Ausgewählte Artikel aus:
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Zur
Erklärung der Frühgeschichte um Woengede |
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Die Unruhen, die etwa seit der Mitte des 3. Jahrhunderts immer stärker von den rechtsrheinischen Germanen her über die Provinz kamen, ließen das Land sich nicht wieder zu Wohlstand erholen, der sich in den vielen römischen Gutshöfen der vorhergehenden Zeit spiegelt. Trotzdem gelang es dem Imperium zunächst noch, die Reichsgrenze zu halten, und die zahlreichen Germanen, die auf friedlichem Wege oder in der Folge eines Kriegszuges im Land verblieben, haben sich völlig der Provinzialbevölkerung assimiliert. Die Lage änderte sich aber gänzlich, als Rom zu Beginn des 5. Jahrhunderts gezwungen war, seine Truppen vom Rhein abzuziehen, um Italien vor dem Einfall der Westgoten zu schützen. Nun setzten die Germanen in breiter Front über den Rhein, und ihre Ankunft gab dem Land ein neues Gepräge. Die Franken - unter diesem Sammelnamen begegnen uns die damaligen niederrheinischen Stämme jetzt allgemein - errichteten ihre Höfe unbekümmert um die Lage der römischen Gutshöfe und Straßen, wo immer sei gutes Ackerland fanden, am liebsten nahe an einem Wasserlauf. Sie wandten dabei nicht etwa die römische Steinbautechnik an, sondern bauten in der ihnen gewohnten prähistorischen Weise weiter. Diese Bauart mit einem Holzgerüst und lehmbeworfenen Flechtwerkwänden ist für die Bauweise unserer Bauernhäuser bestimmend geblieben. Nahe bei den Höfen legten sie möglichst auf einer kleinen Erhöhung die Friedhöfe an, wo sie ihre Toten in Holzsärgen begruben. |
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Abb. 7 - Goldschmuck von Enzen (Krs. Euskirchen); a) Schmuckstück |
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Oft sind ihre Gräber mit Steinen eingefaßt, und es geht wohl auf irgendwelche abergläubischen Vorstellungen zurück, daß man hierzu besonders gern die Reste römischer Denkmäler verwendete. Dem Manne gab man allgemein seine Waffen, der Frau ihren Schmuck mit in das Grab und beiden außerdem Gefäße, in denen Speisen lagen. Solche Friedhöfe mit dazugehörigen Siedlungen standen innerhalb der Euskirchener Gemarkung an drei Stellen: An der Kommerner Landstraße, zwischen Euskirchen und Euenheim bei der Ruhrschen Fabrik, und auf dem Annaturmplatz. Der letztgenannte Friedhof konnte 1944 bei der Anlage des Luftschutzbunkers genauer untersucht werden. (Vergl. Abb. 8) |
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b) Armring |
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Man fand ältere Gräber, deren Tote nach Norden schauten, und jüngere, die von Südwest nach Nordost ausgerichtet waren. Die jüngsten Gräber, welche keine Totenbeigaben mehr enthielten, lagen streng westöstlich gerichtet. Da wir das Abweichen der Gräber von der Nordrichtung, die den heidnischen Germanen heilig ware, auf zahlreichen Friedhöfen beobachten können, hat man diesen Vorgang mit der Annahme des Christentums durch die Franken erklärt. Da in dem Gesetz der salischen Franken, bei dessen Festsetzung einige Bischöfe mitgewirkt haben, ausdrückliche Bestimmungen gegen Grabraub enthalten sind, ist es durchaus wahrscheinlich, daß die ersten christlichen Franken ihre Toten wie bisher, mit den altgewohnten Beigaben versehen, bestattet haben. Die Vorstellung von einem körperlichen Fortleben des Toten, die aus der Mitgabe von diesen Beigaben spricht, scheint auch der Anlaß dazu gewesen zu sein, daß man einem der auf unserem Friedhof Bestatteten die Unterschenkel abgeschlagen und besonders beigesetzt hat, um ihn am Wiederkommen zu hindern. |
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Abb. 8 - Gräberfeld auf dem Annaturmplatz in Euskirchen |
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Um 700 jedoch erlischt die Sitte der Totenbeigaben allgemein, was wohl durch den stets zunehmenden Einfluß der Kirche erklärt werden darf. Jetzt finden sich auch die ersten christlichen Kirchen draußen bei den fränkischen Bauernhöfen. Man hat diese Kirchen entweder auf dem alten Friedhof errichtet, damit auch die heidnischen Ahnen ihrer Segenskraft teilhaftig werden sollten, oder man hat jetzt die alten Friedhöfe verlassen und die Kirchen in der Nähe des Hofes errichtet. Bei unseren drei Euskirchener Höfen scheint es nun so gewesen zu sein, daß derjenige, welcher zu dem Gräberfeld auf dem Annaturmplatz gehört, der mächtigste war; denn er allein hatte die Mittel, bei seinem alten Sippenfriedhof eine Kirche zu errichten, die dem fränkischen Nationalheiligen Martin geweiht wurde. An ihrer Stelle steht noch die heutige Pfarrkirche, die erst durch die später angelegte Stadtmauer von dem fränkischen Gräberfeld getrennt wurde. Die beiden anderen Friedhöfe wurden offenbar aufgelassen und die Toten der zu ihnen gehörigen Höfe ebenfalls bei der Martinskirche beigesetzt. |
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Wenn auch die fränkischen Höfe im einzelnen keine Rücksicht auf die vor ihnen bestehenden römischen Verhältnisse genommen haben, so lagen sie doch immerhin eines Reiches, welches die fränkischen Könige als Erben der Römer übernommen hatten. Gewiß war dieses Reich durch die großbäuerliche Struktur des fränkischen Stammes sehr von dem zentral organisierten römischen Imperium verschieden. Aber immerhin lebten - wenn auch reichlich verwandelt - die stadtartigen Siedlungen im Rheintal noch fort, und durch den Handel, die Kirche und die königliche Verwaltung ist die Einheit der gallischen und germanischen Provinzen doch zu einem gewissen Teil erhalten geblieben. Das fränkische Großbauerntum und das allzeit fortwirkende Vorbild des Imperiums bilden beide Wurzeln des mittelalterlichen römischen Reiches deutscher Nation, und der Widerspruch, der in diesen beiden Größen liegt, erklärt allein manchen Widerstreit unserer Geschichte. Er spiegelt sich auch in der weiteren Geschichte Euskirchens. |
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Der Grund dazu, daß aus dem fränkischen Bauernhof eine Stadt wurde, liegt nicht darin, daß dieser Hof von sich aus die Kraft zu einer solchen Entwicklung besessen hätte, sondern darin, daß er und das aus ihm hervorgegangene Dorf den Mittelpunkt eines Territoriums der Grafen von Monschau und Falkenburg bildete, welche ihm 1302 das Stadtrecht verliehen 10). Die Entwicklung der Territorialherren wurzelt letzten Endes in der großbäuerlichen Adelsverfassung des fränkischen Stammes - die Einrichtung des Stadtrechts ist aber nur aus dem Nachklang einer spätrömischen Verwaltungsinstitution zu erklären. Während die Stadt die politische Bedeutung innerhalb jener Territorialpolitik, der sie ihre Gründung verdankt, längst verloren hat, hat sie ihre Geltung als Mittelpunkt des umgebenden Landes bis heute behalten, weil die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes das Vorhandensein von Handels-, Wirtschafts- und Verwaltungsmittelpunkten inmitten der einzelnen Agrarlandschaften erforderte. Die Gründung der Stadt hat dem Menschen im Euskirchener Land ebensosehr mancherlei neue Lebensformen ermöglicht, wie einstens die Entdeckung des Ackerlandes durch die landsuchenden Bandkeramiker. Das Fortwirken dieser beiden Vorgänge bis auf den heutigen Tag zeigt deutlich, wie Ergebnisse einer bestimmten historischen Situation auch unter gänzlich veränderten Bedingungen fortzubestehen vermögen, wenn sie den Erfordernissen der allgemeinen Kulturentwicklung eines Landes entsprechen. |
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Anmerkungen |
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