Erdbrand bei Köln
Von Rektor Karl Wirtz, Eschweiler





Die Ausführungen des Herrn Dr. Spessart, Sinzig, unter obiger Überschrift in der Juli-Ausgabe Nr. 6 1950 „Die Eifel“ möchte ich nicht unwidersprochen lassen, da sie meiner Ansicht nach ein falsches Bild geben. Ich weiß nicht, ob dem Herrn Dr. Spessart die Abhandlung von van Alpen bekannt ist, die dieser im Jahre 1813 für den Mercue du departement de la Roer unter der Überschrift: De l'origine des bains d'Aise-la-Chapelle et des houilles d'Eschweiler et de Weisweiler in französischer Sprache abfaßte, Archivdirektor Richard Pick, Aachen, ein um die Geschichte der hiesigen Umgebung - Aachen - Eschweiler - hochverdienter Mann, verdeutschte die Abhandlung von van Alpen in dem Eschweiler Lokalblatte Jahrgang 1860. Sie enthält einen, wenn auch geringen, doch nicht unwichtigen Beitrag zur Geschichte Eschweilers und seiner nächsten Umgebung und wird vielleicht manchen der Leser interessieren. Die Übersetzung aus dem Französischen lautet: „Man findet in den Annalen des Tacitus eine Stelle, die über den Ursprung der Bäder zu Aachen und Burtscheid sowie der Steinkohlen von Eschweiler und Weisweiler zu handeln scheint. Er beschreibt nämlich einen furchtbaren Ausbruch unterirdischen Feuers, der allgemeine Verwirrung und Angst im Lande der den Römern benachbarten Juhoner verbreitet. Neben anderen Umständen bemrekt er, daß die brennenden Massen weithin umher und sogar bis zu den Mauern der neu gegründeten Kolonie geschleudert worden sind.

Diese merkwürdige Stelle findet sich im 13. Buche 7. Kap. der Annalen des Tacitus, wo es heißt:

Sed civitas Juhonum socia nobis, malo improviso adflicta est. Nam ignes, terra editi, villas, avva, vicos passim corripiebant ferebanturque in ipsa conditiae nuper Coloniae moenia. Neque extingui poterant; non, si imbres caderent, non fluvialibus aquis, ant quo al*o humore; donec inopia remedii et ira cladis, agrestes quidam eminus saxa jacere, dein, residentibus flammis, probius suggressi, ictu fustium, alliisque verbevibus, ut feras absterrebant, postremo tegmina corpori direpta injiciunt, quanto magis profana et usu polluta, tanto magis oppressura ignes.

Ins Deutsche übersetzt:
Aber das Land der
Juhoner, unserer Bundesgenossen, wurde von einem unvorhergesehenen Unglücke befallen. Denn aus der Erde kommendes Feuer ergriff stellen weise Landgüter und Dörfer, zerstörte die bebauten Äcker und dehnte sich bis zu den Mauern der kürzlich gegründeten Kolonie aus. Dasselbe konnte weder durch den fallenden Regen, noch durch das aus dem in der Nähe befindlichen Flusse geschöpfte Wasser ausgelöscht werden. Deshalb schleuderten einige der Bewohner, zur Verzweiflung gebracht, von weitem Steine gegen diese Feuermassen und als die Flamme sich zu vermindern anfing, näherten sie sich und trieben sie, gerade als wenn sie ein Wild gejagt hätten, mit Ruten und Stockhieben zurück. Dann zogen sie ihre Kleider aus und warfen sie auf das Feuer, in der Meinung, daß, je mehr sie ihre Kleider durch den Gebrauch abgenutzt und beschmutzt waren, sie um so mehr die Flammen austilgen würden.

Bei etwas genauerer Betrachtung dieser Stelle wird man finden, daß das Land der Juhoner das nämliche ist, welches die Ubier bewohnten, deren Gebiet sich bis zu der Stelle erstreckte, wo später die Stadt Aachen erbaut wurde. Die Spuren dieses unterirdischen Feuers sind noch sichtbar, die Steinkohlen von Eschweiler und Weisweiler, die warmen Quellen von Aachen und Burtscheid, alles dieses läßt schließen, daß der Ort, wo diese zerstörende Erscheinung, von der Tacitus spricht, zu Tage trat, die Stelle ist, wo jetzt Aachen, Eschweiler und Weisweiler liegt. Menso Albing zeigt klar in seinen Notizen zur Geschichte Süddeutschlands, daß das Land, welches in mehreren Ausgaben des Tacitus mit dem Namen Juhoner bezeichnet ist, nur eine Chimäre sein kann, daß dasselbe nie existiert hat und daß man anstatt Land der Juhoner „der Ubier“ lesen muß. In der nach dem Florenzer Manuskript bearbeiteten Ausgabe steht „der Biboner“; folglich weicht sie nicht viel von dieser Lesart ab, da nur an die Stelle des J ein B zu setzen wäre.

Unter der Herrschaft des Kaisers Augustus ereigneten sich große Veränderungen in Gallien und besonders in dem heutigen Belgien. Cäsar hatte große Mühe, den Rhein als Grenze zwischen Germanien und dem römischen Reiche aufrecht zu halten, und er gestattete den jenseits dieses Flusses wohnenden Völkern nicht, ihn zu überschreiten. Um sie in beständiger Furcht zu halten, ging er zweimal über den Rhein. Unter Augustus jedoch und seinen Nachfolgern ließen sich verschiedene germanische Nationen, selbst mit Zustimmung der Kaiser, in Gallien nieder. Die Ubier eroberten einen Teil des Landes, welches früher im Besitze der Eburonen gewesen war. Cäsar lobt die Ubier sehr; sie waren die einzigen von den jenseits des Rheines befindlichen Völkern, welche Abgeordnete an ihn geschickt hatten; sie schlossen einen Freundschaftsvertrag mit den Römern, um seine Stütze gegen die Beleidigungen zu haben, die ihnen von seiten der Sueven angetan worden waren (Caesar I c cap. IV).

Dieses Bündnis mit den Römern brachte die Ubier bei den übrigen Germanen in großen Haß und, um diesem zu entgehen, faßten sie den Entschluß, auszuwandern. Unter der Regierung des Kaisers Augustus erhielten sie die Erlaubnis, sich auf der linken Seite des Rheines niederzulassen. Sie begaben sich nun unter den Schutz des Marcus Agrippa, des Statthalters von Belgien, und gründeten eine Stadt, welche Agrippina, die Mutter Neros, in vielfacher Hinsicht verschönerte und deren Bevölkerung sie durch Verpflanzung einer Kolonie von italischen Veteranen bedeutend vermehrte. Diese neue Stadt der Ubier erhielt den Namen Colonia Agrippina und war in der Folge unter dem Namen Cöln bekannt.

Es ist einleuchtend, daß Tacitus bei den Woren, „daß die brennenden Massen bis zu den Mauern der neu gegründeten Kolonie geschleudert worden“, nicht an Colonie Agrippina oder Cöln dachte. Auch ist es unzweifelhaft, daß die Ubier eine bedeutende Nation gebildet haben und muß man vermuten, daß sie im Vergleich mit ihrer Niederlassung in Gallien ein Land innegehabt haben, das im Verhältnis zu der Einwohnerzahl dieser neuen Kolonie stand, die sich ebenso sehr nach Westen, wie nach Norden und Süden ausbreiten mußte. Mit gorßer Wahrscheinlichkeit kann man daher behaupten, daß dieses Land sich bis zu der Stelle erstreckte, wo später die Stadt Aachen erbaut wurde. Dann spricht Tacitus von einer anderen Stadt, deren Mauern und Tempel noch in der Inde zwischen Palandt und Lamersdorf im Kantone Eschweiler sichtbar sind. -

Das unterirdische Feuer, welches die Steinkohlen von Eschweiler und Weisweiler bildeten, konnte seine Feuermassen bis zu den Mauern dieser Stadt, die nur eine Viertel Meile von dort entfernt lag, schleudern. -


Eifellandschaft - Theo Felten, Köln

Die Ubier waren nicht die einzigen waren nicht die einzigen, die das alte Land der Eburonen in Besitz nahmen. Der Kaiser Augustus verpflanzte die Suniker, die Bethaser und einen Teil der Sigambrer zwischen Maas und Rhein. Sein Nachfolger Tiberius, schickte noch 40000 dazu. Diese besetzten unter dem Namen der Gugerner das Land von Roermonde bis nach Cuyk und von Uerdingen bis zu der Gegend, wo der Rhein sich spaltet, d. h. den Teil, den man heutigen Tages unter Cleve und Geldern begreift.

Überhaupt hat das ganze Land zwischen Maas und Rhein seine Gestaltung geändert. In der von Caesar veranstalteten Aufzählung der Völker Belgiens findet man weder die Tongerer und Bethaser, noch die Gugerner und Suniker. Auf der anderen Seite werden in den Werken des Plinius, des Tacitus und anderer späterer Geschichtsschreiber mehrere Völker übergangen, von denen Caesar in seinen Kommentaren spricht, wie die Eburonen, Caräser, Pämaner, Segner, Krondrusen und Aduatiker.

Weil nun die Tongerer in den Kommentaren Caesars nicht erwähnt, bei Plinius und Tacitus aber gefunden werden, so muß man annehmen, daß sie die ersten germanischen Völkerstämme waren, die sich in der zwischen den Schriften Caesars einerseits und des Plinius und Tacitus andererseits verfließenden Zeit in Belgien niederließen; eine Ansicht, die mit der Erzählung des Porcopius, daß die Tongerer durch Augustus nach Belgien verpflanzt worden wären, völlig übereinstimmt.

Ein Teil des Gebietes der Aduatiker wurde durch die Tongerer erobert, deren Hauptstadt „Aduatuca Tungrorum“ teilweise ihren Namen von dem alten Volke beibehalten hatte, an dessen Stelle sie getreten waren.

Alle Völker, welche den Rhein überschritten und sich in Belgien niederließen, begriff man im allgemeinen unter dem Namen der Tongerer und der Germanen.

Als Beweis dafür kann man einen Stein anführen, der im Jahre 1650 in Aachen gefunden wurde und von dem uns eine treue Abbildung die von M. Meyer herausgegebene Chronik der Stadt Aachen geliefert hat. Dieser Stein sowie die Inschrift auf demselben ist sehr verstümmelt, man findet darauf folgende Buchstaben:

Tell... CVM.. SVIS. TVRR.. BV.... ANTE CAESARIS.... IN GALL..AS...A D. VENT. M CIVITAS... AD. FOS.. FF.
Diese Inschrift hat man folgendermaßen gedeutet:
Castellum cum suis turribus.... ante Caesaris.... in Gallias adventum civitas Aduatuca fossam fecit.

Aachen war also die Grenze zwischen den Ubiern und den anderen Völkern und das unterirdische Feuer bildeten die Bäder von Aachen und die Steinkohlen von Eschweiler und Weisweiler.“ -

Soweit Picks deutsche Übersetzung der französischen Abhandlung des Geschichtsschreibers van Alpen.

Archivdirektor R. Pick äußerte sich persönlich dazu folgendermaßen:

„Es unterliegt keinem Zweifel, daß das vorerwähnte Ereignis, wenn es auf die in Rede stehende Gegend bezogen wird, am allerwenigsten als eine vulkanische Erscheinung gedeutet werden kann, nicht nur aus dem Grunde, weil in der ganzen Gegend weder Lava noch sonstige Projektile angetroffen werden, sondern vornehmlich auch deshalb, weil die vorfindlichen Kohlenlagerstätten ohne Zweifel ein Raub der Flammen geworden wären.

Schreibt man doch den Mangel an Steinkohlen in der Eifel lediglich der vulkanischen Tätigkeit zu, von welcher dorten noch so viele Spuren zu sehen sind. Auch deuten die Worte des Tacitus das Auslöschen der Flammen mit den Kleidern usw. nicht auf eine vulkanische Eruption hin. Der Ausdruck terra editi, passim corripiebant, ferebantur ist viel zu schwach und läßt eher eine Erklärung aus anderen Gründen zu. Eine doppelte Möglichkeit bietet sich uns hier dar. Zunächst wäre an einen Waldbrand zu denken, welcher bei der damaligen Gestaltung unseres Vaterlandes ganz in die Kategorie der Brände in den Prärien Amerikas gezählt werden müßte; dann aber liegt auch die Möglichkeit nicht so ferne, an ein In-Brand-gehen des unterirdischen Brennmaterials, mit welchem die hiesige Gegend so reichlich bedacht ist, zu denken, gleichviel nun, ob die Entzündung durch Blitzschlag oder andere Einwirkungen erfolgt. -

Rektor Karl Wirtz, Eschweiler.





Quelle: Die Eifel, Nr. 9, Oktober 1950
Sammlung Michael Peter Greven, Nideggen, Sammlung wingarden.de H. Klein
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