Die Vordereifel 

Geschichtliches und Wanderungen von Joseph Pesch - 1901 

Die Franken

Infolge der durch das Vordringen slavischer Völker veranlaßten Einwanderung der Gothen in das Flußgebiet des Dnjper, gerieten fast alle Stämme von der Weichsel bis zum Rhein in unruhige Bewegung. Eine Folge dieser großen Völkerwanderung war die Germanisierung des linken Rheinufers. Am weitesten nach Westen drangen von den im 3, Jahrhundert in Westdeutschland entstandenen drei Völkerbünden (Alemannen, Franken, Sachsen) die Salfranken vor, deren Gebiet der Kern und Grundstock des großen Frankenreiches werden sollte. Vom Oberrhein breiteten sich allmählich die Alemannen den Rhein hinunter bis über Köln und Aachen aus. Dort kreuzten sich ihre Niederlassungen mit denen der Franken, Ein Stamm der Franken begegnet uns unter dem Namen Ripuarier (=Uferbewohner). Ihrem Königreiche gehörte auch unsere Gegend an. Als für sie die Ausbreitung der Alemannen in dem niederrheinischen Flachlande bedrohlich wurde, rief deren König Siegbert die Hilfe seines Verwandten Chlodwig an, einem Gaukönig der Salfranken aus dem Geschlechte der Merovinger. Dieser erschien mit einem Heer und es kam zu einer mörderischen Schlacht (496 ?). An den Sieg knüpft sich die Erzählung von der Bekehrung des salischen Frankenkönigs zum Christentum. Dem Beispiel des Königs folgten 30oo Franken. Jedoch vergingen noch mehr als zwei Jahrhunderte, ehe das Heidentum im fränkischen Lande vollständig ausgerottet war. Chlodwig wurde der Gründer eines einheitlichen, mächtigen Reiches, dessen Festigkeit auf dem starken Königtum und dem gleichen religiösen Bekenntnis der germanischen und romanischen Bevölkerung beruhte. Der Herrschaft der Römer hat er in Gallien ein Ende gemacht, nachdem sie 542 Jahre bestanden. Nach und nach verschwanden nun in unserm Gebiete die römischen Einrichtungen. Die staatlichen Einrichtungen des fränkischen Reiches zeigen echt germanische Züge. Doch ohne Einfluß ist das Römertum auf sie nicht geblieben. Die sonstigen Veränderungen gegen die frühere Zeit erklären sich aus der Umgestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, welche das Aufkommen des Großgrundbesitzes mit sich brachte. Am Schlusse des Zeitalters der Merovinger 751 begegnen uns folgende drei Stände: 1. der geistliche und weltliche Adel (Großgrundbesitzer, Bischöfe, Grafen); 2. die Reste der Gemein = Freien; 3. die Grungholden.

Der Mittelpunkt des Staates war der d. h. der König mit seiner Umgebung. Es gab keine feste Residenz, sondern der Hof wanderte von einem Königsgute zum andern, um die Erträgnisse an Ort und Stelle zu verzehren. Diese Güter, die im ganzen Reiche zerstreut lagen (Domänen = Güter des Herrn d. h. des Königs, oder Krongüter) bildeten die Grundlage der Macht des Königs. Sie lieferten ihm die bedeutendsten und sichersten Einnahmen, sie stellten ihm die zuverlässigsten Krieger. Auf diesen Domänen bauten die fränkischen Könige Paläste, wo zur Römerzeit meist Kastelle gestanden, in welcher sie sich aufhielten, wenn sie die Provinzen bereisten. Die Verwaltung der Königshöfe war einem Amtmann, Burggrafen, Vogt oder Meier anvertraut. Das Vergnügen der Jagd zog die fränkischen Könige nach dem Ardennenwalde (Eifelgebiet), und darum erhoben sich auch in diesen Gegenden Jagdschlösser. Ein solches fränkisches Krongut besaß unser Flamersheim in der Chronik des Prümer Abtes Regino genannten villa regia Flamersheim. Sie hat im Bereiche des jetzigen Schlosses Flamersheim gestanden. Die Erwähnung des Königsgutes Flamersheim durch Regino geschieht bei der Schilderung eines Unfalles, der Ludwig den Deutschen in Flamersheim traf. Zu ihrer Erklärung diene folgendes: Lothar II. hatte nach dem Tode seines Vaters Lothar I. den nördlichen Teil des mittelfränkischen Reiches, Lotharingien (Lothringen) genannt, erhalten. Nach dessen Tode ließ sich sein Oheim Karl der Kahle in Metz zum König von Lothringen krönen. Ludwig der Deutsche erhob dagegen Einspruch, was zu langwierigem Streite zwischen beiden Königen führte. In Attigny wurden 870 in ihrem Auftrage Verhandlungen über die Teilung Lothringens gepflogen. Während derselben, in der ersten Hälfte des Mai, hielt sich Ludwig der Deutsche zu Bürstadt bei Worms auf, wo er Pfingsten feierte, später in Frankfurt. 

Ehe jedoch die beabsichtigte Unterredung zu Meersen an der Maas wirklich stattfinden konnte, traf den König ein Unfall, der fast alles, was er so mühsam erreicht, wieder hätte scheitern lassen. Als er nämlich im Juli 870 auf der Reise nach Meersen begriffen, zu Flamersheim, einem Krongute im Repuarierlande, mit seinem Gefolge Nachtlager nehmen wollte, wichen unter der ungewohnten Menschenlast die vor Alter morsch und faul gewordenen Balken, der Söller brach zusammen und begrub unter seinen Trümmern den in das Erdgeschoß hinabgestürzten König mit mehreren Begleitern. Von selbst aber erhob sich der totgeglaubte Fürst wieder von dem schweren Falle indem er versicherte, daß ihm kein Unglück geschehen sei. Wiewohl ihm zwei Rippen gebrochen waren, setzte er dennoch, seine Leiden verbergend, am andern Tage die Reise nach Aachen weiter fort. "So groß aber", sagt Regino, "war die Standhaftigkeit dieses Fürsten, so groß seine Überwindung, daß, obgleich das Knistern der zerbrochenen und an dem Bruche sich reibenden Rippen von einigen gehört wurde, dennoch niemand ihn deswegen einen Seufzer oder Klagelaut ausgestoßen hörte." Nachdem von Aachen aus noch Boten zwischen beiden Königen hin und wieder gegangen waren, trafen dieselben endlich, Ludwig anscheinend bei bestem Wohlsein, am 8. oder 9. August unweit Meersen auf einem Vorsprunge an der Maas, ihrem künftigen Grenzstrome, persönlich zusammen.

Die Pfalzen der fränkischen Könige waren vom wohltätigsten Einflusse auf den Wohlstand der Bewohner ihrer Umgebung, indem es den fränkischen Königen eigen war, denselben Privilegien für Märkte, Zünfte ect. zu verleihen, wodurch viele Künstler, Kaufleute, Fabrikanten und Handwerker angezogen wurden und die Bevölkerung sich sichtbar vermehrte. Aber es stieg auch in der Umgebung solcher begünstigten Orte manches Burghaus auf römischer Unterlage empor, das der Sitz einer adligen Familie wurde. Nicht unberechtigt wäre darum die Inanspruchnahme der Erbauung mancher Burgen unseres Distriktes für die fränkische Zeit.

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