Das Rheinische Freilichtmuseum in Kommern vor der Eröffnung
von Dr. Adelhart Zippelius

Vor zwei Jahren zuletzt wurde im Heimatkalender des Kreises Euskirchen über das Rheinische Freilichtmuseum in Kommern berichtet. Damals war es die Freunde und die Genugtuung darüber, daß Kommern als Standort für das Museum gewählt wurde, die uns die Feder führte. Und wir mußten uns seinerzeit darauf beschränken, die Bedeutung des Museums und seine Aufgaben zu schildern und über die Planung und das künftige Aussehen der Museumsanlagen zu sprechen.


Baustelle „Eifeldorf“ im Freilichtmuseum.
Im Vordergrund die Scheune aus Breitscheid b. Adenau (16. Jh.) vor dem Richtfest.

Inzwischen sind für die Museumsleute zwei Jahre angestrengter Arbeit vergangen, einer Arbeit, deren Ergebnisse bei der Eröffnung eines Teilabschnittes des Museums im Sommer dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen. Wenn wir heute darum erstmals auf die vergangene Aufbauzeit zurückblicken und uns dessen erinnern, wie wir uns damals den Aufbau vorgestellt haben, so dürfen wir sagen, daß an der Planung und dem „Terminkalender“ im großen und ganzen festgehalten werden konnte. Nur in einem haben wir uns geirrt: Wir mußten in diesen zwei Jahren eine viel größere Zahl von Bauten abbrechen und nach Kommern überführen, als wir uns ursprünglich als Jahresdurchschnitt vorgenommen hatten. Zeitweise wurden wir sogar von unaufschiebbaren Abbruchunternehmungen förmlich überrollt: So wurden bis zum Ende des Jahre 1960 schon 26 Einzelbauten abgebrochen und nach Kommern gebracht (im Endzustand soll das Freilichtmuseum rund 60 Bauten beherbergen). Was dies heißt und welche Arbeitsleistung hinter dieser Zahl steht, vermag nur der zu ermessen, der Gelegenheit hatte, einem solchen Abbruch einmal zuzusehen. Nach genauer Aufmessung und Aufzeichnung wird Holz für Holz nach Entfernung der Holznägel sorgfältig aus dem Fachwerkverband gelöst und herausgenommen, jedes Stück wird numeriert und schließlich nach Kommern gebracht. Und hier mußten wir infolge der schnellen Folge der Abbrüche immer wieder neue Lagerräume schaffen, denn es vergehen oft Jahre, bis der eine oder andere Baum zum Wiederaufbau in Museumsgelände heransteht.


Abbruch der Bockwindmühle von Spiel (Kr. Jülich) aus dem 17. Jh. Deutlich sichtbar der „Königsständer“ mit Sattelhölzern u. „Hammerbalken“

Aus allen Teilen der ehemaligen Rheinprovinz haben wir diese Bauten heranbringen müssen, oft mußten weite Transportstrecken in Kauf genommen werden: Von der eifel und vom Niederrhein, aus dem Bergischen Land, vom Westerwald und vom Mittelrhein, denn überall geht die Zerstörung der alten ländlichen Baudenkmäler im gleichen Maße und im gleichen Tempo vor sich. Dabei handelt es sich bei den für den Wiederaufbau im Freilichtmuseum geretteten Bauten nur um einen ganz kleinen Teil dessen, was Tag für Tag landauf landab einer neuen Wohnkultur, dem Straßenbau, der Industrialisierung und vor allem der Technisierung der Landwirtschaft zum Opfer fällt. Das Museum in Kommern hat keine unbegrenzten Möglichkeiten, und wir müssen unter den von der Vernichtung bedrohten Bauten in sorgfältiger und gewissenhaften Auswahl diejenigen aussuchen, die als kulturgeschichtlich besonders wertvolle Denkmäler die Bau- und Wohnweise einer bestimmten Landschaft, eines bestimmten Zeitraumes und einer bestimmten sozialen Gruppe besonders klar und beispielhaft für viele andere repräsentieren.

Es ist verständlich, daß angesichts der Zahl der Abbruchunternehmungen der Wiederaufbau im Museumsgelände zeitweilig zurückstehen mußte, wenngleich wir uns bemühten, auch beim Wiederaufbau die vorgesehene Planung einzuhalten. Der Museumsbesucher wird sich später nur schwer ein Bild davon machen können, welch vielfältige Arbeit in jedem Einzelfalle mit dem Wiederaufbau eines Fachwerkhauses verbunden ist. Wenn es wiederaufgebaut und mit aller Inneneinrichtung vor ihm steht, dann wird dies alles wie selbstverständlich aussehen, und niemand wird noch daran danken, daß jedes einzelne Holz vorher in den Werkstätten viele Arbeitsgänge durchlaufen mußte, ehe der Bau aus den Einzelteilen wieder zum Ganzen zusammengefügt werden konnte. Oberster Grundsatz in einem Freilichtmuseum ist die Bewahrung der originalen Bauteile, denn das Museum wird ja eben dafür errichtet, den Denkmälern der ländlichen Baukultur Schutz zu geben, sie zu erhalten für die Nachwelt in einer Zeit, in der gemeinhin nicht mehr die Möglichkeit besteht, die Denkmäler am ursprünglichen Ort zu schützen. Auf der anderen Seite sollen diese Bauten nicht nur für wenige Jahre im Museumsgelände mehr oder weniger notdürftig ihr Dasein fristen:

Wie jedes in musealen Gewahrsam genommene Denkmal müssen sie so aufgebaut werden, daß sie für Jahrzehnte und Jahrhunderte, solange überhaupt dies menschenmöglich ist, Bestand haben und von vergangenen Kulturepochen Zeugnis ablegen können. Die Bewahrung der originalen Bauteile und damit ihres eigentlichen Denkmalwertes einerseits, die bautechnischen Bedingungen für ein möglichst langes Fortbestehen andererseits, diese beiden Forderungen zwingen uns in jedem Einzelfalle immer wieder zu sorgfältiger Prüfung aller einzelnen Bauglieder. Durch chemische Behandlung werden die Hölzer gegen Schädlingsbefall und gegen Witterungseinflüsse geschützt, bereits angegriffene Stellen müssen gehärtet werden. Verfaulte, ausgewitterte und brüchige Stellen werden durch genau eingepaßte und wieder druck- und zugfeste Anschaffungen ergänzt und ersetzt. Bei alledem muß selbstverständlich die alte Zimmerungstechnik angewandt werden. Wie für die Bauten selbst, so gelten die gleichen Grundsätze auch für deren Inneneinrichtung, nur daß hier die Gegenstände durch die Hand des Restaurators noch vielfältigere Arbeitsgänge erfahren. Und so wird es denn am Ende sein: „Der Bau wird dem Besucher so „selbstverständlich“ gegenüberstehen, daß die Hand der Museumsleute kaum zu spüren sein wird.


Mühle von Spiel im Museumsgelände wiederaufgebaut.

Was werden wir unsern Besuchern im Sommer 1961 nach der Eröffnung zeigen können?

Vorab muß die Windmühle aus Spiel (Kr. Jülich) genannt werden. Als eine der letzen Bockwindmühlen im Rheinland wurde die baufällige Mühle schon 1958 unter der Leitung von Mühlenbaumeister Laasch aus Sudwalde (Bez. Bremen) in rund 15 Arbeitswochen abgebrochen und im Museumsgelände wieder aufgebaut. Weithin sichtbar steht sie seitdem am leicht abfallenden Westhang, nahe der höchsten Kuppe unseres Geländes. Mit ihren ältesten Teilen noch aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts stammend, instandgesetzt schon früher einmal gegen Ende des 18. Jahrhunderts und erneut im Laufe des 19. Jahrhunderts, wird sie bis zur Aufstellung weiterer Windmühlen anderen Typs noch lange den Hauptanziehungspunkt unserer Besucher und vor allem für die Schuljugend bilden.


„Wohnstallhaus“ von Scheuerheck, Kr. Euskirchen, aus dem Jahre 1711 nach dem Wiederaufbau im Freilichtmuseum Kommern.

Die zweite Baustelle liegt an dem Platz, wo die Baugruppe „Eifel und Köln-Bonner Bucht“ entsteht. Hier haben wir ein Gehöft aus Scheuerheck (Kr. Euskirchen) wieder aufgebaut. Es besteht aus dem in der Nordeifel weithin verbreiteten „Wohnstallhaus“ (Wohnung, Stall und Speicher unter einem Dach) aus dem Jahre 1711, der zugehörigen Scheune etwas jüngeren Datums und einem Bienenhaus. Bergseitig gegenüber fand - ihrer früheren Lage genau entsprechend - eine Scheune mit angebautem Stallgebäude aus Breidscheid (Kr. Ahrweiler) ihren Platz. Der Bau stammt noch aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und stellt hinsichtlich seines Alters und seiner Konstruktion ein baugeschichtlich besonders wertvolles Denkmal unseres Museums dar. Ihm folgt auf der Hangseite unseres „Eifeldorfes“ ein Gehöft aus Binzenbach (Kr. Ahrweiler). Wohnhau, Stall und Doppelscheune sind im Winkel angeordnet. Scheune und Wohnhaus sind datiert, sie stammen aus den Jahren 1673 und 1686; gegenüber Scheuerheck werden die Unterschiede in der Konstruktion und in der Form des Gehöftes deutlich sichtbar.

Wie am früheren Standort, so liegt auch jetzt wieder dieser Hof in reizvoller Hanglage. Auf der Mitte des kleinen Dorfplatzes steht die Dorfkapelle aus Schützendorf (Kr. Schleiden) aus dem Jahre 1783. Es handelt sich um ein kleines bescheidenes Bauwerk, wie es vordem fast in jedem Dorf der Nordeifel zu sehen war. Die genannten Gebäude werden bis zur Eröffnung fertig eingerichtet für die Besucher freigegeben werden können. Hinzu kommen noch einige weitere Bauten, die bis dahin im Rohbau bzw. im Aufbau besichtigt werden können. So steht zunächst ein Wohnhaus aus Bonn-Kessenich aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts, ein größeres, zweigeschossiges Wohnhaus aus Bodenbach (Kr. Mayen) aus dem 17. Jahrhundert und schließlich das erste Gebäude der niederrheinischen Gruppe, ein Hallenhaus aus Viersen zum Wiederaufbau heran. Dann werden noch zwei weitere größere Hofanlagen im Eifeldorf folgen. Neben fertigen und eingerichteten Bauten wird der Besucher auf diese Weise auch jederzeit die Einzelheiten beim Wiederaufbau der Bauten verfolgen können.

Außer den Bauten selbst und ihrer Inneneinrichtung galt unsere Arbeit auch der Gestaltung der Siedlungs- und Bauflächen. Wie bei den ersten Siedlern in vergangener Zeit mußte mit der Rodung der für die Bauten vorgesehenen Flächen begonnen werden, Straßen und Wege, der Dorfteich, Blumen- und Obstgärten mußten angelegt werden. Wir möchten die Bauten nicht einfach beziehungslos und isoliert nebeneinanderstellen, sondern mit ihrer ganzen zugehörigen, eben „richtigen“ Umgebung und planvoll zu einem Ganzen geordnet zur Wirkung bringen. So soll der Besucher den Eindruck haben, ein altes Dorf unserer rheinischen Heimat mit allem Drum und Dran zu betreten, versetzt in eine längst vergangene, ferne Zeit.

Und es werden sicher viele Besucher unserem Ruf folgen, darum ist uns nicht bange. Allein in dem regenreichen Jahre 1960, und obwohl das Museum noch nicht eröffnet war und die Werbung noch nicht anlaufen konnte, hatten schon über 30.000 Besucher die Gelegenheit benutzt, um unsere Aufbauarbeiten zu sehen.

(Fotos und Zeichnung: Rheinisches Freilichtmuseum Kommern.)

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1961

© Copyright 2003 Kreisarchiv - Der Landrat
© Copyright wingarden.de 2003
Zum Keltendorf Wingarden ©