Caesars Atuatuca
Das Problem der Lokalisierung - Versuch einer Lösung
von Ludwig Drees





b) Die strategische Planung des Ausrottungsfeldzuges

Das neu bezogene Lager Atuatuca, wohin Cäsar das gesamte schwere Gepäck von neun Legionen hatte schaffen lassen, das er der Obhut einer weiteren Legion von Rekruten unter dem Befehl des Quintus Cicero anvertraute, sollte als Operationsbasis für den nun beginnenden systematischen Ausrottungsfeldzug dienen.

Um diese Strafexpedition vorzubereiten, hatte Cäsar den Eburonenkönig vorher von seinen Bundesgenossen isoliert, ehe er ihn selber angriff. Ambiorix war einem Bund der Treverer mit den rechtsrheinischen Germanen beigetreten (VI, 2,1-2) und unterhielt gastfreundschaftliche Beziehungen zu den Menapiern, seinen Nachbarn im Norden (VI 5,4). Daher unterwarf Cäsar die Menapier und erklärte ihnen, „er werde sie als Feinde behandeln, wenn sie Ambiorix und dessen Boten im Lande aufnähmen“ (VI 6,3). Gleichzeitig besiegte Labienus die Treverer, ehe noch deren germanische Bundesgenossen von jenseits des Rheins eingetroffen waren (VI 7-8) 97). Cäsar, der inzwischen zu Labienus gestoßen war, überschritt nun den Rhein, weil rechtsrheinische Germanen den Treverern diese Hilfstruppen geschickt hatten und um zu verhindern, daß Ambiorix sich dorthin flüchte (VI 9,3).

Die zweite Phase des strategischen Plans sah Operationen vom Mittelpunkt Atuatuca zur Peripherie des Eburonenlandes vor sowie solche von der Peripherie landeinwärts zum Mittelpunkt hin. Letztere wurden den Nachbarstämmen übertragen, die Cäsar aufforderte, das Eburonenland auszuplündern, „damit in den Wäldern eher das Leben der Gallier als ein Legionär gefährdet werde, zugleich aber auch durch die große Menge der rundum Herandrängenden Stamm und Namen dieser Volksgemeinde ausgetilgt werde. Schell und von allen Seiten fand sich eine große Anzahl Menschen dazu ein“ (VI 34,8-9). Über den Plünderungszug der rechtsrheinischen Sugambrer, der sich dann schließlich mit deren Überfall auf das Lager Atuatuca gegen die Römer selbst richtete, wird im „Gallischen Krieg“ ausführlich berichtet (VI 35-41).

Cäsar teilt das Operationsheer in drei Armeen, jede aus drei Legionen bestehend. Er selbst übernimmt das Kommando über eine dieser Armeen und unterstellt die beiden anderen dem Oberbefehl des Labienus und des Trebonius. Cäsar will nach sieben Tagen wieder zurück sein (VI 33,4), um der in Atuatuca als Besatzung und Troßwache verbleibenden Legion Getreide zuzuteilen. Die beiden anderen Heerführer sollten auf den gleichen Tag zurückkehren, falls es die Kriegsführung erlaube (VI 33,5), um dann gemeinsam mit ihm über weitere Maßnahmen zu beschließen.

„Nach der Teilung des Heeres erhält Titus Labienus den Befehl, mit drei Legionen gegen den Ozean hin zu marschieren in jene Landesteile, die an die Menapier grenzen“ (ad Oceanum versus in eas partes, quae Menapios attingunt VI 33,1). „Den Gaius Trebonius schickt er mit der gleichen Anzahl Legionen zu jener Gegend hin, die an das Land der Atuatuker grenzt, um sie zu verwüsten“ (ad eam regionem, quae Atuatucis adiacet, depopulandam mittit VI 32,2). „Er beschließt, selber mit den drei verbleibenden Legionen zum Scheldefluß hin zu marschieren, der in die Maas mündet, und zu den äußersten Enden des Ardennerwaldes, wohin Ambiorix dem Vernehmen nach mit einigen Reitern geflohen war“ (ipse ... ad flumen Scaldim, quod influit Mosam, extremasque Arduennae partes ire constituit, quo cum paucis equitibus profectum Ambiorigem audiebat VI 33,3).

Die Menapier saßen zur Zeit Cäsars „vom französischen Departement du Nord über den flämischen Teil des heutigen Belgien bis auf das rechte Rheinufer Gelderlands hinüber 98). Hier erstreckt sich ihr Siedlungsgebiet von der Rheinmündung bis etwa zur deutsch-niederländischen Grenze 99). Die Marschrichtung des Labienus führte folglich nach Nordwesten.

Die Grenze der Atuatuker zu den Eburonen läßt sich nicht genau bestimmen, wir wissen nur, daß sie zwischen den Eburonen im Osten und den Nerviern im Westen siedelten (V 38,1-2), etwa im Gebiet zwischen Sambre und Maas und in der Umgebung von Namur 100). Die allgemeine Marschrichtung des Trebonius war also der Südwesten.

Anmerkungen

97) S. oben S. 30.

98) RÜGER (Anm. 89), S. 32.

99) Diese Tiefenstaffelung wird von S. J. DE LAET (Les limites des cités des Ménapiens et des Morins, in: Helinium 1, 1961, S. 22-24) verworfen, der die Grenze der Menapier nicht so weit rheinaufwärts festlegt, sondern auf einen der Zusammenflüsse von Waal und Maas bei Fort-St.-Andries oder Gorinchem zurücknimmt. Damit würde die Grenze der Eburonen im Norden stark nach Westen in Richtung auf die Küste hin verschoben. Diese Grenzziehung ist jedoch abhängig von der Lokalisierung der Schlacht Cäsars gegen die Usipeter und Tenktherer 55 v. Chr. Vgl. die Diskussion hierüber bei HOLMES (Anm. 1). S. 695-706.

100) Vgl. MERTENS (Anm. 14), S. 4. Siehe auch unten S. 54.


c)
Das Problem der Schelde als Marschziel Cäsars





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