Kölnische Rundschau Beilage Nr. 3, März 1948



Die Eiszeit im Erftland
Von E. Vaessen (Horrem)

In der Geschichte unserer Erde folgt der Tertiärzeit das Quartär, das vierte der geologischen Erdzeitalter, das sich in das Diluvium oder die Eiszeit und die bis heute reichende Nacheiszeit gliedert. Zur Braunkohlenzeit existierten die Flüsse, unserer Heimat noch nicht. Als aber nach dem Absatz der Basisschichten auf der Strecke von Bingen bis Bonn infolge Verwerfung ein Graben einbrach, war es den Gewässern des Südens in Zukunft möglich, durch diese Rinne abzufließen. So bildete sich dann zu Beginn des Pliozäns ein Pliozäner Urrhein. Dieser und das sich mit ihm entwickelnde Flußsystem waren es, welche die Oolithschichten in unsere Bucht transportierten. Die oberen Lager dieser Oolithbänke gehören aber bereits dem Diluvium an und rühren von dem frühdiluvialen Rhein her, der etwa von Bonn an durch die Erftebene floß. Man findet seine weißen Sande mit den schönen rundlichen Milchquarzkieseln von Nußgröße beim Bahnhof Horrem an der Südseite der Bahnline Köln - Aachen (Grube Winter).

Zur Zeit des älteren Diluviums war es dem Rhein infolge des flachen Geländes der Niederrheinischen Bucht leicht möglich, seinen Lauf zu ändern, da er dort noch kein eigentliches Bett hatte. Seine damaligen Ablagerungen bildeten die sogen. Hauptterrasse. Dagegen hatte er sich im mittleren Diluvium bereits ein eigenes, tieferes, aber noch immer breites Bett auf der Mittelterrasse gegraben. Dieser Talboden wurde in seiner Mitte zur Zeit der Niederterrasse weiter vertieft.

Das Diluvium war eine Zeit der Klimaverschlechterung und infolgedessen lagen das Alpengebiet und auch der Norden Europas unter einem mächtigen Eispanzer begraben. Jedoch war die Kälte nicht ständig von gleicher Stärke, sondern es wechselten wärmere Zeiträume mit kälteren Zwischeneiszeiten periodisch ab. Die Dauer der ganzen Eiszeit kann auf 600.000 Jahre veranschlagt werden.

Das Gebiet unserer Niederrheinischen Bucht wurde von der Vereisung nicht betroffen. Zur Saaleeiszeit rückten die skandinavischen Gletscher am nächsten heran und trugen ihre Moränen bis zu einer Linie Krefeld - Düsseldorf - Mülheim/Ruhr. Dabei können kleinere Eisströme aus dem vergletscherten Hohen Venn bis zum Ostrande unseres Gebietes herangereicht haben.

Die Diluvialzeit war auch eine Epoche der Landschwankungen; der Wechsel der Bodenneigungen verursachte das mannigfaltige Spiel der Flußverschiebungen.

Im Spätpliozän erfolgte die erste Landschwankung, durch die unsere Bucht ein östliches und nordöstliches Gefälle bekam. Die Maas floß damals auf deutschem Gebiet von der Aachener Gegend über Hambach südöstlich von Jülich bis in die Nähe von Bedburg und Grevenbroich. Der Rhein wich östlich aus. Während der rheinischen Hauptterrassenzeit, also im älteren Diluvium, erhielt unsere Bucht durch die zweite Landschwankung ein nordwestliches Gefälle. Dementsprechend pendelte jetzt die Maas nach Nordwesten. Inzwischen war der Rhein am weitesten westlich vorgerückt und dabei bis zu einer Linie von Rolandseck über Meckenheim, Rheinbach, Euskirchen, Zülpich, Kelz, Frauwüllesheim, Norddüren, Aldenhoven, Geilenkirchen bis nach Maeseyck vorgedrungen, wo er die Maas erreichte. Mit seinen Schottern überlagerte er alle die früher von der Maas abgesetzten Schichten. Dieser alte Rheinstrom durchbrauste unser Gebiet als Vorläufer der Erft. Man kann erst dann die durch unsere Erftniedrung fließenden Gewässer als Erft bezeichnen, nachdem der Rhein zur Zeit der Mittel- und Niederterrasse immer mehr an ein eigentliches Bett gefesselt war. Dies geschah, nachdem die Niederrheinische Bucht durch eine dritte Landschwankung ein nördliches Gefälle erhalten hatte. Während die Rur im älteren Diluvium dem heutigen Neffelbach nachrückte und dann jenseits dieses Baches in einem frühdiluvialen Rhein mündete, lief sie jetzt dem jüngeren Rhein zu, den sie bei Altdorf erreichte. Der Neffelbach wurde im ersten Stadium zum Nebenfluß der Rur, später aber floß er in die sich aus dem alten Rhein entwickelnde Erft.

Dem kalten Klima der Eisvorstöße entsprach eine kärgliche Pflanzenwelt. Dagegen war der eisfreie Gürtel zwischen dem nordischen Eis und dem Gletscherbereich der Alpen der Lebensraum einer reich entwickelten Tierwelt. Darunter gab es mehrere Rhinozeros- und Elefantenarten, wozu als größeres Landsäugetier das Mammut gehörte. Eigens dem kalten Klima paßten sich an der Höhlenlöwe und Höhlenbär, das wollhaarige Nashorn, das Renntier und der Moschusochse. In unserem Erftlande wurden 1921 auf dem Zieselsmaarer Braunkohlenfeld „Kohlenquelle“ Reste vom Mammut, Riesen- und Höhlenlöwe gefunden.

Zum ersten Male trat im Diluvium der Mensch in die Erscheinung. Die bekannteste und unserer Heimat am nächsten gelegene diluviale Fundstelle menschlicher Knochenreste lag im Neandertal bei Düsseldorf.

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