Das Bergland als Mischtiegel mit wechselvollen Entwicklungen

Heimatgeschichtliche Zusammenhänge - Auf den Spuren der verschiedensten Volksgruppen

Von Franz Heid


Neben den Städten Köln und Trier sowie dem Ruhrgebiet ist die Eifel Deutschlands Bevölkerungsmischtiegel mit den stärksten Wechselimpulsen. Das Bergland westlich des Rheines zwischen Deutschland und Frankreich hatte zu allen Zeiten eine der wechselvollsten Bevölkerungsentwicklungen. Die Mischkonzentration ist je nach Lage innerhalb der Eifel von Dorf zu Dorf verschieden. Der echte Eifeler ist weitgehend ein Mischblut, ein Produkt der erlebten Heimatgeschichte. Viele Kennzeichen sind an der plattdeutschen Mundart, an Aussehen, Temperament und Verhalten der Eifelbevölkerung abzulesen. Es gibt den durchschnittlichen Eifeler Menschen nicht; trotzdem kann man behaupten: Er ist mittelgroß bis klein von Gestalt, hat dunkle Haare und Augen, ist zäh, selten krank, wird alt, ist geizig und mißtrauisch, ist sehr religiös und konservativ, ist ehrgeizig und feiert doch gern, er liebt das Geheimnisvolle, hat viel Temperament und zeigt teilweise schon ein südländisches Verhalten. Es gilt die heimatgeschichtlichen Zusammenhänge aufzuzeigen, die zu dieser Bevölkerungsmischung führten, und die Spuren zu verfolgen, welche die verschiedensten Volksgruppen in dem uralten Siedlungsgebiet hinterließen.

Die Menschengruppen, die als erste in den Epochen der Urgeschichte als „Homo“ bezeichnet in den Höhlen des Kartsteins bei Eiserfey im Veytal, im Buchenloch bei Gerolstein und in der Genovevahöhle bei Trier vorübergehend hausten und Schutz suchten, lebten in der mittleren Altsteinzeit vor 100.000 bis 30.000 Jahren. Es sind dies die ältesten Spuren des Menschen in der Eifel, die nur durch Funde von bearbeiteten Steinwerkzeugen und Knochenresten nachgewiesen werden konnten. Sie werden nach dem Fundort eines teilweisen Knochengerüstes im Jahre 1856 im Neandertal bei Mettmann in der Nähe von Düsseldorf „Neandertaler“ oder „Altmenschen“ genannt. Klimageschichtlich fällt ihr Leben in die Epoche der Würm-Eiszeit. Diese Menschenart, die noch keine Sprache, starke Augenwülste, gebückten Gang hatte und nur von der Jagd lebte, ist aus unerklärlichen Gründen (Krankheiten, Seuchen, Feinde) restlos ausgestorben.

In der Jungaltsteinzeit - vor 30.000 bis 10.000 Jahren - drang von Osten ein Jägervolk in die Eifel ein und löste den Neandertalermenschen ab, den es wahrscheinlich vernichtet hat. Diese Menschen besaßen höhere geistige Fähigkeiten als ihre Vorgänger und sind als „Homo sapiens“ die Urahnen der Jetztmenschen. Sie lebten von der Jagd, sammelten eßbare pflanzliche Nahrung und vegetierten nach den Funden so wie ihre Vorgänger in den Kartsteinhöhlen, in der Buchenlochhöhle sowie in der Magdalenahöhle bei Gerolstein, in Freilandwohnplätzen bei Lommersum, bei Neuwied-Gönnersdorf und auf dem Martinsberg bei Andernach. Steinzeitmenschen rasteten um 12.000 v. Chr. an den Katzensteinen zwischen Mechernich und Satzvey. Ihr Aufenthalt an den Wohnplätzen war schon von längerer Dauer.

Von 10.000 bis 4.000 v. Chr. war am Ende der Eiszeit die Mittelsteinzeit, inder es vorübergehend wesentlich wärmer wurde; es kam zu der sogenannten Eifelzivilisation. Die Menschen lebten von der Jagd, vom Fischfang, vom Früchtesammeln und machten die ersten Anfänge des Pflanzenbaues. Sie bevorzugten als Wohnplätze die Bach- und Flußniederungen; die Werkzeuge und Waffen verraten mehr Sorgfalt und Einfallsreichtum. Um 9.000 v. Chr. erlebten sie noch die jüngsten Ausbrüche der Eifelvulkane.


Bemalte keramische Erzeugnisse

Um die Mitte des 5. Jahrtausends v. Chr. wanderten aus Böhmen und Süddeutschland Völker in die Eifel ein, die in der Jungsteinzeit bis 2.000 v. Chr. als Bandkeramiker bezeichnet werden, weil sie bemalte keramische Erzeugnisse schufen. Sie entwickelten die ältesten Ackerbaukulturen und wurden seßhaft mit festen Häusern. Die Bandkeramiker besiedelten als Bauern die fruchtbaren Böden des Maifeldes und der nördlichen Voreifel. Die Neusiedler rodeten auf den guten Böden den Eichenmischwald und bauten rechteckige Häuser etwa fünf Meter breit und 30 Meter lang. Weitere Einwanderer aus Mitteldeutschland werden als Rössner-Zivilisation und die aus Süddeutschland als Michelsberger-Zivilisation bezeichnet. Ihnen folgten aus Nordfrankreich und Belgien die Glockenbecherleute, die schon minderwertigere Böden in den Höhenlagen der Eifel besetzten, sehr kriegerisch waren, sich aber mit den bereits anwesenden Siedlern vermischten. Funde von Wohnsiedlungen dieser Menschen wurden bei Mayen Plaidt und Urmitz bei Andernach entdeckt. Die Völker der jüngeren Steinzeit bedienten sich einer indoeuropäischen Ursprache.

In der Bronzezeit von 2.000 bis 1.000 v. Chr. benutzten die Siedler in zunehmendem Maße Geräte aus Kupfer und dann aus Bronze, die sie im Handel erwarben und später selbst anfertigten. Nun wurden auch weitere Teile des Berglandes der Eifel besiedelt.

Von 1.000 bis 800 v. Chr. wanderten aus Jugoslawien die Urnenfelder-Leute ein, die ihre Toten verbrannten und in Urnen beisetzten. Sie drangen mit Kind und Wagen aus dem Elsaß über das Saargebiet in die Südwesteifel ein. In Kobern (Kreis Koblenz-Mayen) und in Aldenhoven (Kreis Düren) wurden Gräber aus dieser Zeit freigelegt.

Bis 700 v. Chr. tauchten weitere Völkergruppen als Kolonisten aus dem mitteldeutschen Raum auf; unter anderem die Laufelder Gruppe, denen der Gebrauch von Eisen für die Herstellung von Waffen und Werkzeugen bekannt war. Bei Hillesheim (Kreis Daun) wurde ein Eisenschmelzofen dieser Zeit, der Hallstattzeit, ausgegraben.

Um 650 v. Chr. drangen aus dem Donauraum rothaarige, großtypige Völker, die Kelten über den Mittelrhein und stießen in Richtung Eifel, Belgien und Gallien vor. Die Besiedlung der Eifel verstärkt sich; in langsamen Vorrücken wurde nun auch das Gebirge einbezogen. Die Kelten gaben den Bächen, den Flüssen und Siedlungen Namen. Sie gruben in Mechernich nach Blei und in Schmidtheim nach Eisen und verstanden, die Erze zu schmelzen. In Kreuzweingarten fand man von den Keltenstämmen der Eburonen und Tolliates Spuren von Siedlungen mit Wallanlagen.

Der Vorstoß germanischer Völker aus dem Nord- und Ostseeraum um 450 v. Chr. zum Landerwerb über den Niederrhein zielte verstärkt in die nördlichen Gebirgsausläufer der Eifel und vereinzelt bis zur Mosel. Der Stamm der ripuarischen Franken mischte sich mit den Kelten und Ureinwohnern; sie huldigten dem Kult der Müttergottheiten, dem Matronenkult.

Als der römische Prokonsul Julius Cäsar im Jahre 58 v. Chr. in Gallien eindrang, lebten in der Nordeifel die Eburonen, in der Südeifel die Treverer, in der Mitteleifel (Prüm) die Caerosi und in der Westeifel die Belgen. Der Vinxtbach bildete etwa die Grenze zwischen Eburonen und Treverer; dabei wurde der Anteil germanischen Blutes kleiner, je näher man zur Mosel kam. Der germanische Einfluß wuchs stärker, weil die Germanen laufend den Rhein zu Beutezügen überschritten. Im Jahre 53 v. Chr. vernichtete der Eburonenfürst Ambiorix von Treverern unterstützt, eineinhalb römische Legionen, die in seinem Gebiet (Nordwesteifel - Hohes Venn) überwinterten. Als Strafe dafür löschte Cäsar bis auf wenige Versprengte den Stamm der Eburonen aus.

Kaiser Augustus sicherte das Römerreich bis zum Rhein. Er ließ durch seinen Freund Agrippa im Jahre 38 v. Chr. den römerfeundlichen fränkischen Stamm der Ubier, die an der Sieg wohnten, in das entvölkerte Gebiet der Eburonen südlich der Linie Köln - Aachen bis zum Vinxtbach in der Eifel ansiedeln. Die Römer machten den Eifelraum zu ihren Provinzen: Germania inferior mit der Hauptstadt Köln, Germania superior mit der Hauptstadt Mainz und Belgica mit der Hauptstadt Trier. Sie bauten ihre Militärstraßen, die Römerstraßen, von Trier über Bitburg, Gerolstein, Jünkerath, Marmagen, Zülpich und weiteren Nebenstraßen mitten durch die Eifel, die nun durch Soldaten, Händler und Handwerker zu Schneisen südlicher Völker aus dem Mittelmeerraum wurden. All diese Menschen strebten zu den Grenzstationen an den Rhein, und es kam unterwegs an den Pferdewechselstationen und Bewachungspunkten der Römerstraßen in der Eifel zu zwischenmenschlichen Beziehungen.

Die Romanisierung der Eifel in fast 500jähriger Römerherrschaft erreichte in den südlichen und westlichen Orten der Eifel sowie in den Stützpunkten am Rhein ihre größten Fortschritte. Die Römer nahmen ihre Hilfstruppen und später ihre regulären Soldaten aus der einheimischen, gemischtgermanischen Bevölkerung, die genau wie ihre Soldaten aus den Südländern (Italiker, Griechen, Syrer) nach 25 Dienstjahren einen Siedlungshof auch in der Eifel erhielten. Es waren regelrechte Veteranenansiedlungen oder Kolonienhöfe. Als der Römer Titus im Jahre 70 n. Chr. Jerusalem zerstörte, fanden auch Juden den Weg in die Eifel. Während des Bataveraufstandes 70 n. Chr. und bei den Kämpfen in der Eifel blieben viele germanische Soldaten zurück.


Raub, Plünderung und Zerstörung

Als um 450 n. Chr. die Hunnen aus dem Osten nach Westen vorrückten, durchbrachen fränkische Stämme die römische Rheinfront, besetzten 459 n. Chr. Köln und anschließend die Eifel. Es kam in den folgenden Jahrzehnten zu Raub, Plünderung und Zerstörung, führte aber dann zu einem langsamen Wiederaufbau; einzelne römische Siedlungen blieben erhalten. Die Urbevölkerung, vermischt mit Germanen und Römern sowie weiter einwandernden Südländern, verschmolz allmählich zu den neuen Nationen der Francia im Westen und Deutschen im Osten.

Die christliche Religion fan nach dem Edikt von Mailand durch Kaiser Konstantin im Jahre 313 n. Chr. und dem Übertritt des Frankenkönigs Chlodwig zum Christentum im Jahre 496 n. Chr. vorerst nur in den Städten und Stützpunkten Eingang. In den Eifelsiedlungen konnte das Christentum erst durch die Missionierung der Klöster Prüm, Echternach und Malmedy im 6. und 7. Jahrhundert sich endgültig durchsetzen. Diese Klöster wurden die Lehrmeister der Eifelbauern. Die Römer und das Christentum brachten der Eifelbevölkerung viele Lehnwörter aus der lateinischen Sprache.

Karl der Große hatte von 768 bis 814 seine Residenz in Aachen, hielt seine Jagden öfter in den Eifelwäldern ab und hatte hier Pfalzen in Vlatten, Conzen, Flamersheim, Büllingen und Manderfeld.

Die Eifel kam bei der Teilung des Reiches im Jahre 870 zuerst zu Lotharingen und dann zum Herzogtum Lothringen des Ostfrankenreiches Deutschland. Im Westfrankenreich (Francia = Frankreich) sprach man ein abgewandeltes Latein und im Ostreich Deutschland eine volkstümliche (tiodesk) Sprache, das Altdeutsch. Die deutsche Sprachgrenze verschob sich weiter westlich der heutigen bundesdeutschen Grenzen.

Um 880 verwüsteten die Normannen Trier, Prüm und weitere Orte der Eifel, ohne eine zusätzliche Volksmischung zu bewirken.

Während der Kreuzzüge in der Zeit von 1100 bis 1200 kommt es zu schweren Judenverfolgungen.

Von 1180 bis 1200 holte der Graf von Heimbach, der auch Edelherr im Lüttichgau ist, Wallonen für den Blei- und Eisenerzbergbau in die Nordeifel; das ist weitgehend der Ursprung der Dörfer Schützendorf, Lückerath und Voissel. Auf den Straßen treiben die Raubritter ihr Unwesen. Die Kreuzritter bringen die Pestseuche mit, an der um 1349 ganze Dörfer verelenden; es kommt deshalb erneut zu Judenverfolgungen.

Als die Franzosen 1635 in den 30jährigen Krieg eingreifen, wird auch die Eifel mit Mord, Plünderungen und Quälereien überzogen. Die Hexenprozesse um 1640 fordern besonders im Raume Reifferscheid viele Opfer. Tausende Protestanten aus Aachen, Lüttich, Luxemburg und Hugenotten aus Frankreich müssen fliehen; sie siedeln sich um Schleiden, Monschau und Gemünd an. Im Jahre 1689 verbrennen und zerstören die französischen Truppen Ludwigs 14. die Dörfer, Städte und Burgen des Rheinlandes; fast alle Burgruinen in der Eifel stammen aus dieser Zeit. Da die deutschen Edelherren die französische Kultur nachahmen, gehen weitere französische Wörter in das Sprachgut der Eifelbevölkerung ein.

Im 7jährigen Krieg 1756 bis 1763 durchziehen französische und spanische Soldaten plündernd die Eifeldörfer und nehmen für längere Zeit Quartier. Als die französischen Revolutionstruppen Napoleons 1794 das Rheinland besetzen, ist es der Beginn einer 20jährigen Eingliederung der Eifel in den französischen Staat. Das Eigentum von Kirche, Adel und Klöstern wird meistbietend verkauft. Französische Sprache und Napoleons Recht werden in der Eifel eingeführt, und damit gehen erneut französische Wörter in den plattdeutschen Sprachschatz der Eifel ein.

Im Jahre 1815 kommt die Eifel zu Preußen. Die Jahre 1816, 1819 und 1846 werden wegen den extremen Witterungsbedingungen in der Eifel zu regelrechten Hungerjahren; dazu kommt die Choleraseuche und später die Pocken. Die einzelnen Familien haben sechs bis zehn Kinder; die Kindersterblichkeit steigt auf 30 bis 32 Prozent. Mit dem Erliegen der Eisenindustrie durch Mangel an Holzkohle, fehlende Transportmöglichkeiten (Eisenbahn) und zu geringe Eisengehalte der Erze wird die Not in der Eifel erneut sehr groß; man spricht von „Preußisch Sibirien“. Als die Eisenbahn 1865 bis 1870 kommt, ist es zu spät. Viele Menschen wandern in die Städte an Rhein und Ruhr. Die Stadt Köln erhält laufend den größten Teil des Nachzuges an Bevölkerung aus der Eifel.

Der verlorene 1. Weltkrieg 1914 - 1918 bringt in den letzten Kriegsjahren und in den ersten Nachkriegsjahren Armut, Not und Hunger. Die Sieger, erst Engländer, dann Kanadier, Franzosen, Belgier mit farbigen Einheiten besetzen bis 1926 die Eifel, nehmen Quartier und halten Manöver ab. 1923 vergrößerte die große Inflation mit Notgeld erneut die Armut. Separatisten (Sonderbündler) besetzen Dörfer, um die Macht zu erlangen, das Rheinland an Frankreich abzutreten; die Bevölkerung wehrt sich wie in den Bauernkriegen. Dann kommt Hitler, der in der Eifel nicht viele Gesinnungsgenossen finden kann; die Arbeitslosigkeit steigt auf ungeheure Zahlen.

Der 2. Weltkrieg fordert noch mehr Blutopfer als der Krieg von 1914. Viele Dörfer der Westeifel werden zum Schlachtfeld. Nach dem Krieg erscheinen die Flüchtlinge aus den deutschen Ostprovinzen auch in den Eifeldörfern, sie erreichen nach Abschluß der Zwangswanderung die Größe von 7 Prozent der vorhandenen Bevölkerung. Die Flüchtlinge werden zuerst abgelehnt, aber im Verlauf der nächsten Jahre vollkommen integriert.

Um 1960 werden in den größeren Orten und Städten der Eifel Arbeitskräfte aus Italien, Spanien, Jugoslawien und später aus der Türkei angesiedelt, deren Familien folgen. Wird es in weiteren Jahren zwischen den Einheimischen und den Gastarbeitern auch zu Blutsmischungen kommen? 1972 erfolgt eine kommunale Neugliederung der Kreiseinteilung. Die Bevölkerungsentwicklung in der Eifel zeigt, daß die Menschenzahl von 1805 bis 1890 langsam fortlaufend ansteigt, dann bis 1945 stetig abfällt und seitdem wieder ansteigt.

Das heutige Bild der Eifelbevölkerung ergibt im Mittel: 83 Prozent Katholiken, 17 Prozent Protestanten; 12. Prozent Bauern, 18 Prozent Handwerker, 25 Prozent Arbeiter, zehn Prozent Gewerbetreibende, 13 Prozent Beamte, 22 Prozent Angestellte, 60 Prozent CDU-Wähler, 33 Prozent SPD-Wähler und Sieben Prozent F.D.P.-Wähler.


Quellenangabe

Franz Petri und Georg Droege: Rheinische Geschichte
Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern
Eberhard Orthbandt: Illustrierte Deutsche Geschichte

aus Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1984

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