Bedeutung von Orts- und Flurnamen

Von A. Zensen, Direktor, Lutzerath




In einer vor längerer Zeit erschienenen Nummer des Eifelvereinsblattes wurde angeregt, daß möglichst in jeder Ortsgruppe sich Jemand finden sollte, der sich die Erforschung des Entstehens von Flur- und Ortsnamen angelegen sein lassen möchte. Was nun die Ortsnamen anbelangt, so findet man, daß nicht alle Ortsnamen von den Kelten oder Römern herstammen, sondern viel später, etwa um 700-1000 nach Christi entstanden sein müssen. Bei der Aufzählung der nachstehend genannten Orte der Bürgermeisterei Lutzerath bedeuten die Buchstaben d deutsch, k keltisch, r römisch.

Nach meiner unmaßgeblichen Erachtung sind die Namen der Orte Alflen, r, Anderath, d, Bertrich, k, Beuren, d, Büchel, d, Driesch, d, Filz, d, Gevenich, k, Gillenbeuren, d, Kennfus, r, Kliding, k, Lutzerath, d, Meiserich, k, Schmitt, d, Urschmitt, d, Ulmen, d, Wagenhausen, d, Weiler, d, Wollmerath, d.

Alle Ort mit den Endungen „rath“ haben ihren Namen von Rodungen in dem damaligen Urwalde und weisen hin auf Bäche oder auf die Führer der Sippe, der die Rodung anlegte. So ist z. B. der Name Lutzerath auf den kleinen Bach „Lütz“, an dem ursprünglich die Rodung angelegt wurde, hinzuführen, Anderath und Wollmerath vielleicht auf den Namen des Sippenführers. Beuren zeigt hin auf Bauern; Büchel auf Busch; Driesch auf gemeinsames d. h. Gemeindefeld, Eigenfeld einer oder mehrerer Sippen. Heute noch wird das Gemeindefeld „Driesch“ genannt; Filz auf Felsen. Filz liegt auf einer Erhöhung und ist der höchstgelegene Ort der Bürgermeisterei; Gillenbeuren stammt her von goldenen Bauern, gutes Land. Gillenbeuren gehörte früher zur weit entlegenen Pfarrei Gillenfeld, trotzdem die Pfarrei Lutzerath so nahe lag. Das bringt mich auf den Gedanken, daß die Sippe, die Gillenfeld errichtete, auch Gillenbeuren aufbaute. Noch heute wird im hiesigen Plattdeutsch statt „Goldener Ring“ „Gelke Ring“ gesagt und statt Gillenbeuren „Gellebeuren“.

Schmitt und Urschmitt zeigen auf eine Schmiede hin. Im Plattdeutsch wird nicht Schmiede, sondern „Schmitt“ gesprochen. Urschmitt, die alte Schmiede. Ulmen möchte ich auf das Vorhandensein eines Ulmenwaldes zurückführen. Wagenhausen, sehr spät entstanden, war weiter nichts, als das Wagenhaus der nahegelegenen Burg des Geschlechtes von Landenberg in Wollmerath. Ursprünglich ein einziges Haus in welchem von dem ausgedehnten Gut Landenberg die Ackergeräte untergestellt wurden, ist es in den vielen Jahrhunderten nur auf einige weniger Häuser angewachsen.

Von den Flurnamen sind die meisten erst spät entstanden und lassen sich aus dem Plattdeutschen, oft auch aus ihrer besonderen Lage leicht erklären.

Oft sind Flurnamen aus den Familiennamen ortsansässiger Bauern entstanden. Wenn nämlich ein Bauer eine größere Parzelle alleine besaß, so erhielt sie dessen Name, der an dem ganzen Flurbezirk haften blieb, trotzdem die ganze Familie längst ausgestorben war. So z. B. „Bölteswieschen“, „Rubertuskäulchen“, „Theisens Bungert“, „Kunzegaas“ (Kunzegasse) usw. Andere Flurnamen: „Hercheberg“, (Bezüglich des Namens Herche oder Herka wurde vor kurzer Zeit in einem Zeitungsartikel der auch über die Entstehung der Flurnamen berichtete, gesagt daß von allen Flurnamen auf „Herche“ oder „Herka“ anzunehmen sei, daß hier die Göttin Herka verehrt worden sei.) „Kuhpanz“, „Grimmelskäulchen“ usw. sind aus ihrer Lage leicht zu erklären. Bei Anlage der Katasterämter sind die alten Namen willkürlich, oft gewaltsam, ins Hochdeutsche übersetzt worden, so daß man, ohne den plattdeutschen Namen zu kennen, den ursprünglichen Namen kaum mehr erraten kann. So steht beispielsweise auf allen Landkarten auch, daß auf Karten des Eifelführers, ein Römergrab, das sich zwischen Lutzerath und Kennfus an der Chaussee befindet und früher eine Höhe von ca. 5 Meter hatte, mit dem Namen „Tonhügel“ verzeichnet. Im Volksmunde heißt der Flur „am Tummen“ und der Hügel selbst „Tumme“ (Tummulus, Grabhügel). Für den Wiesenflur „Groompesch“ ist ins Kataster Krumpesch eingetragen usw. Über dem Flecken Lutzerath liegt eine Anhöhe, genannt „Höttestadt“. Genau ebensolche Höhe liegt über dem Orte Gillenbeuren, die auch denselben Namen führt. Hier war die Stätte des Hüters, daher Hüterstätte. Von diesen Höhen kann man die Orte bequem übersehen. Der Hüter konnte leicht Feuer entdecken und ebenso leicht durch ein Hornsignal alarmieren. Bei meinen Forschungen nach Römer- und Keltengräber entdeckte ich an der Trier-Coblenzer Chaussee, unweit des Ortes Driesch, eine Höhe, bei der ich im Zweifel war, ob es ein Grab sei. Als ich in Driesch erfuhr, daß der Flurname Tummehickt (Tummenhöhe) sei, war jeder Zweifel daran behoben, daß in der Höhe ein Römergrab zu erblicken sei. Ich könnte viele Flurnamen erklären, die heute für die Bauern vollständig unerklärbar sind, jedoch würde dieses zu weit führen. Nur zwei Namen, die von besonderem Interesse sind, seien hier angeführt. Dieses sind die Flurdistrikte „Keechlicht“ und „Hellig Oort“. Auf Hochdeutsch: „Keusches Licht“ und „Heiliger Ort“. Der Volksmund sagt, auf Heilig Ort habe die erste christliche Kirche gestanden. Von hier aus sei das Christentum verbreitet worden. Jedenfalls war die Kirche aus Holz erbaut oder ein Blockhaus, weshalb keine Spur mehr von ihr vorhanden ist. Der Ort „Keusches Licht“ deutet auf die Verehrung des Lichtes, vielleicht Vestadienst, wie der der Römer war. In einem in meiner Kindheit gelesenen, abhanden gekommenen Buche war zu lesen, daß auf einem jetzt noch vorhandenen Hügel im Distrikt „Keechlicht“ ein Opferaltar gestanden habe. Beide Flurdistrikte grenzen aneinander.

Sollte es für einen Leser dieser Zeilen von Interesse sein, mehr über Flur- und Ortsnamen zu hören, so bin ich gerne bereit, mich brieflich mit ihm zu unterhalten.

Im Übrigen bemerke ich, daß ich Laie bin und mich gerne Besser-Wissenden unterwerfe.

Anmerkung der Schriftleitung: Nicht alle Andeutungen des Verfassers können unsere volle Zustimmung finden; aber der Beitrag enthält recht gute Anregungen und dürfte insbesondere die Lehrer zu wertvollen Beobachtungen veranlassen.

Zender.







Aus: Eifelvereinsblatt Nr. 2, Februar 1926, S. 27-28, herausgegeben vom Eifelverein 27. Jahrgang, Selbstverlag des Eifelvereins, Schriftleitung Rektor Zender in Bonn, Münsterschule.


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