Die Berggrube vom Tomberg
- Drei Mädchen aus dem Dorfe
Ersdorf bei Rheinbach gingen an einem Sonntage aus, um Erdbeeren zu
sammeln und kamen zum Tomberge, dessen Abhang mit niederem Gesträuch
bewachsen war. Sie erblickten hier eine noch nie wahrgenommene
Öffnung, die sie für den Eingang einer Berggrube hielten,
und gingen ohne Furcht hinein. Je weiter sie indessen gingen, desto
mehr erweiterte sich die Höhle, bis sie endlich in einer
geräumigen und von Säulen unterstützten Halle
angelangten. In der Halle aber saß ein alter Mann mit
silberweißem Haar. Mit der rechten Hand zeigte er auf einen
Tisch, auf dem eine goldene Rute lag; mit der linken wies er nach
einer Ecke hin, in welcher eine eiserne Kiste stand, auf der ein
großer schwarzer Hund lag. Der Hund fing an zu knurren, sprang
von der Kiste zur Erde, kratzte an dem darin steckenden Schlüssel,
sprang, da die Mädchen sich nicht näherten, wieder hinauf
und glotzte nun in einemfort die Mädchen mit seinen feurigen
Augen an. Von den übrigen Dingen, welche sich in der Halle
befanden, wußten die Kinder nichts zu erzählen, da die
Furcht ihnen fast alle Besinnung geraubt hatte. Eines von ihnen
erinnerte sich jedoch einer Uhr, welche dem Mann gegenüber an
der Wand hing, und die bei ihrem Eintritte in der Halle drei schlug
und so schneidende Töne hervorbrachte, wie die Töne einer
Glocke es sind, wenn man sich beim Läuten in der Nähe
derselben befindet. Wie lange die Kinder in der Halle verweilten,
wußten sie nicht genau anzugeben; sie hörten jedoch die
Uhr vier Schläge tun, worauf der Mann einen angstvollen Seufzer
ausstieß und eine Dunkelheit erfolgte gleich der finstersten
Nacht. Auch vernahmen sie ein fernes Getöse, welches sich immer
mehr und mehr der Stelle näherte, wo sie wie angewurzelt
standen. Das Getöse endete mit einem starken Knalle, wobei die
Mädchen besinnungslos zu Boden sanken. Wie sie wieder zu sich
kamen, befanden sie sich unter freiem Himmel; Ihre Körbchen
lagen neben ihnen, und Erdbeeren waren zerstreut.
Diesem
fügt die Sage als Erklärung hinzu: -
In der Nähe des Tomberges
wohnte vor vielen Jahren ein überaus reicher Mann, der aber
auch ebenso böse war. Er quälte sein armes Weib und seine
Kinder, und nicht selten vergriff er sich auch noch tätlich an
ihnen. Aber noch ärger erging es seinem Gesinde. Einst schickte
er einen seiner Knechte, einen Jüngling von 16 Jahren, in den
mit Hecken und Gesträuch bewachsenen Tomberg um eine Bürde
Haselgerten in Zeit von 20 Minuten zu bringen. Der Jüngling
machte sich ungesäumt auf den Weg und suchte an dem buschigen
Abhange des Tomberges die Haselgerten; da die Stelle deren aber nur
sehr wenige enthielt, sah er wohl vorher, daß es unmöglich
sei, das Verlangen in der gesetzten Zeit zu bewerkstelligen.
Der
Herr saß unterdessen zu Hause und gab genau auf den Ablauf der
20 Minuten acht. Da diese verflossen und der Knecht noch nicht
zurückgekehrt war, sprang er voll Zorn auf und lief, einem
Besessenen gleich, in den Wald, um den faulen Knecht aufzusuchen und
zu bestrafen. Er fand ihn, als er eben seine Bürde
zusammenbinden wollte, riß ihn zu Boden trat ihn in voller Wut
auf die Brust, zog eine von den dicksten Gerten aus der Bürde
und schlug ihn damit derart auf den Kopf, daß er tot hinsank.
Doch damit noch nicht zufrieden, löste er die Binden der Bürde,
steckte den halbtoten Jüngling in dieselbe und schnürte
ihn mit den Gerten so fest zu, als er es nur vermochte. Der Jüngling
kam aber gegen alle Erwartung wieder zu sich und bat flehentlich um
sein Leben. Allein seine Wut hatte keine Grenzen, er lud den
Jüngling auf den Rücken, trug ihn zu einer nicht fernen
Eiche, lehnte ihn, den Kopf nach unten, an diese an, und entfernte
sich unter schadenfrohem Lachen. Als der Grausame in seine Behausung
zurückgekehrt war und seine Wut etwas nachgelassen hatte, fing
er an,seine Tat zu bereuen und machte sich daher auf, um seinen
mißhandelten Diener zu retten. Er fand an der Stelle aber
keine Spur mehr von ihm; er erblickte jedoch daselbst eine Höhle
und ging eine Strecke hinein, seinen Diener zu suchen. Als er aber
das Ende der Höhle erreicht hatte, schlug der Eingang derselben
unter lautem Getöse zu, und er sah sich so lebendig begraben.
Ein Greis trat jetzt aus einer Ecke der Höhle hervor
und trug die von dem Knechte gesuchten Haselgerten unter dem Arme.
Indem er diese auf einen in der Nähe stehenden Tisch legte,
kündigte er jenem sein Urteil also an: "Du bist wegen
deiner unmenschlichen Handlung so lange in diesen finstern Ort
verbannt, bis daß ein menschliches Wesen ungerufen und
ungeheißen an dir dasselbe tut, was du mit teuflischer Bosheit
an deinem Diener verübt hast. Einem solchen wird es aber nur an
einem Tage des Jahres und nur zu einer Stunde des Tages, nämlich
von drei bis vier Uhr, möglich sein, zu dir zu gelangen." -
Hieraus erklärt sich, weshalb
der Mann beim Eintritte der Mädchen auf die auf dem Tische
liegende Bürde hinzeigte, und, als die Uhr vier schlug,
ängstlich seufzte.
Quelle: Die Vordereifel
- Geschichtliches und Wanderungen
von Joseph Pesch - 1901 (siehe bei woenge.de)
Die
geheimen Tunnel der Eifel
Zu
den Exkursionen in die Kelten- und Vorzeit
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