Luftbild und Vorgeschichte im Euskirchener Land
Von Waldemar Haberey
Unser Wissen vom vorgeschichtlichen Geschehen wurzelt in den auf unsere Zeit gekommenen Denkmälern und Überresten aus dem Altertum, seien es Ruinen, Gräber oder Einzelsachen wie Gerät, Waffen und Schmuck.
Vieles davon ruht seit Jahrhunderten unsichtbar und unbekannt im Boden. Die moderne Wissenschaft sucht daher Wege und Methoden, das so Verborgene aufzuspüren. Eines dieser Hilfsmittel ist das Luftbild, die vom Flugzeug aufgenommene Fotografie. Sie macht eine Erscheinung sichtbar, die zwar jedem Landmann, der mit offenen Augen durchs Feld geht, wohlbekannt ist, die aber für die Vorgeschichtsforschung erst nutzbar werden kann, wenn das Flugzeug zu Hilfe kommt.
Eingriffe in den Pflanzenboden, wie sie ein Wasserleitungsgraben oder eine Pipeline heute und besonders auffallend ein Fächer von Drainagegräben mit sich bringen, üben auch dann noch auf den Bewuchs einen merklichen Einfluß aus, wenn sie längst auf der unbebauten Ackeroberfläche nicht mehr nachweisbar sind. In diesen verfüllten Gräben ist nämlich die normale Bodenschichtung unterbrochen, die Pflanzenwurzeln finden veränderte Bedingungen vor, die sich sehr wohl auf ihr Wachstum auswirken können. Dadurch kann der Verlauf solcher längst verfüllter Gräben in der jungen Saat oder im gilbenden Getreide als andersfarbiger Streifen sichtbar werden.
Selbst Eingriffe in den Boden, die viele Jahrhunderte zurückliegen, können sich unter besonders günstigen Bedingungen bemerkbar machen. Bekannt ist dies von altem Mauerwerk, das ganz unter der Erde liegt, dessen Verlauf aber besonders in trockenen Jahren als Kümmerwuchs im Grasland oder Getreidefeld auffällt. Nun verhält es sich aber mit der Wahrnehmbarkeit dieser Erscheinungen ganz ähnlich wie etwa mit dem Blumenmuster auf einem Zimmerteppich: Ein über den Teppich laufender Käfer wird nie das Muster überblicken können, weil er einfach mit seinen Augen zu nahe daran ist. Ähnlich geht es dem Menschen, der zwischen den Fluren geht und sein Auge nicht hoch genug über dem Land hat.
Die von Untergrundveränderungen aus vorgeschichtlicher Zeit verursachten Bewuchsstreifen sind oft sehr zart und dann nur an wenigen Tagen im Jahr sichtbar. Es gehört daher große Erfahrung dazu, diese so selten auftretenden Spuren zu sehen, sie sofort zu erfassen und erfolgreich zu fotografieren.
Das Rheinische Landesmuseum in Bonn hat in den letzten Jahren sein Arbeitsgebiet immer wieder systematisch beflogen und jedes als Altertum verdächtige Objekt aufgenommen.
Dieses Forschungsunternehmen, das noch lange nicht abgeschlossen ist, steht unter der Leitung von Dr. I. Scollar. Es hat gerade im Euskirchener Land Erfolge erzielt, wie sie selbst von Fachleuten nicht erwartet wurden. Sind es doch bis jetzt über hundert Objekte, von deren Existenz bisher niemand eine Ahnung hatte, die vom Auge des Beobachters erkannt und von der Luftbildkamera festgehalten worden sind. An den Flügen über dem Euskirchener Raum sind auch zwei Damen mit gutem Erfolg beteiligt.
Man braucht nun kein Archäologe zu sein, um sich durch diese Luftbildaufnahmen in früh- und vorgeschichtliche Zeiten zurückversetzen zu lassen. Diese in unseren Fluren hin und wieder erscheinenden Schatten der Vergangenheit sind für jeden Heimatfreund sichtbar gewordene Dokumente aus längst vergangenen Zeiten. Sie auszuwerten ist die Aufgabe vieler Disziplinen der rheinischen Archäologie.
Abb.
1: Borr, Kreisgraben und Ecke einer Einfriedigung
Abbildung 1: Oben eine ein- oder zweijährige Obstplantage, darunter vorne eine aufgegebene Obstflur, darin ein kreisrunder dunkler Ring, der äußere Graben um einem größeren Grabhügel. Der helle Fleck nach links hin mag eine Unterbrechung des Grabens - ein Eingang - sein. Der Grabhügel selbst ist längst vom Pflug eingeebnet und wahrscheinlich auch das Grab nicht mehr vorhanden. Diese Luftbildaufnahme ist das erste und wohl auch einzige Zeugnis vom Vorhandensein eines vorgeschichtlichen bedeutenden Grabbaues in diesem Landstrich. Die aus zwei dunklen Streifen gebildete scharfe rechte Ecke im Acker nebenan rührt von einer Einfriedung her, deren Zeitstellung noch unbekannt ist. Der linke Arm der rechteckigen Einfriedung geht über das Feld hinaus und war noch einige hundert Meter weit zu verfolgen. Dieses Zusammenliegen von Grabhügel und rechteckiger Einfriedung ist mit dieser Aufnahme bei Bor zum erstenmal im Rheinland festgestellt worden. Nach Beispielen in Süddeutschland ist es nicht ausgeschlossen, daß beide zusammengehören und aus den letzen Jahrhunderten v. Chr. stammen.
Abb.
2: Weidesheim, frühgeschichtliches Grabfeld bei Weidesheim
Der Schatten eines ganzen Grabfeldes ist auf Abbildung 2 zu sehen. Der dunkle Teil verrät Kiesuntergrund, der hellere trockeneren Boden. Der Grenze entlang sind zahlreiche kleine Rechtecke zu sehen, von denen jedes einzelne ein Grab darstellen dürfte. Auch in dem großen dunklen Kreis liegen kleine Flecken, die ebenfalls als Gräber zu deuten sind, aber offensichtlich von einer etwas anderen Bauart sind als die außerhalb des Kreises. Der Kreis selbst ist wohl eine runde Einfriedung um diese eine Gräbergruppe. Der quer durch das Bild laufende dunkle Streifen mag geologisch zu deuten sein oder es kann sich um einen alten aufgelassenen Weg handeln. Über die Zeit, aus der dieses Grabfeld stammt, läßt sich vorläufig nichts Genaues aussagen.
Abb.
3: Römisches Farmhaus bei Liblar
Die Abbildung 3 zeigt mit großer Deutlichkeit den Grundriß eines vielräumigen rechteckigen Bauwerkes, wie mit weichem Stift vom Architekten hingezeichnet.
Es handelt sich um das unterirdische übriggebliebene Fundamentgemäuer vom Hauptbau eines römischen Gutshofes. Deutlich sind zu beiden Seiten die Eckrisaliten zu sehen, zwischen denen sich die schmale lange Veranda spannt.
Der hellere, innere quadratische Raum links wird wahrscheinlich mit einem wasserundurchlässigen Estrichboden ausgelegt sein, der das Getreide darüber von tieferer Bodennahrung abhält. Ein Vergleich mit den modernen Häusern daneben zeigt, wie groß und aufwendig so ein römisches Farmhaus gebaut war.
Abb.
4: Römischer Gutshof bei Metternich
Auch die Abbildung 4 zeigt die Spuren eines römischen Gutshofes. Diesmal aber offensichtlich sind nur Wirtschaftsgebäude des Gutshofes sichtbar geworden. Der lange weiße Streifen quer durch den breiten Acker stellt je einen Teil der Umfassungsmauer dar. Was nun im einzelnen diese vier deutlich sichtbaren Grundrisse gewesen sind, läßt sich nicht ohne weiteres sagen. Es wird sich um Stallungen, Scheunen und dergleichen handeln. Auch hier fällt die Weitläufigkeit eines solchen römischen Gutshofes auf.
Abb.
5: Spätrömischer Burgus bei Satzfey-Firmenich
In Abbildung 5 ist auf dem Feld, das zwischen der Baumreihe und der Bahnlinie liegt, deutlich ein durch mehrere dunkle und helle Streifen eingefaßtes Rechteck zu erkennen. Es handelt sich dabei um eine durch Wall und Graben geschützte Fläche, in deren Mitte auf der Abbildung noch deutlich sichtbar ein kleines rechteckiges Bauwerk sich befand. Es handelt sich dabei um einen Turm, der durch ein Grabenviereck geschützt war.
Es ist wahrscheinlich eine spätrömische Anlage, in der ein hoher Wachtturm stand.
Abb.
6: Grabenviereck bei Niederberg
Auch die Abbildung 6 zeigt ein durch einen Graben abgeschirmtes Rechteck. In diesem Fall scheint es sich um eine mittelalterliche Anlage zu handeln, doch ist sicheres darüber nicht auszusagen. Auffallend ist die Breite der Umrahmung, die auf einen in früherer Zeit mit Wasser gefüllten Graben hindeuten könnte. Im heute regulierten Gelände ist rechts davon mit dem einen Baum ein Wasserabzugsgraben zu erkennen, in dem vielleicht heute das Wasser, das früher den Wassergraben speiste, abgelenkt wird.
Abb.
7: Trapezförmige Einfriedigung bei Hausweiler
Abb.
8: Trapezförmige Einfriedigung bei Lommersum, Kreis Euskirchen
Die Abbildungen 7 und 8 zeigen je ein Grabenviereck mit ungleichlangen Seiten. Beide sind trapezförmig und haben größere Ausdehnung. Es ist nicht bekannt, aus welcher Zeit solche Anlagen stammen. Es sind die ersten, die sich im Euskirchener Kreis nachweisen lassen. Nicht ganz ausgeschlossen ist es, daß es sich bei solchen Anlagen auch um die Hürde eines Schäfers handeln könnte, doch sehen solche Schafhürden auf Luftbildern in der Regel anders aus. Auf der Abbildung 7 ist außerdem ein Teil des alten Wegenetzes, wie es vor der Umlegung verlief, noch deutlich an den hellen Linien zu erkennen.
Möglicherweise handelt es sich bei solchen viereckigen Einfriedungen um die Abgrenzung eines Areals in römischer Zeit. Doch dies kann erst eine Ausgrabung klären.
Anm.: Alle Luftaufnahmen sind freigegeben durch Regierungspräsident Düsseldorf
Entnommen: Heimatkalender des
Kreises Euskirchen 1965
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