Kultur und Natur im Einklang




Deutsch-Luxemburger Naturpark
- erschienen in der Reihe: Erlebnis-Wandern, Lust auf Natur - von Ulrich Siewers im Verlag Lempertz, Bonn - © Copyright Lempertz, Siewers -






Spurensuche auf dem Ferschweiler Plateau








Die Beschreibung einer Wanderung auf dem Ferschweiler Plateau gehört zu den „Standardübungen“ eines jeden Eifel-Wanderbuchautors. Das liegt mit Sicherheit daran, dass es kaum einen reizvolleren Ort gibt, der auf begrenztem Raum so viele touristisch interessante und kulturhistorisch wertvolle Sehenswürdigkeiten bietet.

Die Faszination muss sich bereits im Steinzeitalter herum gesprochen haben, denn die Spuren der menschlichen Besiedlung aus dieser Zeit sind noch heute sichtbar. Der Grund für diese Anziehungskraft heißt damals einfach Sicherheit. Die knapp acht Kilometer lange und vier Kilometer breite Naturfestung profitiert auf drei Seiten von Mauern aus Fels. Lediglich die Nordwestflanke bildet eine Schwachstelle. Dazwischen liegen zwar nicht besonders fruchtbare Äcker, aber der lockere Sandboden lässt sich mit einfachen Geräten wie dem Hackstock leicht bearbeiten. Die frühen Siedler roden also die Buchen- und Eichenwälder und betätigen sich als sesshafte Bauern. Das öffentliche Leben in den kleinen Siedlungsgemeinschaften bestimmen weise Frauen. Frauen kümmern sich um den Familienverband, bestellen die Felder und sammeln Früchte des Waldes. Die Männer jagen truppweise in den umliegenden Wäldern oder ziehen zum Fischen in die Täler. Sie fertigen die Werkzeuge zur Rodung der Wälder, zur Feldbestellung und für die Jagd. Dann erscheinen eines Tages wild aussehende Gesellen auf dem Plateau. Ihre Anführer sitzen auf Pferden und sie besitzen Waffen aus Metall, die den Jagdwaffen und Knüppeln der Plateaubewohner weit überlegen sind. Sie nennen sich selbst „Kelten“ und haben bereits einen langen Weg aus den Ländern der aufgehenden Sonne hinter sich. Fortan bestimmen sie, was auf dem Plateau geschieht. Damit ihnen niemand dieses Vorrecht nehmen soll, verstärken sie die offene Nordwestflanke durch künstliche Hindernisse, die sie im Lauf der Zeit immer mehr verbessern und ausbauen. Dann tauchen eines Tages wieder andere Männer auf. Sie zeichnen sich durch besondere Disziplin aus und tragen alle mehr oder weniger die gleiche Kleidung. Sie geben sich ziemlich hochnäsig und behaupten, aus einem Land südlich der Alpen zu kommen, dessen Herrscher ein gewisser Kaiser in Rom sei. Im großen und ganzen sind sie friedlich und siedeln an den Hängen in den Tälern der Flüsse. Die Römer verschwinden nach einer Weile wieder daher, wo sie hergekommen sind und das Leben auf dem Plateau geht irgendwie weiter. Dann kommen eines Tages wieder Männer. Sie behaupten, es gäbe nur einen einzigen Gott und finden, dass alle Bewohner des Plateaus derselben Meinung sein müssten. Wer sich ihrer Überzeugung anschließt, wird in Wasser getaucht und gilt fortan als Christenmensch. Die Bewohner bauen dem einzigen Gott Kirchen und Kapellen. Und in seinem Namen zahlen seitdem ihren jeweiligen Herren redlich Pacht und Abgaben. Über dem Rest der Geschichte des Plateaus legen sich seitdem die Nebel des Vergessens. Und dann kommen die Wanderbuchautoren.

Ja, so oder ähnlich könnte die Geschichte in groben Zügen abgelaufen sein. Das Geheimnis des Ferschweiler Plateaus lernen wir am ehesten kennen, wenn wir es einmal durchwandert haben. Die Jahreszeit spielt dabei keine Rolle.

Wir marschieren früh morgens vom Parkplatz oberhalb der Jugendherberge und des Hotels Ritschlay hinauf bis zum Kneippbrunnen im Wald (31). Nach rechts geht es dann auf dem alten Karrenweg zunächst ein kurzes Stück bergab in östlicher Richtung bis zum Tennisplatz und dann nach links den Hang aufwärts (6). Unter dem schützenden Kronendach der Buchen ist es morgens noch recht kühl. Schon bald säumen mächtige Felsblöcke den Weg. Einer, ein paar Meter rechts vom Weg, fällt durch seine eigenartige Form auf. Im oberen Teil haben gläubige Menschen eine grottenartige Nische eingearbeitet und eine Madonnenfigur hineingestellt und auf dem dachähnlichen Fels ein Kreuz angebracht. Der Ort wird die „Bildcheslay“ genannt und dient früher als Steinbruch. Um den Einstieg in den Felsenpfad (33) nach links zu finden, müssen wir genau aufpassen. Die Passage führt unmittelbar unterhalb der Felswand entlang und ist deutlich markiert. Gefahrenstellen sind außerdem durch Geländer gesichert. Bei feuchter Witterung muss man ein wenig aufpassen, wo man hin tritt. Gut 20 Minuten sind wir auf schmalem Pfad durch die grandiose Kulisse der „Oossenlaai“ gelaufen, als wir ein kleines, offenes Plateau erreichen. Hier heißt es aufgepasst! Wir wählen den Pfad halb rechts am oberen Hangsaum (Ausschilderung 33 beachten). Unser nächstes Ziel ist die „Wolfsschluff“, eine schmale Passage mitten durch einen massigen Felsbrocken. Ein paar Meter weiter machen wir eine seltsame Entdeckung. Eine mächtige Felsplatte am Weg, im Volksmund „Ritschlay“ genannt, weist zwei eigenartige Gleitfurchen auf, die deutlich von Menschenhand stammen. Ähnliche Spuren findet man auch im Prümtal und auf Luxemburger Gebiet in der Nähe von Consdorf. Woher sie stammen, ist bis heute nicht exakt geklärt. Die naheliegendste Theorie vertritt Dr. Ernest Schneider in seinem1939 erschienen Buch Material zu einer archäologischen Felskunde des Luxemburger Landes. Danach könnte es sich bei diesen Vertiefungen um Schmelzausläufe aus Lehmöfen handeln, in denen in vorchristlicher Zeit Bronze hergestellt wurde. Die Lage am Plateaurand erhärtet die These, denn in der Laténe-Zeit nutzen die Bronzehersteller die dort auftretenden Luftströme, um die Holzkohleglut in ihren aus Lehm gebauten „Windöfen“ zu unterhalten. Ist der Schmelzvorgang beendet, öffnet man den Ofen und lässt die flüssige Bronze durch Rinnen in vorgefertigte Hohlformen fließen. Die Tatsache, dass sich innerhalb und beiderseits der steinernen Rinnen, wie auf den übrigen Steinpartien üblich, weder Moose noch Flechten ansiedeln, lässt diesen Schluss (nach Überzeugung d. Verf.) durchaus zu. Aus der Bauchemie ist bekannt, dass Kupfersulfat ein gängiges Mittel ist, um Moos- und Algenbildung auf Mauern und Dächern zu verhindern. Die Vorstellung, mitten in einer antiken Werkstatt zu stehen, gefällt uns.






Weiter geht es am aufgelassenen Steinbruch vorbei, wo noch immer mächtige Sandsteinblöcke auf den Abtransport warten. Im 19. Jahrhundert besteht eine rege Nachfrage nach dem qualitativ hochwertigen Steinen aus Bollendorf. Sie werden z. B. für den Bau der Fassade der Nationalbank in Brüssel verwendet. Mangels geeigneter Transportmittel, etwa der Eisenbahn, kommt die einst blühende Steinindustrie zum Erliegen.

Wir überqueren den asphaltierten Weg, der aus dem Tal von Bollendorf kommend in Serpentinen hinauf zum Waldsportplatz führt. Wir folgen der Ausschilderung „Fraubillenkreuz“ auf dem Felsenpfad (33). Unser nächstes Ziel ist die „Sonnenlay“, ein herrlicher Aussichtsfelsen hoch über dem Tal des Franzbachs. Nachdem wir uns aus dem Rucksack gestärkt haben, wandern wir weiter. Zunächst geht es bergab in ein kleines Tal und dann rechts hinauf durch den Fichtenwald zum „Fraubillenkreuz“.

Die Ritschlay - Überreste einer antiken Bronzeschmiede ?






Was hat man nicht alles über diesen alten Hinkelstein (Menhir) fabuliert. Plausibel scheint die Namensdeutung, die Arnold Metzen recherchiert hat. Der Flurname aus dem Jahr 1588 „Fra(w) Bil(len) – Creutz“ setzt sich aus dem gotischen* / keltischen fra: die Herrin [s. auch fro / fron (althochdeutsch): der Herr] und dem keltischen** bhilo = gut, freundlich [gehört zum indogermanischen Sprachstamm z. B. griechisch: filos oder irisch / gälisch: bil = gut (vergl. im Hochdeutschen: billigen = gut heißen, billig = geziemend, gut oder auch Unbill = Ungutes)]. Der Monolith könnte demnach frei übersetzt „Unserer lieben Frau“ (franz.: notre dame) gewidmet gewesen sein. Das liegt durchaus nahe, denn ähnliche Monolithen, die vor allem im unteren Bereich typisch weibliche Formen mit einer stark ausgeprägten Vulva aufweisen (wie beim Fraubillenkreuz deutlich erkennbar), gibt es zahlreich in Europa und tragen ähnliche Namen. Sie sind Zeugen vergangener, mutterrechtlicher Gesellschaftsformen. Ein weiteres Indiz für diese Annahme ist eine stark verwitterte Ritzzeichnung über der Vertiefung am Fuß des Monolithen. Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die kultische Darstellung des Lebensbaumes, der aus dem Schoß der Frau (Mutter Erde) entsprießt. Das Kreuz und die kleinen Nischen werden vermutlich erst im 9. Jahrhundert im Rahmen der Christianisierung aus dem Stein gehauen.






Vom Fraubillenkreuz wandern wir nun in nördlicher Richtung auf dem breiten Weg (A) zur „Wikingerburg“, jener künstlichen Verteidigungsanlage, die eingangs erwähnt wurde. Die bei den Grabungen der vergangen Jahre gefundenen Brandspuren und Artefakte belegen, dass an dieser Stelle schon während der Bronzezeit (12. / 11. Jh. v. Chr.) ein Wallkörper besteht. Dieser wird im Laufe der Geschichte immer wieder ergänzt und verstärkt. Der irreführende Name Wikingerburg, so ergibt die Recherche von Arnold Metzen, stammt sehr wahrscheinlich vom keltischen Ausdruck ikobur (keltisch: ik = stark und bur = Befestigungswall). Außer einem Haufen Steine ist von der einst mächtigen Schanze nicht mehr viel übriggeblieben. Deshalb folgen wir dem Wegweiser in Richtung „Schankweiler Klause“.

Der Weg (A) führt an einem Hügelgräberfeld vorbei und nach zwei Kilometern taucht vor uns die barocke Wallfahrtskirche der „Mutter vom guten Rat“ auf. Schon 1596 entsteht unweit der Kirche zwischen den Felsen die erste Einsiedelei. 1648 errichtet der Eremit Johann Seelmeyer aus dem Elsass ein Kapellchen. Nachdem der Zulauf der Bevölkerung immer größer wird, baut man von 1732 – 1734 eine größere Kapelle. Der Bau der heutigen Wallfahrtskirche erfolgt nach den Plänen des Tiroler Baumeisters Josef Dangel in den Jahren 1760 – 1762. Der Hochaltar enthält als Mittelpunkt des barocken Ensembles das Gnadenbild der Hl. Maria, das auf ein Original von Lukas Cranach dem Älteren zurückgeführt wird. Jahr für Jahr pilgern mehr als 10000 Gläubige an diesen wundertätigen Ort, um ihre Fürsprache für die Sorgen und Probleme des Alltags zu erbitten. In der angebauten Klausnerei lebt noch bis 1934 der Bruder Alfons als letzter Eremit. Auch wer nicht unbedingt zu den Kirchgängern zählt, wird die wohltuende Atmosphäre dieses Ortes zu schätzen wissen.

Zeuge einer vergangenen, mutterrechtlichen Gesellschaft - das Fraubillenkreuz


Unweit der Gnadenkapelle schlummert seit mehr als 2000 Jahren ein Geheimnis in Form einer vorgeschichtlichen Ritzzeichnung im Fels. Diejenigen, die den genauen Ort kennen, werden ihn nicht verraten, um Vandalismus vorzubeugen. Es handelt sich dabei um die stark symbolisierte Abbildung einer Frau, die in der rechten Hand einen Grabstock (Hacke) trägt. Experten ordnen diese Symbolik eindeutig einer mutterrechtlichen Gesellschaft (Matriarchat) zu. Gibt uns dieses „Hackmütterchen“ (Metzen) einen Hinweis auf die Bewohner des Plateaus vor der Kelteninvasion? Steht die Gnadenkapelle an einem schon immer heiligen Ort und besteht eine Verbindung zum „Fraubillenkreuz“?


Nachdenklich verlassen wir den eindrucksvollen Ort. Ein kurzes Stück bleiben wir auf dem Fahrweg nach Süden, um nach wenigen Metern wieder rechts dem Wegweiser Richtung „Fraubillenkreuz“ (7) zu folgen. Von dort geht auf dem breiten Fahrweg bis zum nächsten Wegekreuz. Hier marschieren wir geradeaus(9). Nach etwa 400 Metern machen wir einen Abstecher zu der Ausschilderung „Druidenstein“ nach rechts.

Beim sogenannten „Druidenstein“ handelt es sich vermutlich um einen Monolithen aus den Tagen der Altsteinzeit. Vielleicht dient er den frühen Plateaubewohnern als Grenzstein (Eckstein). Er wird auch als Gerichtsstein bezeichnet. Bei genauer Betrachtung und richtigem Licht erkennt man zwischen allerlei Graffiti aus neuerer Zeit seltsame, an germanische Runen erinnernde geheimnisvolle Schriftzeichen, deren Bedeutung bis heute völlig unbekannt ist. Möglicherweise handelt es sich um die Geheimschrift keltischer Druiden, Männer, aber auch Frauen (!), die nach einer langjährigen wissenschaftlichen Ausbildung sowohl in Fragen des Rechts als auch der Medizin großes Ansehen bei der Bevölkerung genossen.

Frau mit Hackstock - mutterrechliches Symbol aus vorkeltischer Zeit




Nach dem Abstecher zum Druidenstein geht es wieder zurück zum Wanderweg (9) nach rechts in nordöstlicher Richtung, am Neudiesburger Hof vorbei bis zur nächsten Wegekreuzung. Ein Abstecher nach links führt uns nach wenigen Metern zu den sogenannten „Kiesgräbern“. Einige aus dem Boden ragende Sandsteinfelsen sind von Menschenhand mit Werkzeugen geglättet und weisen rechteckige Eintiefungen von ca. 20 cm auf. Es handelt sich dabei um einen alten Bestattungsplatz aus der Urnenfelder Kultur (ca. 1200 – 800 v. Ch.). Die Römer „reaktivieren“ diese Gräber wieder mit der ergänzenden Besonderheit, eine tonnenförmige bzw. spitzgiebelige Haube darüber zu setzen. So werden die Überreste der lieben Verstorbenen wenigstens nicht nass. Und genau dieser Besonderheit haben die „Kiesgräber“ ihren Namen zu verdanken. So, wie sich heute vor unseren Augen die mit Wasser gefüllten Löcher im Felsen präsentieren, sahen es auch seinerzeit die keltischen Vorfahren. Das alte keltische Wort kis(s) steht für „Moor, Sumpf, stehendes Wasser“, also das wässerig-modrige Element, das heute noch in Ortsnamen wie Kissingen oder Kisselbach zu finden ist (Metzen). Andere Namensdeutungen, etwa die Assoziation zum moselfränkischen Wort „Kis“, was soviel wie „Käse“ bedeutet (weil der Anblick an Löcher im Käse erinnert), sind nicht weiter ernst zu nehmen.






Kiesgräber - antike Bestattungsstätte im Wald

Wir marschieren zurück zur Kreuzung und folgen geradeaus dem Eifelvereinswanderweg nach Westen Richtung Bollendorf. Warum die Felsformation am Wege „Artistenplatz“ genannt wird, weiß eigentlich niemand so ganz genau. Die Römer, die weiter unten im Tal lieber den schönen Blick auf die Sauer genießen, anstatt hier oben irgendwelchen Zirkusvergnügungen oder Sportwettkämpfen beizuwohnen, sind sicher nicht für die Namensgebung verantwortlich. Oder vielleicht doch? Ist dieser Ort möglicherweise der Jagdgöttin Artemis geweiht? Vielleicht ist das eine Frage, die noch der Deutung bedarf.

Wir halten uns hinter dem Fischteich rechts (31) und erreichen 20 Minuten später wieder den Kneipp-Brunnen. Wer Lust hat, darf sich nun in dem herrlichen Nass die müden Beine erfrischen, bevor es wieder zum Ausgangspunkt unserer Tour zurück geht.






Start / Ziel:
Parkplatz oberhalb der Jugendherberge / Hotel Ritschlay in Bollendorf

Distanz:
18 Kilometer (Ganztagestour!)

Schwierigkeitsgrad:
leicht

Besonderheiten:
Rucksackverpflegung erforderlich

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