Zeitweise auch
gebetet |
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Von Peter Weber |
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So sah man sie in der Vergangenheit über die Straßen ziehen: Voran der Kreuzträger oder die Kreuzträgerin, flankiert von Fahnen oder Wimpeln mit Heiligenbildern, dann jung und alt, aufrecht oder gebeugt, frische und gefurchte Gesichter. Heute sind sie seltener geworden: Die Wallfahrer. Sie scheuten Strapazen und Unbill nicht, wenn es darum ging, ihren oder ihre Heiligen zu verehren. Mehr und mehr haben Bus- und Autofahrer die Fußwallfahrer verdrängt. Die Beschwerlichkeit und der Zeitverlust; viele trauen sich das heutzutage nicht mehr zu. |
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In den Dörfern um den Michelsberg an der Wasserscheide nordwestwärts von Schuld und nicht weit von Bad Münstereifel richtete man es möglichst so wein, daß man in der Michelsoktav an einer Wallfahrt teilnehmen konnte. Wer dann seine Kartoffeln schon geerntet hatte, zählte zu den Frühen, hatte Hilfe oder war wegen der geringen Anbaufläche nicht auf fremde Arbeitskräfte angewiesen. Zudem war das Wetter um diese Jahreszeit oft nicht sehr freundlich und das Aushacken der Kartoffeln mit dem Karst beschwerlich und wenig verlockend. Dagegen war das Garbenbinden bei der Getreideernte direkt ein Vergnügen, obwohl man mit der Sense mähte und mit der Sichel ablegte. So machten sich also eines Tages in der Michelsoktav auch Jungen aus der Nachbarschaft auf den Weg zum Michelsberg. St. Michael stand hoch im Kurs, denn in der Nähe der Kapelle gab es ja Verkaufsstände und Buden. Wenn man auch mangels Taschen- und Zehrgeld, das meist für Fähnchen, Kerzen, Bildchen, Leckereien und anderes für die Daheimgebliebenen bestimmt war, nicht viel kaufen konnte, so war es für die Jungen doch eine willkommene Abwechslung. Ihre Verpflegung in einem Rucksack auf dem Rücken und mit vielen Aufträgen und Ermahnungen versehen, zogen sie also los. Es soll nicht verschwiegen werden, daß zeitweise unterwegs auch gebetet wurde. |
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Der Namenspatron, der heilige Michael |
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Zunächst ging es über den sogenannten Marktweg nach Münstereifel, um landwirtschaftliche Produkte zu verkaufen oder Bedarfsgüter einzukaufen. Der Weg führte über den Martheler Steg, eine schmale Balkenbrücke, an Marthel vorbei in Richtung Blindert. Diese Dörfer zählten schon zum sogenannten Jülsch, weil sie ehemals zum Herzogtum Jülich gehörten. Auf diesem Weg konnte man hier und da noch letzte Zwetschgen oder Äpfel auf den Bäumen sehen, und die Konzentration auf den Zweck der Wallfahrt fiel manchen schwer. Doch noch beherrschte man sich und dann, nachdem man hinter Blindert einen größeren Walddistrikt hinter sich hatte, sah man wieder den Michelsberg mit der Kapelle, die weithin sichtbar über die Landschaft ragt. Am Fuß des Berges führte einst eine Römerstraße - von Trier kommend - nach Bonn vorbei. Der Gipfel des Berges trug eine römische Warte. In der Frankenzeit diente der Berg als Gerichts- und Opferstätte. Der heidnische Kult erlosch im 800, und nur der unweit gelegene Ort Mahlberg deutet auf den ehemaligen Malberg hin. Im Jahre 1224 wurde auf dem Berg eine Kapelle erbaut. Graf Karl von Manderscheid-Gerolstein übergab 132 die Kapelle den Jesuiten von Münstereifel. Diese förderten besonders die Michaelsbruderschaft und die Wallfahrten zum Berg. Heiliger Michael mit dem Schwert, hau' die Düwel an de Erd! So unterstellten viele Landbewohner damals ihre Seele dem besonderen Schutz des Heiligen. |
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Doch zurück zu den Jungen, die nach ein paar Stunden Fußmarsch an der Kapelle anlangten, sich den Auflagen unterzogen, ihre Anliegen vortrugen und an der Andacht teilnahmen. Sie besuchten die Stände, hielten Brotzeit, kauften Andenken und erlebten eine neue fremde Welt: Die vielen Menschen, Gruppen, Prozessionen, die Stände, die man sonst nur von der Kirmes kannte, und das Abenteuer der Fremde. Dann war es Zeit, sich auf den Heimweg zu machen. Man konnte zwar nichts mehr versäumen, trug Kerzen, Fähnchen, Bildchen, Waffeln im Rucksack, aber man wollte unterwegs Zeit haben. Man war ja jung, dachte an Streiche und hatte die lockenden Früchte noch nicht vergessen. Also über die Straße an der Wasserscheide und durch den Wald in Jülicher Ländchen. Und da waren in einer Talmulde auch schon die Obstbäume. Wer hätte ohne Kostprobe vorbeigehen können! Und der Appetit kam übers Essen. Warum sollte man nicht die Rucksäcke mit den Früchten füllen? Zwar waren da Mitbringsel drin, doch konnte das niemand davon abhalten. Im Eifer des Gefechts übersah einer der Jungen jedoch, daß er auch Knallerbsen gekauft hatte, mit denen er zu Hause andere erschrecken wollte. So vollgepackt ging es dann sorglos in Richtung Heimatdorf; bis plötzlich ein Mann auftauchte. Er sah die prallen Rucksäcke und lief mit Geschrei hinter ihnen her. Die kleinen Wallfahrer rannten los, so schnell sie konnten, doch die Last der Früchte war schwer und der Verfolger kam immer näher. Nur nicht erkannt werden! Das hätte daheim etwas abgesetzt. |
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Den Angstschweiß auf der Stirn ging es mit letzter Kraft dem schützenden Walde zu. Doch dann gab es einen Knall und noch einen - und immer mehr. Durch die Erschütterung beim Laufen krachte nun eine Knallerbse nach der anderen, und der erboste Verfolger rief, während der überrascht stehen blieb: Nun schießen die auch noch! Er mißdeutete die Ursache des Knallens. Die Jungen liefen bis zum Wald, warfen ihre Rucksäcke ab und bogen sich vor Lachen. Sie lagen auf dem Bauch und der Spaß wollte kein Ende nehmen. Nachdem sie dann ihre Freudentränen getrocknet hatten, gelangten sie schließlich ungeschoren nach Hause. Wenn einer der Beteiligten, Schreinermeister Johann Raths, diese Geschichte in seiner Werkstatt oder in Gesellschaft erzählte, dann hatte er die Lacher auf seiner Seite, und ein Stück Jugendzeit und Dorfleben aus dem Eifeldorf der Vergangenheit wurde wieder lebendig. |
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