Die Vordereifel



Geschichtliches und Wanderungen von Joseph Pesch - 1901





Der Tomberg bei Rheinbach



Drei Mädchen aus dem Dorfe Ersdorf bei Rheinbach gingen an einem Sonntage aus, um Erdbeeren zu sammeln und kamen zum Tomberge, dessen Abhang mit niederem Gesträuch bewachsen war. Sie erblickten hier eine noch nie wahrgenommene Öffnung, die sie für den Eingang einer Berggrube hielten, und gingen ohne Furcht hinein. Je weiter sie indessen gingen, desto mehr erweiterte sich die Höhle, bis sie endlich in einer geräumigen und von Säulen unterstützten Halle angelangten. In der Halle aber saß ein alter Mann mit silberweißem Haar. Mit der rechten Hand zeigte er auf einen Tisch, auf dem eine goldene Rute lag; mit der linken wies er nach einer Ecke hin, in welcher eine eiserne Kiste stand, auf der ein großer schwarzer Hund lag. Der Hund fing an zu knurren, sprang von der Kiste zur Erde, kratzte an dem darin steckenden Schlüssel, sprang, da die Mädchen sich nicht näherten, wieder hinauf und glotzte nun in einemfort die Mädchen mit seinen feurigen Augen an. Von den übrigen Dingen, welche sich in der Halle befanden, wußten die Kinder nichts zu erzählen, da die Furcht ihnen fast alle Besinnung geraubt hatte. Eines von ihnen erinnerte sich jedoch einer Uhr, welche dem Mann gegenüber an der Wand hing, und die bei ihrem Eintritte in der Halle drei schlug und so schneidende Töne hervorbrachte, wie die Töne einer Glocke es sind, wenn man sich beim Läuten in der Nähe derselben befindet. Wie lange die Kinder in der Halle verweilten, wußten sie nicht genau anzugeben; sie hörten jedoch die Uhr vier Schläge tun, worauf der Mann einen angstvollen Seufzer ausstieß und eine Dunkelheit erfolgte gleich der finstersten Nacht. Auch vernahmen sie ein fernes Getöse, welches sich immer mehr und mehr der Stelle näherte, wo sie wie angewurzelt standen. Das Getöse endete mit einem starken Knalle, wobei die Mädchen besinnungslos zu Boden sanken. Wie sie wieder zu sich kamen, befanden sie sich unter freiem Himmel; Ihre Körbchen lagen neben ihnen, und Erdbeeren waren zerstreut.


Diesem fügt die Sage als Erklärung hinzu:

In der Nähe des Tomberges wohnte vor vielen Jahren ein überaus reicher Mann, der aber auch ebenso böse war. Er quälte sein armes Weib und seine Kinder, und nicht selten vergriff er sich auch noch tätlich an ihnen. Aber noch ärger erging es seinem Gesinde. Einst schickte er einen seiner Knechte, einen Jüngling von 16 Jahren, in den mit Hecken und Gesträuch bewachsenen Tomberg um eine Bürde Haselgerten in Zeit von 20 Minuten zu bringen. Der Jüngling machte sich ungesäumt auf den Weg und suchte an dem buschigen Abhange des Tomberges die Haselgerten; da die Stelle deren aber nur sehr wenige enthielt, sah er wohl vorher, daß es unmöglich sei, das Verlangen in der gesetzten Zeit zu bewerkstelligen.

Der Herr saß unterdessen zu Hause und gab genau auf den Ablauf der 20 Minuten acht. Da diese verflossen und der Knecht noch nicht zurückgekehrt war, sprang er voll Zorn auf und lief, einem Besessenen gleich, in den Wald, um den faulen Knecht aufzusuchen und zu bestrafen. Er fand ihn, als er eben seine Bürde zusammenbinden wollte, riß ihn zu Boden trat ihn in voller Wut auf die Brust, zog eine von den dicksten Gerten aus der Bürde und schlug ihn damit derart auf den Kopf, daß er tot hinsank. Doch damit noch nicht zufrieden, löste er die Binden der Bürde, steckte den halbtoten Jüngling in dieselbe und schnürte ihn mit den Gerten so fest zu, als er es nur vermochte. Der Jüngling kam aber gegen alle Erwartung wieder zu sich und bat flehentlich um sein Leben. Allein seine Wut hatte keine Grenzen, er lud den Jüngling auf den Rücken, trug ihn zu einer nicht fernen Eiche, lehnte ihn, den Kopf nach unten, an diese an, und entfernte sich unter schadenfrohem Lachen. Als der Grausame in seine Behausung zurückgekehrt war und seine Wut etwas nachgelassen hatte, fing er an,seine Tat zu bereuen und machte sich daher auf, um seinen mißhandelten Diener zu retten. Er fand an der Stelle aber keine Spur mehr von ihm; er erblickte jedoch daselbst eine Höhle und ging eine Strecke hinein, seinen Diener zu suchen. Als er aber das Ende der Höhle erreicht hatte, schlug der Eingang derselben unter lautem Getöse zu, und er sah sich so lebendig begraben.

Ein Greis trat jetzt aus einer Ecke der Höhle hervor und trug die von dem Knechte gesuchten Haselgerten unter dem Arme. Indem er diese auf einen in der Nähe stehenden Tisch legte, kündigte er jenem sein Urteil also an: "Du bist wegen deiner unmenschlichen Handlung so lange in diesen finstern Ort verbannt, bis daß ein menschliches Wesen ungerufen und ungeheißen an dir dasselbe tut, was du mit teuflischer Bosheit an deinem Diener verübt hast. Einem solchen wird es aber nur an einem Tage des Jahres und nur zu einer Stunde des Tages, nämlich von drei bis vier Uhr, möglich sein, zu dir zu gelangen."

Hieraus erklärt sich, weshalb der Mann beim Eintritte der Mädchen auf die auf dem Tische liegende Bürde hinzeigte, und, als die Uhr vier schlug, ängstlich seufzte.



Des letzten Ritters von Tomberg Schätze


Auf dem Grunde des Schloßbrunnens der Tomburg liegt der Schlüssel, durch den es möglich wird, die Schätze des letzten Ritters von Tomberg zu schauen; er öffnet die Türe, die sich in der Höhle des Tomberges befindet. In dem abgeschlossenen Raume stehen zwei schwere, eisenbeschlagene Kisten. Auf jeder derselben sitzt eine große Dogge, deren feurige Augen unheimlich durch das Dunkel leuchten. Sie hüten die Schätze, die der letzte Ritter von Tomberg hier zurücklassen mußte. Kein Sterblicher darf es wagen, die Truhen zu berühren; die wütenden Doggen würden ihn zerreißen. Wenn aber ihr Herr, der letzte Ritter, noch einmal erscheint, um seine Burg wieder aufzubauen, in der er seine Schätze verwenden will, dann kriechen sie ihm freudig zu Füßen und belecken seine Hände.



Die goldene Wiege im Tomberge.


Auf der Tomburg wohnte vor langen Zeiten ein Graf und eine Gräfin, die ein wunderschönes Kind hatten. Sie liebten das Kind so sehr, daß sie ihm eine goldene Wiege machen ließen. Da wurde das Kind krank und starb. Die Mutter war untröstlich. Sie saß stundenlang an der leeren Wiege und weinte über ihren toten Liebling. Da dachte der Graf, er wolle die Wiege fortschaffen; wenn die Gräfin sie nicht mehr sähe, dann werde sie nicht mehr so viel an ihr verstorbenes Kind denken und sich eher trösten. Er ließ die Wiege in den tiefen Schloßbrunnen werfen. Die Eltern starben, die Burg zerfiel. Noch heute aber soll die goldene Wiege im Brunnen liegen. Viele haben schon versucht, sie herauszuholen. Sie vergaßen aber, daß man beim Herausgraben solcher Schätze nicht sprechen darf. Wenn sie den Schatz bald oben hatten, dann wollte es das Unglück, daß immer einer sich vergaß und sprach, und die Wiege stürzte in die Tiefe zurück. Wem es gelänge, sie herauszubekommen, der solle reich genug sein.



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