Ausgewählte Artikel aus:
650 Jahre Stadt Euskirchen
1302 - 1952
Festschrift zum Stadtjubiläum



Zur Erklärung der geographischen und historischen Lage von Woengede

Reiner Keller
Die topografische Lage der Stadt Euskirchen


Jede Landschaft hat ihren besonderen Inhalt und ihre bestimmten wirtschaftlichen Möglichkeiten. Eine Siedlung, die sich in ihrer Lage an zahlreiche Landschaften anlehnt, bietet daher dem Menschen eine Vielfalt von wirtschaftlichen Anreizen. Das ist auch in der Siedlungsanlage im Euskirchener Land zu beobachten.

Die fruchtbaren, gewässerlosen Lößplatten sind frei von geschlossenen Dorfsiedlungen, und selbst einen Einzelhof trifft man auf den weiten Ackerebenen nur selben an. Zahlreiche Siedlungen reihen sich aber an den wenigen Flüssen, die von der Eifel oder vom tertiären Vorland kommen, auf. Auch zahlreiche Adelssitze folgen den Bächen, aufgereiht wie Perlen an einer Schnur. An der Erft selbst liegen auf dem 38 km langen Lauf von Iversheim bis Burg Türnich einschl. Vey- und Erftmühlenbach 27 Wasserburgen. „An der 30 km langen Strecke von Burg Eicks, wo der Rothbach aus dem Gebirge heraustritt, bis Burg Gymnich, wo er in die Erft mündet, finden wir 21 Wasserburgen“; an der Swist sind es 16 Adelssitze (H. Welters, 1940).

Die typische Siedlungslage der Dörfer am Rande von Börde gegen Talaue hat auch Euskirchen. Das alte bäuerliche Euskirchen, aus dem die Stadt erwuchs, lag auf dem nördlichen Ufer des Veybaches kurz vor dessen Einmündung in die Erft. Die Bewohner, die in erster Linie von der Landwirtschaft lebten, verzichteten auf die geschützte topographische „Spornlage“ des Giersberges, der aus der Lößplatte von Erft und Veybach herausgeschnitten wurde. Auf dem Giersberg hätten die Bewohner eine Lage gefunden, die zwar nach Norden, Westen und Osten durch Niederungen einen gewissen Schutz bietet, die aber für bäuerliche Siedlung äußerst unzweckmäßig ist.


Das Hinterland des Giersberges ist nur zum geringen Teil mit Löß bedeckt. Größtenteils besteht es aus Schottern, Lehmen und Sanden, die vom nahen Eifelrand in das Euskirchener Eifelvorland verfrachtet wurden. Die Bauern hätten immer wieder die feuchte Niederung durchschreiten müssen, um vom Giersberg aus die fruchtbare Erper Lößplatte zu erreichen. Vom heutigen Stadtkern aus gelangt man aber ohne weiteres zum Ackerland im Nordwesten, während man im Süden und Osten grünlandreiche Niederung hat. Die weite Niederung östlich von Euskirchen, die von Erft und Erftmühlenbach umflossen wird, ist nach Müller (1950) ein tektonisches Senkungsfeld.

Erst die jüngere Entwicklung von Verkehr (Eisenbahn) und Industrie veranlaßte ein Wachstum der Stadt über die Veybachniederung nach Osten zum Giersberg. Infolgedessen hat die Stadt heute eine wannenförmige Lage.

Gutes Grünland ist in diesen niederschlags-, wasser- und flußarmen Landschaften äußerst selten und daher sehr begehrt. Es wird berichtet (nach Müller-Bender, 1950), daß das Grünland in früheren Zeiten, als der Anbau von Futterfrüchten noch wenig bekannt war, teuerer gewesen sei als das fruchtbare Ackerland. Das ist bemerkenswert, da der Lößboden, d.h. das Ackerland um Euskirchen, heute zu den beste Böden Deutschlands gehört. Die Notwendigkeit, Ackerland und Grünland für einen rentablen Landwirtschaftsbetrieb in erreichbarer Nähe zu haben, hat sicher alle Siedlungen der Börde in die typische topographische Lage zwischen Flußaue und Löß, zwischen Grünland und Ackerland gezogen. Vielleicht hat dazu auch der Wassermangel in dem Trockengebiet, das tiefliegende und wenig ergiebige Grundwasser, die Siedler an die Bachläufe gedrängt.


Neben Euskirchen sind die Orte Wißkirchen, Euenheim, Kuchenheim, Büllesheim, Wüschheim, Frauenberg, Nemmenich, Ülpenich und viele andere Beispiele für diese Siedlungslage. Weiler in der Ebene und Erp scheinen eine Ausnahme in ihrer Lage abseits von jedem Gewässer zu machen. Sie liegen aber charakteristischerweise in flachen Trockentälern und Mulden, deren Grundwasserspiegel nahe unter der Oberfläche steht.

Das Dorf Elsig, westlich von Euskirchen gelegen, hat nicht die typische Siedlungsanlage der Börde und zeit damit einen anderen Landschaftstyp an. Der Ort lehnt sich in einer flachen Delle an eine Grünlandinsel an. Von hier aus führt ein Tal quer durch die Erper Lößplatte über „Sieben Wegen“ bis gegen Bodenheim. Ein Bach folgt diesem Tal nicht, nur im Oberlauf wird es als Flutgraben benutzt. Der auffallende Gegensatz zwischen dem entwässerungsbedürftigen Grünland bei Elsig und dem gewässerlosen Lößgebiet kennzeichnet die Grenze der Bördenlandschaft gegen das Eifelvorland. Früher war das Einzugsgebiet des Elsiger Tales sicher wasserreicher. Dann hat sich aber der aus der Eifel kommende Bleibach rascher eingetieft und dem Elsiger Tal mehr und mehr Wasser entzogen. Heute hat das Tal nur noch ein sehr kleines Einzugsgebiet, dessen Wasserspende nicht ausreicht, den wasserhungrigen und wasserspeichernden Löß bis zur Erft zu durchqueren. Der Mitbach entspringt im Euskirchener Eifelvorland in ähnlicher Lage, durchquert aber nur im Unterlauf vom Ortholz ab eine Landschaft mit geringer Lößbedeckung und kann in der Euskirchener Innenstadt den Veybach erreichen.



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Edition H.K. September 2002


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