber, der aus der Hochkultur der rheinischen Universitätsstadt immer wieder „in die liebe Gey“, - so nennt der Volksmund Gey - zurückkehrte, weil er fühlte, daß hier „die starken Wurzeln seiner Kraft lagen“. Hier war er im Gehege, so erklärt Caspers das keltische Wort Gey, in Wahrheit umhegt und gepflegt und genährt an der Mutterbrust der geliebten Heimat, da, wo man vor Jahren das mütterliche Bild der „Dea Ardbinna“, das heißt der „Göttin der Ardennen“ hier am „Eifeltor“ ganz in der Nähe seines Elternhauses aus dem Boden hob. Vielleicht erinnern sich die Wanderer der Eifelvereingruppen aus dem Dürener Land und die Dürener Heimat- und Volkskundler, wenn sie aus dem Monschauer Land über die Ausläufer der Nord-Osteifel herabsteigen in die Täler der Rur, der Kall und der Neffel auch des stillen Schläfers auf dem einsamen Friedhof der Gey und ihrer vornehmen Aufgabe der Pflege der Eifeler Volks- und Heimatkunde.

(1) Schroers: „Ein vergessener Führer der rheinischen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts“.

(2) A. Pohl: „Das Rätsel im Badewald, 1927“; „Zweitausendjährige Bauernkultur an Rur und Neffel, 53“; „Der Stein- und Schalenkult beim ältesten Turme des Dürener Landes 1932.“

(3) Schroers: „Joh. W. Jos. Braun.“

(4) Braun, „Deutschland und die deutsche Nationalversammlung 1849, Hensen, Aachen.“

(5) A. Pohl: „Der Butterpastor von Amel“ „Eifelkalender“ 1926 (Dechant Cremer).

(6) Diese Abhandlung hat mit Religionskampf und Parteipolitik nichts zu tun.

(7) A. Pohl: „Wo lag Cäsars Castell Aduatuka im Eburoennwald? - Die Schlacht bei Aduatuka - 1925, Euskirchen.

(8) Mitteilungen des damaligen Pfarrers Odenthal von Gey bei „Schroers“.





*) Editionsvermerk
Wohl gemeint sind Aufianische, Vesuniahenaenische und Sunuker (Sunuki) (=germ. Volksstamm mit starker keltischer Führungsschicht) Matronen. (Quelle: wikipedia.de)
Sunuxal oder Sunucsal oder Sunuxsal ist der Name einer westgermanischen Gottheit. Sie gilt als Stammesgöttin der Sunuker. Ihr Name wurde auf insgesamt zehn Inschriften am Niederrhein gefunden - u.a. in Varnenum bei Aachen-Kornelimünster, im Propsteier Wald bei Eschweiler, in Inden-Frenz, in Nideggen-Embken, in Heimbach, in Zülpich-Hoven, in Neuss-Gnadental (?), in Köln, in Bonn, in Remagen. (Quelle: wikipedia.de 11.5.2009)





Quelle: Dürener Lokal-Anzeiger Nr. 218 vom 21./22. September 1954
Sammlung Marliese Wintz, Kreuzau, Sammlung wingarden.de, H. Klein
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