Der Römerkanal
(Sage seiner Entstehung)
Eberh. v. Groote

Köln, die alte Stadt am Rhein,
Baut sich einen Dom von Stein,
Will den heilgen Platz
Dem Dreikön'genschatz,
Gott und seiner Mutter weih'n.

Das wir nimmermehr gescheh'n! -
Und sie trennen sich und geh'n
Jeder an sein Werk:
Der zum Eifelberg,
Dieser zu des Domes Höh'n.

Ein Jahrhundert ist nun schon
Ueber jenem Werk entflohn,
Das sich kühn erhebt,
Zu dem Himmel strebt
Deutscher Kunst und Liebe Kron!

Zu dem frechen Lehrling tritt
Schnell der Böse: „Nimm mich mit!“
Sagt er, „ich will trau'n,
Fleißig mit dir bau'n,
Nur gewähr' mir eine Bitt':

Laut erschallt der hohe Chor,
Pfeiler richten sich empor,
Und der Meister mißt,
Was nun fertig ist,
Zum Gewölb am weiten Tor.

Ist erst unser Werk vollbracht,
Sei dein Dienst mir zugesagt!“ -
„Topp, das soll gescheh'n!
Hier mein Blut!“ Sie geh'n
Und der Anfang wird gemacht.

Da erhebt ein Lehrling sich:
„Meister, was bemühst du dich?“
Spricht er, „Laß es sein,
Nimmer mag's gedeih'n
Bruchstück bleibt es ewiglich!“

So vergehet Jahr und Tag,
Und es steiget nach und nach
Schon der Turm heran,
Auf ihm steigt der Krahn,
Hell ertönt der Glockenschlag.

Und der Meister zürnend schweigt,
Seinen Lohn dem Lehrling reicht:
„Du hast kein Vertrau'n,
Bist nicht wert, zu bau'n,
Was zu Gottes Himmel steigt!“

Und der wackre Meister schaut,
Wie ein Bräutigam zu der Braut,
Nieder von dem Turm.
Sieh', ein böser Wurm
Aus dem Boden kriecht! Ihm raut.

Aber trotzig grinst der Knecht:
„Weh euch, daß Ihr mit mir brecht!
Eher ich Euch führ'
Wasser her von Trier,
Als eu'r Turm die Spitze trägt!“

Jener Lehrling trat herfür,
Sprach: „Ich hab vollendet hier
Den Kanal!“ Es schwamm,
Als er brach den Damm,
Eine Ente her von Trier.

Und der Meister starrend sprach:
„Gott, wie rächt sich diese Schmach!“
In das Wassergrab
Stürzet er hinab.
Und sein treuer Hund ihm nach.

Von dem Turme fällt er noch
Mit dem Hund: das Wasserloch
Ist auch dort zu sehn.
Und der Dom muß steh'n
Seither unvollendet noch.

Doch der Wurm im Augenblick
Brach dem Lehrling das Genick. -
Nachts kehrt, wie es heißt,
Oft des Meisters Geist
Messend in den Dom zurück.



Vorstehende Sagen ist entommen dem Wanderbuch „Die Vordereifel“, daß vor Jahren in unserem Verlage erschienen und jetzt leider vergriffen ist.

Unsere Heimat im Wandel der Zeit, Beilage zum Euskirchener Volksblatt, Seite 158, 159, 1. Jahrgang, Nr. 20, 1924

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