Eine neuentdeckte vorgeschichtliche Erdbefestigung bei Niedermendig

Von Hauptlehrer Christ in Niedermendig




Als im Jahre 1908 infolge sich stets steigernden Verkehrs die Eifelstrecke Andernach-Gerolstein in ihrem ersten Teile bis Mayen zweigleisig ausgebaut wurde, stieß man in unmittelbarer Nähe vor dem Stationsgebäude Niedermendig in dem dort hochanstehenden Bimsland auf zahlreiche Reste menschlicher Siedelungen. Ein kurzer Bericht darüber in den „Bonner Jahrbüchern“ versetzte die Scherbenfunde in die Hallstatt = bis hinauf zur jüngeren Steinzeit - das geheimnisvolle Dunkel, das bisher über dieser Stätte lag, ist heute zum großen Teile gelichtet. Es ist dies der Analge mehrerer industrieller Betriebe zu verdanken, die den hier allerorts bis zu 15 Meter Mächtigkeit lagernden Bimsland zur Herstellung von Zementschwemmsteinen, -Ziegelsteinen, -Dielen usw. verwenden.

Die ersten Ausschachtungen der beiden für unsere Entdeckung in Betracht kommenden Firmen: „Franz Zeller“ - gegenüber dem Bahnhofsgebäude - und der „Bims- und Steinwerke“ - unmittelbar am Stellwerk östlich des Bahnhofs - begannen im März-April ds. Js. Eine erste Besichtigung dieser jungen Anlagen im April brachte mir eine große Überraschung. Zwecks Anlegung eines Bahngleises hatte man an beiden Werken einen senkrechten Querschnitt durch den Bims gegraben und war dabei mitten in den hohen Bimslagen auf eine breite und tiefe Masse ganz gewöhnlichen Ackerbodens gestoßen, der erst mühsam entfernt werden mußte, bevor in der Tiefe wieder loser Bims zutage trat.

Dies Muttererde füllte einen Graben aus von etwa 4 - 4,50 Meter Tiefe und 8 - 10 Meter Breite. Die auf einer Seite unterbrochenen Bimsschichten setzten sich auf der gegenüberliegenden wieder mit größter Regelmäßigkeit fort. Wenn auch die ungewöhnlich große Tiefe im ersten Augenblick etwas frappierend wirkte - der Sohlgraben des Mayener neolithischen Erdwerks hat z. B. nur eine Tiefe von 2,50 Meter - so konnte doch eine natürliche Entstehung des ungeheuren Grabens, etwa durch Erosion des Wassers, nicht in Frage kommen; denn die Vertiefung geht über den kamm eines flachen Höhenrückens hinweg. Die völlige Gewißheit erlangte ich bald, als ich bei Fundstelle 1 auf meine Frage nach evtl. Funden von Steingeräten oder Scherben von einem Arbeiter mehrere Bruchstücke von glattgeschliffenen Steinwerkzeugen gebracht bekam, die achtlos beiseite geworfen worden waren. Ferner entdeckte ich bei genauerer Untersuchung der Örtlichkeit in der einen Seitenwand des Grabens die Reste einer Feuerstelle mit zahlreichen Scherben und Tierknochen, nebst einem Spinnwirtel. - Einige Tage darauf wurden auch bei der Anlage der Firma Zeller (Fundstelle 2) mehrere Scherbenfunde gemacht.

Bei den weiteren Abtragungen an beiden Werken, die etwa 400 Meter von einander entfernt liegen, trat die Anlage eines fortlaufenden Grabens immer deutlicher hervor. Bald stieß man bei Fundstelle 1 auch auf mehrere Abfallgruben, die von dem Graben 15 - 20 Meter entfernt liegen. Dieselben haben einen Durchmesser von 1 und 2 Meter; aus ihnen konnte unser neugegründeter „Geschichts- und Altertumsverein für Niedermendig und Umgebung“ eine reiche Ausbeute an Steinwerkzeugen und Gefäßscherben bergen.

Eine Merkwürdigkeit sei noch erwähnt: Bei Fundstelle 1 ist in der südlichen Querwand in etwa 18 Meter von dem Sohlgraben eine Austiefung sichtbar mit völlig senkrechten Wänden von 1,30 Meter Tiefe und genau der gleichen Breite. - Ob es sich hierbei um eine Fallgrube, oder wie bei einer ähnlichen Erscheinung der neolithischen Ansiedelung bei Sarmsheim, Kreis Kreuznach, nach einem Bericht der „Bonner Jahrbücher“ Heft 125 um einen Vorrats- oder Kühlraum handelt, wird erst die weitere Ausgrabung ergeben.

Die bis heute gemachten Scherbenfunde gehören der frühesten Hallstattperiode zu, etwa 1000 vor Chr. Die Werkzeuge aus Stein sind entweder spitz zulaufend, wurden also als Meißel gebraucht, oder haben eine abgeschliffene, als Beil zu gebrauchende Kante. Ferner wurden gefunden 2 Spinnwirtel mit Nägeleindrücken am Rande, 5 eiförmig abgerundete Steine, entweder Reibe- oder Schleudersteine, ein flacher Reibstein und zwei kleine rötliche Quarzitsteine, die vermutlich als Schmuck oder Kinderspielzeug dienten. Außerdem lag mitten zwischen den zahlreichen Scherben in der größeren Abfallgrube noch ein grob behauener halbkreisförmiger Stein von etwa 15 Zentimeter Länge und 6 Zentimeter Dicke aus Hartbasalt, während die meisten der anderen Steinwerkzeuge aus „Coblenzer Grauwacke“ bestehen.

Dieses höchst seltene Vorkommen von Werkzeugen aus hiesigem Stein erklärt sich leicht daraus, weil der Niedermendiger Basalt unter einer 10 - 15 Meter hohen Bimsschicht verborgen liegt und seine Gewinnung den „Alt-Niedermendigern“ vor 3000 Jahren mit ihren primitiven Werkzeugen unmöglich war. Nur an einigen wenigen Stellen, wie z. B. auf dem Thürer Berge, tritt der Lavastrom des Hochstein zutage, und von diesem Material stammt auch der einzige bis jetzt entdeckte oben erwähnte Basaltstein.

Über die weiteren Funde und Entdeckungen an unserem Erdwerke wird an dieser Stelle fortlaufend berichtet werden.




Aus: Eifelvereinsblatt Nr. 9 Mitte September 1920, herausgegeben vom Hauptvorstande des Eifelvereins 21. Jahrgang, Selbstverlag des Eifelvereins, Schriftleitung Rektor Zender in Bonn.


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