Aus dem Rheinischen Freilichtmuseum in Kommern
Von Dr. Adelhart Zippelius

In den Jahren 1957 und 1958 wurde oft recht leidenschaftlich diskutiert, an welchem Ort im Rheinland ein Freilichtmuseum am zweckmäßigsten eingerichtet werden könne. Es erhoben sich damals nicht wenige Stimmen gegen das von der Gemeinde Kommern angebotene Gelände: Es sei zu abgelegen von den Gebieten größter Bevölkerungsdichte, die Verkehrslage sei überdies ungünstig und gewiß werde sich diese Lage auch entsprechend ungünstig auf die erwünschte hohe Besucherzahl des Museums auswirken. Diesen Einwänden gegenüber zeigten wir einigen Optimismus. Wir glaubten vielmehr, daß gerade die „abgelegene“ Situation inmitten einer so unberührten und schönen Landschaft einen besonderen Anreiz für den Museumsbesucher sein werde.

Die bisherige Entwicklung hat unseren Optimismus bestätigt. Das Museum wurde m 20. Juli 1961 eröffnet und offiziell zum Besuch freigegeben, und im ersten Jahre, das heißt bis Ende Juli 1962 haben wir nicht weniger als rund 60.000 Besucher unser Tor passiert - Besucher vorwiegend aus den großen Städten unseres Landes. Mit einer so hohen Zahl schon im ersten Jahr wurden unsere Erwartungen weit übertroffen. Und es wurde wieder einmal mehr bestätigt, daß auch vom Besucher her gesehen die Wahl von Kommern als Standort für das Museum durchaus gerechtfertigt war. Es ist eben so, daß der Städter heute einen Museumsbesuch lieber mit einigen Stunden der Erholung in schöner Landschaft und guter Luft verbindet.

Dabei muß bedacht werden, daß das Museum selbst noch immer im Anfangsstadium des Aufbaus steht und noch längst kein auch nur annähernd abgerundetes Bild zeigen kann von dem, wie es einmal im Endstadium aussehen wird. In diesem Heimatkalender wurde in den letzten Jahren regelmäßig über unsere Aufbauarbeiten berichtet und es wurde wiederholt darauf hingewiesen, wie sehr unser eigentlicher Aufbau im Museumsgelände noch zurückstehen mußte hinter den unumgänglichen Abbruch-Unternehmungen im ganzen rheinischen Land. Immer wieder mußten wir unsere Arbeiten im Gelände unterbrechen, um gefährdete wertvolle Baudenkmäler nach Kommern zu überführen, um sie hier vorerst „auf Lager“ zu nehmen. So war es auch wieder im abgelaufenen Jahre 1962: Erneut mußten wir in mühevoller und zeitraubender Arbeit eine größere Anzahl von Bauten auf solche Weise sicherstellen. Bauten vorwiegend aus der Eifel und aus dem Bergischen Land. Ohne unser Eingreifen wären sie heute sang- und klanglos verschwunden. Dabei handelt es sich in jedem Einzelfalle um kulturgeschichtlich besonders wertvolle Baudenkmäler und um ausgesprochen beispielhafte Vertreter einer bestimmten Hausform. So haben wir seit dem Beginn unserer Arbeiten im Herbst 1958 schon insgesamt 44 Bauten abgebrochen und nach Kommern gebracht, mit ihnen sind bereits etwa zwei Drittel der für das Museum vorgesehenen Baudenkmäler sichergestellt.


Abb. 1 - Das Fachwerkgerüst des Hauses aus Bodenbach (Kreis Mayen)

Trotz dieser Schwierigkeiten sind wir aber auch mit dem Wiederaufbau im Museumsgelände ein gutes Stück weitergekommen. Wie in den ersten Jahren, so waren auch im vorigen Jahre unsere Arbeiten auf die Baugruppe „Eifel und Köln - Bonner Bucht“ konzentriert. Der Besucher steht jetzt hier dem bislang schönsten und größten Fachwerkhaus dieser Baugruppe gegenüber, dessen Richtfest wir im Sommer nach altem Brauch begehen konnten. Das zweigeschossige Gebäude mit besonders schön ausgebildetem Giebel (Abb. 1) stammt aus der Zeit um 1680 und stand ehemals in Bodenbach (Kreis Mayen), einem kleinen Fleckchen halbwegs etwa zwischen Adenau und Daun. Wie so viele alte Baudenkmäler, so mußte auch dieses Gebäude am alten Standort einer Straßenverbreiterungen weichen und konnte noch in letzter Stunde von uns sichergestellt werden. Das im Grund wiederaufgebaute und wie noch in den 20er Jahren jetzt erneut mit Stroh gedeckte Bauwerk wird im Sommer zum Besuch freigegeben werden können. Im Gegensatz zu den übrigen wieder aufgestellten und schon eingerichteten Bauten aus Scheuerheck, Binzenbach und Bonn-Kessenich mit jeweils nur zwei bis vier Wohnräumen zeigt die Innengliederung des Bodenbacher Hauses nicht weniger als acht Wohnräume auf zwei Geschosse verteilt. Es ist damit ein besonderes gutes Beispiel für die auch früher schon recht unterschiedlichen Besitzverhältnisse und die damit verbundene starke soziale Staffelung in den Eifeldörfern.


Abb. 2 - Blick auf die Baugruppe „Eifel und Köln-Bonner Bucht“

Begonnen wurde weiter mit dem Wiederaufbau eines Gehöftes, das wir in Brenig (Landkreis Bonn) im Vorgebirge zwischen Bonn und Köln schon vor etwa zwei Jahren abbrechen konnten. Unweit des künftigen Dorfweihers steht bereits die ungewöhnlich große Scheune, und in der nächsten Zeit werden auch das zugehörige Wohnhaus, sowie Torhaus und Stallgebäude wieder aufgerichtet werden. Die ganze Anlage stellt einen vierseitig geschlossenen Hof dar, eine Hofform, wie sie sich vornehmlich im ausgehenden 17. und vor allem im 18. Jahrhundert in unserem Gebiet vielfach herausgebildet hatte. Zu einer ähnlichen Anlage gehört ein Wohnhaus mit Torgebäude aus Elsig (Kreis Euskirchen), das ebenfalls in diesem Jahre wieder aufgebaut werden soll. Während sich auf solche Weise die Baugruppe „Eifel und Köln-Bonner-Bucht“ allmählich wirklich zu einem kleinen Dorf zusammenschließt (Abb. 2), galt unsere Aufmerksamkeit vor allem der Inneneinrichtung der wieder aufgebauten Gebäude. Es gibt wohl keinen Besucher, der beim Rundgang durch die Herdräume, Stuben und Kammern noch die vielfältige und mühevolle Arbeit ermessen kann, die auch hier mit jeder kleinsten Einzelheit vom Sammeln, Inventarisieren und Magazinieren, vom Restaurieren, Reinigen und Ergänzen bis zur Wiederaufstellung am richtigen Platz verbunden ist (Abb. 3). Schüsseln, Teller und Krüge stehen wieder in der alten „Schöttelsbank“ neben dem Milchschrank und dem Klapptisch im Herdraum.


Abb. 3 - Stube im Haus Scheuerheck

In den Stuben blickt der Besucher in das alte Himmelbett mit Strohsack und handgestrickter Überdecke, und in der Ecke tickt die Uhr wie ehedem und schlägt Stunde um Stunde, so, als ob die Bewohner nur für einen Augenblick das Haus verlassen hätten.

Die meisten bauten, die wir in das Freilichtmuseum brachten, waren bereits seit einiger Zeit vom Leben verlassen und nicht mehr bewohnt. Es sind jetzt Museumsstücke geworden, mit anderen Worten museale Denkmäler. Damit beginnt für sie ein neues Leben, wenn man so sagen will. Aus dem intimen Kreis von Familie und alter Dorfgemeinschaft sind sie auf die Bühne getreten, vor die Öffentlichkeit: Ein Stück von unserem Erbe, ein Teil von der Vergangenheit, aus der wir kommen. Und wir wünschen uns und ihnen, daß ihre Sprache verstanden wird und daß das Verstehen über die Neugier hinausführt zur Ehrfurcht, die wir ihnen schuldig sind.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1963

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