Ein
Streifzug durch die Siedlungs- und Kulturgeschichte
unserer Heimat von ca. 400 v.
Chr. bis 400 n. Chr.
von Heribert van der Broeck
Unser Heimatkreis war schon früh besiedelt, was aus Funden einwandfrei geschlossen werden kann. So wurden beispielsweise vor wenigen Jahrzehnten in einer Sandgrube bei Bessenich (unweit Zülpich) zwei gut erhaltene Frühhallstatturnen mit Leichenbrand und mehreren Beigefäßen ausgegraben. Als Hallstattperiode bezeichnet man die Zeit von 1100 bis 500 v. Chr. Sie ist benannt nach einem großen Gräberfeld mit vorgeschichtlichen Funden, das man 1846 bei Hallstatt (Oberösterreich) entdeckt hat. Demnach können wir aus dem bei Bessenich gemachten Funde folgern, daß schon um das Jahr 100 v. Chr. Menschen hier in unserem Kreisgebiet ansässig gewesen sind. Wer diese Bewohner waren, darüber läßt sich nichts Bestimmtes sagen. Man nimmt an, es seien Ligurer gewesen und glaubt, in dem Flußnamen Erft und Urft noch ligurisches Sprachgut zu besitzen. Nach dem Urteil von d'Arbois des Jubainville, dem hervorragendsten keltischen Altertumsforscher Frankreichs (1827 bis 1910), haben nämlich vor der keltischen Einwanderung im heutigen Frankreich und am Rhein Ligurer gesessen. Für uns mag hier allein die Tatsache genügen, daß unsere Heimat überhaupt schon so früh besiedelt war.
Um 400 v. Chr. haben sich die Kelten, die von Mittel- und Süddeutschland her über den Rhein gedrungen sind, in dem linksrheinischen Gebiet bis über Gallien hin festgesetzt, während die Germanen bis zum Rhein sich ausbreiteten. Schon bald danach überschritten germanische Stämme den Unterrhein. Von den Belgiern sagt Cäsar in seinem Bellum Gallicum (II, 4.2): Die meisten Belgier stammen von Germanen ab, die vor langer Zeit über den Rhein geführt worden sind und sich dort wegen der Fruchtbarkeit der Gegend angesiedelt und die Galler (Kelten), die diese Gegenden bewohnten, vertrieben haben. Als Cäsar 56 v. Chr. nach Gallien kam, waren bereits die meisten keltischen Stämme in der Nähe des Rheines mehr oder weniger stark mit Germanen durchsetzt, so auch die Eburonen, die zur Zeit Cäsars unsere engere Heimat bewohnten (zwischen Maas und Rhein). Dem weiteren Vordringen der Germanen über den Rhein tat der römische Feldherr Einhalt. Die Eburonen werden mit den Condrusern, Cärosern und Paemanern unter dem allgemeinen Namen Germanen zusammengefaßt (Cäsar, Bell. Gall. II, 4,10). Obwohl sie von Cäsar als ein unbedeutender Staat angesehen wurden, haben sie doch den Römern viel zu schaffen gemacht. Als nämlich im Jahre 54 eine Legion und fünf Kohorten (unweit Nideggen) überwinterten, erhoben sich die freiheitsliebenden Eburonen unter Führung ihrer beiden Fürsten Ambiorix und Catovolcus gegen die römische Herrschaft. Durch List und Betrug wußte Ambiorix die römischen Heerführer Sbius und Cotta zu veranlassen, das Winterlager aufzugeben und das Gebiet der Eburonen zu verlassen. Die abziehenden Römer wurden dann auf dem Marsche im Rurtal bei Blens samt ihren Führern mit wenigen Ausnahmen niedergemacht. Daraufhin unternahmen die Eburonen einen Angriff auf das römische Winterlager im Gebiete der Nervier. Erst beim Herannahen Cäsars wurden sie mit ihren Verbündeten geschlagen. Cäsar hat dann furchtbare Vergeltung geübt, indem er ihr Land der allgemeinen Plünderung preisgab und den ganzen Stamm vernichtete (B.G. VI, 34), ohne jedoch des Ambiorix habhaft zu werden. Der Name der Eburonen ist dann dem der germanischen Tungrer gewichen, die sich in dem entvölkerten Eburonengebiet angesiedelt haben.
Römerknabe
- 1. Jh. n. Chr. - gefunden in Zülpich
Aus Cäsars denkwürdigem Bericht über den gallischen Krieg erfahren wir auch manches über die Siedlungsweise der Kelten. Sie legten ihre Wohnsitze gewöhnlich in der Nähe von Flüssen und Wäldern an, um sich vor Hitze zu schützen. Der Hauptgrund für ihre Ansiedlung am Wasser dürfte wohl die Rücksicht auf das Vieh gewesen sein. Das Wasser war nämlich für sie, die viel Viehzucht betrieben, ein so wichtiger Faktor, daß sie auf seine Nähe nicht verzichten konnten. So sehen wir ja auch, daß alle die Ortschaften mit der ich-Endung wie Zülpich, Füssenich, Bessenich, Sievernich, Disternich, Elvenich, Nemmenich, Lövenich u.a., die aus keltischen Gutshöfen entstanden sind, ausnahmslos am Wasser liegen.
Die Kelten wohnten in Städten (oppida), Dörfern (vici) und Einzelgehöften aedificia). Die zum Teil ansehnlichen Städte waren befestigt und dienten im Falle der Not als Zufluchtstätten. Das Land war stark bevölkert. Die Kelten waren ein kräftiges Geschlecht, hochgewachsen, mit blondem Haar und blauen Augen. Als Volk zerfielen sie in viele Stämme, von denen jeder für sich eine politische Einheit bildete.
Fränkische
Tonkanne Fundort Bodenheim
Unsere Heimat hat unter keltischer Herrschaft ihre erste wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit erlebt. Die Kelten waren tüchtige Ackersleute und Viehzüchter sowie rege Geschäftsleute. Die Eisentechnik stand bei ihnen in höchster Blüte. Ihre Fertigkeit in der Metallverarbeitung und ihre Vertrautheit mit dem Bergbau lassen es als wahrscheinlich gelten, daß sie in Mechernich und Umgebung schon Blei gewonnen haben. Im Hausbau waren sie mustergültig, besonders was Schutz gegen Kälte angeht. Wir finden bei ihnen Fachwerkhäuser mit Lehmbewurf und hohem Strohdach, wie sie heute noch vielfach in der Eifel anzutreffen sind. Auch in der Töpferkunst haben sie beachtenswerte Leistungen zu verzeichnen.
Nach der Unterwerfung der Kelten durch die Römer hat sich an den bestehenden Zuständen wenig geändert. Die Wahrung der wichtigsten Errungenschaften der keltischen und germanischen Kultur gegenüber der zweifellos überlegenen römischen war dadurch gewährleistet, daß nach der römischen Eroberung der größte Teil der alten Bevölkerung zurückblieb. Die Römer haben noch manches von den Kelten lernen können, namentlich im Ackerbau und Handwerk. Die keltische und römische Töpferkunst zeigen deutlich gegenseitige Beeinflussung. Im Festungsbau haben die Kelten Großartiges geleistet. Cäsar (B.G. VII, 23) gibt uns hierüber ein klares Bild. Die Erdholz- und Steinholzmauern der römischen Kastelle und des Limes haben die Römer den Befestigungen der Nordländer abgesehen. Daß umgekehrt die Kelten auch vieles von den Römern übernommen haben, ist selbstverständlich. Denken wir nur an die feinere Lebensart der Römer, die den Kelten unbekannt war; denn letztere saßen oder lagen auf Stroh, Heu oder Fellen und aßen aus der Hand, wobei sie sich nur eines Messers bedienten. Auch der bei den Römern übliche Steinbau bürgerte sich allmählich bei den Kelten ein. Die Besitzer der vielfach hierzulande entdeckten Baureste sogenannter römischer Villen sind zum größten Teil Kelten gewesen.
Die neuen Machthaber haben in dem wirtschaftlich hochentwickelten Gebiet durch Anlegung neuer Verkehrsstraßen Handel und Wandel bedeutend gefördert und damit den Wohlstand vermehrt. Ihr Bestreben ging dahin, das keltische Wesen soweit zu schonen, wie es sich eben mit der Sicherheit der Reichseinheit in Einklang bringen ließ. Die Kelten behielten ihre Verfassung, ihre Gliederung in Stämme, ihr altes Wegemaß, ihre Landessprache und ihren einheimischen Kultus. Nur die finstere Duidenreligion mit ihren Menschenopfern hatte der Kaiser Tiberius ihnen strengstens untersagt. Hinsichtlich der Religion ist bekannt, daß gerade in unserer Heimat der den Römern fremde Matronenkult ganz besonders stark betrieben wurde. Sogar römische Soldaten haben diesen Gottheiten ihre Huldigungen dargebracht, wie uns die aufgefundenen Weihesteine beweisen. In der Verehrung der drei Jungfrauen Fides, Spes und Caritas, die man in Thum bei Nideggen, Swisterberg bei Weilerswist, Kalterherberg und anderen Orten der Eifel heute noch vorfindet, haben ir vielleicht einen Überrest des alten Matronenkultes. Denn es steht nicht vereinzelt da, daß das Christentum heidnische Bräuche übernommen und in ein christliches Gewand gehüllt hat.
Auch bei vielen Ortsnamen unserer Heimat werden wir an die Kelten erinnert, so bei den Namen auf -ich (keltisch -acon = Gutshof, auf -magen, keltisch -magnus = Feld, -durum = Festung, -dunum = Anhöhe), z.B. Zülpich, Marmagen, Daun u.a.. An allem können wir erkennen, daß sich die keltische Kultur neben der römischen behauptet hat.
Kette
aus bunten Glas- und Bernsteinperlen (7. Jh.) aus Frauengrab bei
Bodenheim
Nun zurück zur Siedlungsgeschichte: Im Jahre 38 v. Chr. wurde links des Rheines von Vipsanius Agrippa, unter dessen Statthalterschaft die Heerstraße Reims - Trier - Zülpich - Köln entstand, der germanische Volksstamm der Ubier angesiedelt. Köln war die Hauptstadt dieses Stammes. Die Wohnsitze der Ubier reichten bis Zülpich. In dem neu eroberten Gebiet haben die Römer nun im Laufe der Zeit Kastelle und Militärstationen angelegt. Je nach deren Größe und Bedeutung entstanden bei diesen kleinere oder größere bürgerliche Siedlungen. In den Zeiten der Gefahr dienten die Kastelle als Schutz für die Zivilbevölkerung. Besonders seit der Mitte des 3. Jahrhunderts, wo die Germaneneinfälle immer bedrohlicher wurden, war die Ansiedlung in der Nähe der Kastelle notwendiger denn je.
Die starke Besiedlung, wie man die heute noch um Zülpich feststellen kann, findet wohl hierin ihre Erklärung. Auffallend sind hier die vielen Ortsnamen auf -ich, die sich durch all die Jahrhunderte hindurch bis auf unsere Zeit erhalten haben. Es ist anzunehmen, daß diese Ortschaften unter dem Schutz des Kastells Zülpich die schlimmen Zeiten überdauert und deshalb auch ihre alten Namen behalten haben. Die nächsten Eroberer nämlich kannten keine Kastelle und mieden aus diesem Grunde deren Nähe. Mit der Zeit konnten die Römer ihre linksrheinischen Gebiete nicht mehr gegen die immer heftiger vorwärtsstürmenden Germanen behaupten. Um 400 setzten sich die Franken endgültig links des Rheines fest. Unsere Heimat fiel damals an die ripuarischen Franken, deren Hauptstadt die alte Colonia Agrippinensis (Köln) wurde.
Wir sehen somit in dem behandelten Zeitabschnitt in unserer Heimat die verschiedensten Völker bzw. Volksstämme aufmarschieren: Die Ligurer, die Kelten (Eburonen, durchsetzt von Germanen), die Tungrer, die Römer, die germanischen Ubier und schließlich die Franken. Nicht zuletzt ist diesem Umstande die hohe Kulturstufe zu verdanken, deren sich unsere engere und weitere Heimat erfreut.
Entnommen: Heimatkalender des
Kreises Euskirchen 1961
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