Der Name der Eifel 1)

Von Geh. Reg.-Rat Dr. F. Cramer, Münster i. W.


Als ich vor einigen Jahren in der Nähe Nettersheims über dem Urfttale auf der beherrschenden Höhe stand, die noch heute die Reste des Heiligtums der Matronae Anfaniae trägt, trat mir besonders sinnfällig die Wahrnehmung entgegen, wie innig sich in dieser Gegend Römisches und Germanisches, Vorfränkisches und Fränkisches miteinander mischen und zu überraschend enger Verbindung einander gesellen. Unweit der Höhe zieht die Römerstraße daher, die vom alten Marcomagnus, unserm Marmagen, herabkommt und den Urftfluß durchquert; im Talgrund drunten, bei der Rosentaler Mühle, beginnt der Römerkanal, der zu Colonia Agrippinensis führte, und der Name Nettersheim erinnert wieder unmittelbar an die fränkischen Siedler, wie auch die Anfaniae trotz ihres römisch geformten Namens germanische Gottheiten sind. In der Mitte zwischen Nettersheim und dem ebenfalls ganz fränkisch klingenden Blankenheim (Wald), der nächsten Bahnstation talaufwärts, heißt ein Gang im Zuge der Höhen, die von Marmagen her sich abdachen - „die Eifel“. Woher diese Bezeichnung einer Flur mitten in dem Gebirgslande, das doch selbst als Ganzes Eifel heißt? Doch halt - immer hieß dies Gebirgsland ja nicht so: es war in römischer zeit die Arduenna silva, der Ardennerwald, in den auch unser Hochland mit hineingehörte. Was ist's nun mit dem Namen Eifel? Wie ist er entstanden? Wie kam er dazu, den alten Namen zu verdrängen? Stammt auch er, gleich dem ursprünglich gallischen Worte Arduenna, aus vordeutscher (gallisch-römischer) Zeit, oder ist er seit der Einwanderung der Franken entstanden?

Von besonderer Bedeutung für die Beantwortung der Frage ist eine Beobachtung, die sich auf weiteren Eifelwanderungen und bei weiteren Erkundigungen ergab. Südöstlich von Blankenheim, in nächster Nähe des Bürgermeisteramtes Dollendorf (Kr. Schleiden), fährt ein Tal nebst den begrenzenden Hängen den Namen „en der Efelt“ oder auch „en der Efel“. Und „auf der Effel“ (gespr. Éfel) heißt eine Flur bei Frohngau (Bürgermeisterei Holzmühlheim), im Quellgebiet der Erft; und ähnliches findet sich in dieser Gegend öfter. Ganz besonderes bemerkenswert aber ist die ebenfalls bei Frohngau vorkommende Flurbezeichnung „Efelche“, also eine Verkleinerungsform zu Eifel, Efel: ich verdanke den Beleg einem freundlichen Hinweise des dortigen Herrn Pfarrer Dohmen, der auch ausdrücklich die gedehnte Aussprache des anlautenden e bezeugt, „als wenn hinter dem e noch ein h stände“. „So auch,“ fügt er ausdrücklich hinzu, „bei der Aussprache des Landschaftnamens Efel (Eifel) = Ehfel.“

Und wieder und wieder stoßen wir in jenem Teil der Eifel, d.h. in den Flußgebieten der Urft, der oberen Erft und der oberen Ahr auf Belege gleicher Art. Im Ahrgebiet gibt es auch einen Eifelberg, und selbst an einem Dorfe ist derselbe Flur- bezw. Bergname haften geblieben: Effelsberg, unweit des weit in die Lande schauenden Michelsberges.

Besonders wichtig ist aber die Tatsache, daß auch der einfache Wortstamm: eif-, ef-, also ohne die I-Ableitung, gleichermaßen in Flurnamen vorkommt. So gibt es an de obern Ahr (in der Gemeinde Lind bei Hönningen) eine „Effenück“, die sprachlich ganz einer „Effelsnick2) in derselben Gegend (bei Heckenbach) entspricht. Und wiederum steht dem „Efelchen“ bei Frohngau eine Flur „im Efchen“, ebenfalls in der Gemarkung Heckenbach, zur Seite.

Woher nun dieser Wortstamm eif (ef) und, durch die bekannte I-Ableitung erweitert, eifl (efl)? Zunächst ist festzuhalten, daß alle die erwähnten Belege sich im alten Eifelgau, paus eflinsis (i. J. 762), finden, d.h. in einem Bezirk, der im wesentlichen durch die genannten Flußgebiete bestimmt wird, und an dem ursprünglich der Eifelname gehaftet hat (vgl. meine „Rhein. Ortsnamen aus vorröm. u. Röm. Zeit“, S. 145 ff.). Dagegen fehlen sie weiter südlich, d.h. in der Moseleifel, fast gänzlich. Andererseits, und das ist sehr bemerkenswert, kommt der Wortstamm auch sonst auf fränkisch-ripuarischem Gebiet vor; so gibt es bei Bonn (in der Kessenicher Flur) eine Berglehne, die „in der Eifel“ heißt. Und, um nur einen Beleg für den nicht erweiterten Wortstamm anzuführen, bei Beckum (Münsterland) gibt es eine Bauerschaft namens Eiffe-ler 3)

Demgemäß wir im Stamm eif-, ef irgend eine Bezeichnung stecken, die auf die Beschaffenheit einer Feldflur, einer Bodenfläche, kurz dieses oder jenes Stückes Natur, hinzielt. Wo aber finden wir einen Anhaltspunkt für die Bedeutung dieses Wortstammes?

Da trifft es sich denn überraschend günstig, daß auf brabantischem - also niederfränkischem - Boden der jenem Eiffe-ler ganz entsprechende Name „de Jipelar“ (das Eipenlar) als Flurbezeichnung vorkommt, und auch auf ein Dorf (in der Gemeinde Ginneken bei Geldern) ist dieser Flurname übergegangen. Nun aber ist ijp im Niederländischen ein anderer Name für die Ulme. Eiffeler und Ijpelaar sind also die „Ulmenlare“, und die „Effenück“ wäre die „Ulmennück“ oder „Ulmenhöhe“. Zum Überfluß gibt es auch noch ein Ijpeloh (Bauerschaft bei Rijssen), und dem entspricht wieder ein westfälisches Effeloh (bei Valbert). Gerade dies „loh“ weist schnurstracks auf eine Baumart als die dem Worte eif-, ef- zu Grunde liegende Bedeutung hin, da loh seinerseits „Busch, Gehölz“ bedeutet. Effeloh ist der „Ulmenbusch“.

Und wenn wir unserm „Effe“ näher nachspüren, so stoßen wir auf die merkwürdige, bisher gänzlich übersehene Tatsache, daß diese Bezeichnung der Ulme noch heute im alten Eifelgau und auch sonst auf fränkischem Siedlungsgebiet im Volksmunde lebendig ist. Ein Eifelbewhner und Fachmann auf dem Gebiete der Nutzhölzer (Kunstschreiner Joh. Tilm. Müller in Gemünd) schrieb mir: „Mit dem Worte Effe oder Effte 4) bezeichnet man hier wie auch in der ganzen Umgegend von Gemünd die Ulme.“

Damit stimmt durchaus überein, was von dem Herausgeber des „Rheinischen Wörterbuches“, Prof. Jos. Müller (Bonn) festgestellt worden ist: Danach kommt ef (äf, öf oder öfte) als Name der Ulme u. a. auch vor in Hellenthal, Cuchenheim, Euskirchen, Blatzheim a.d. Erft, Aachen (in der Verkleinerungsform èfche) usw. Kein Zweifel, daß weitere Ermittelungen noch andere Gegenden, in denen der Name der Effe noch lebendig ist, hinzufügen werden.

Die niederländische (niederfränkische) Form ijp (in alter Form ip, mit der Ableitung iper, wovon auch Ypern den Namen hat) und eine daneben hergehende Form epe haben das dieem Wortstamme (urspr. aip=) eigentümliche p erhalten, während das mittelfränksiche (ripuarische) eif-, ef- (Effe, Iffe) die lautgesetzliche Veränderung der althochdeutschen Lautverschiebung zeigt 5).

Aber welche Bewandtnis hat es mit der Form eifl-, efl- gegenüber dem einfachen ef-?

Gibt es im Bereich der Baumnamen irgend etwas Ähnliches, wodurch diese Art der Weiterbildung Sinn und Bestätigung erhielte? Wir können mit einer vollständigen Parallele aufwarten, die Zug um Zug das gleiche Verhältnis aufweist. Der Name unserer Föhre lautet altdeutsch forche, und so noch heute im Schwäbischen; ganz gleichbedeutend aber ist die ebenfalls heute fortlebende Form forrchle oder forle, und noch kürzlich konnte man in den Zeitungen leisen, daß ein großer Bestand Forlenholz aus württembergischen Waldungen zu verkaufen sei. Übrigens heit Espe, Aspe, stellenweise Aspel; „in der Aspel“ ist eine Flur bei Niederbachem (Landkreis Bonn). Ja, auch Eiche und Eichel stehen der Form nach im ganz gleichen Ableitungsverhältnis.

So war denn der im Jahre 762 zuerst genannte pagus eflinsis (845) p. Eiflinsis) der „Effen“-Gau, so benannt nach seinen reichen Beständen an Ulmenholz; da diese Holzart wegen ihrer Verwendung zu Wehr und Waffen, zumal nach dem Hinschwinden der Eibenwälder, von ganz besonderer Wichtigkeit war, so konnte der Reichtum an solchem Holz für die Benennung des Gaues entscheidend ins Gewicht fallen.

Damit entfallen alle früher, auch von mir, gewagten und zum Teil weit hergeholten Ableitungen des Namens Eifel (Eiflia), so die Gleichsetzung mit vordeutschem Aulia („Wasserland“) oder die - auf den ersten Blick bestechende - Annahme, die Matronae Afliae hätten beim Namen die Patenschaft übernommen. Größtenteils stehen diesen und vielen andern Versuchen schon Bedenken, ja Unmöglichkeiten rein lautlicher Art entgegen.

Noch einmal: die Flurnamen, wie en der efel usw., weisen uns für die Deutung des Eifelnamens den Weg und schaffen die Gewähr, daß die Eifel ursprünglich der an Effen, Eifen, d.h. Ulmenreiche Gau ist. Fränkischer Mund hat die Bezeichnung geschaffen, bald nachdem die Römerherrschaft dahingesunken war, und diese Bezeichnung hat dann allmählich in immer sich erweiternden Kreisen den alten Namen der Arduenna silva aus dem Gebirgslande zurückgedrängt.

1) Vgl. meine Schrift: „Der Name der Eifel, besonders sein Gebrauch als Flurname“ (Sonderdruck aus dem Düsseldorfer Jahrbuch, 29. Bd., 1917, Düsseldorf 1918).
2) Nick, Nück bedeutet eine Erhöhung, Kuppe.
3) ler = lar, das bekanntlich auf fränkischem Gebiet stark zur Ortsnamenbildung verwandt wird (lar = abgegrenztes Stück Weide oder Baumplatz).
4) t ist unorganisch zugefügt, wie z.B. In Erft, Urft und wie „en der Efelt“.
5) Im übrigen muß ich wegen der lautlichen Verhältnisse auf meine Schrift verweisen.


Quelle: Eifelvereinsblatt 1918
Archiv Hans Regh

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