| Der Vorzeit heiltge Schauer
			wehen düster Aus dieser Mauern eingesunkner Pracht,
 Des
			ersten Epheus schauriges Geflüster
 Gemahnet mich wie
			Geisterruf der Nacht:
 Der Zahn der Zeit, der ewige Verwüster,
 Gibt Zeugnis hier von seiner ew,gen Macht;
 Denn was
			Jahrhunderte hier durfte schimmern,
 Es liegt zermorscht in
			riesenstarken Trümmern.
 Es kommt die Zeit und geht; so
			wie die Blätter Der Sturm vertreibt, so schwindet das
			Geschlecht,
 Ein neues keimt und wechselt, wie das Wetter;
 Wer
			heute Herr war, morgen ist er Knecht.
 Wo ist für das
			Vergangene ein Retter ?
 Wer machte es für alle Zeiten
			recht ?
 Im stehten Kampf von Stürmen und von Frieden
 Ist
			uns der flücht'ge Augenblick beschieden.
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		| Und so muß selber das
			Vergang'ne dienen, Den Augenblick uns freundlich zu erhöh'n:
 Füllt den Pokal hier unter den Ruinen,
 Und laßt
			ihn liebend in dem Kreise geh'n !
 Gleicht im Genuß den
			ewig regen Bienen,
 Die, Honig sammelnd, selbst den Dorn
			umwehn;
 Und will der Ernst die Stunde euch umtönen,
 So
			sei es nur, sie mehr noch zu verschönen.
 Denn zwischen Ernst und Scherz
			schwankt unser Leben; Verbinde beide dir mit kluger Hand !
 Der Ernst muß uns den Kranz des Ruhmes weben,
 Der
			Scherz umschlinge ihn mit zartem Band.
 Nur der kann über's
			Leben sich erheben,
 Der zu dem Leben selbst den Schlüssel
			fand,
 Der es versteht, trotz Nacht und Kampf und Winden
 Den
			Ruhehafen in sich selbst zu finden !
 Bau, nicht dein Glück nach
			außen! Sieh die Mauern Wie sie, Titanen gleich, hier
			hingestreckt !
 Sie konnten nicht im Sturm der Zeiten dauern;
 Die Helden, die die Gauen rings geschreckt,
 Sie modern in
			des Grabes düsterm Schauer,
 Nicht vom Trompetenrufe
			aufgeweckt !
 Nur dunkle, geisterschauerliche Sagen
 Sind
			märchenhaft zu uns herangetragen.
 Was die Geschichte gibt, ist
			klein zu heißen, Wenn es auch damals groß die Zeit
			erfüllt
 Sie ist vorbei, verrostet sind die Eisen;
 Wo
			sind die Rosse, wo der Helm, der Schild ?
 Das alles floh auf
			ahnungsvollem, leisen
 Gefieder hin, gleich Nebeln im Gefild:
 Richenza, Ida, Ehrenfried, Mathilde, 1)
 Sie
			sind uns nichts als dunkle Traumgebilde.
 Und kein Vasall 2)
			verlangt belehnt zu werden Nach strengem Brauch; kaum raget
			noch der Turm,
 Wo man vor'm Einlaß hielt mit seinen
			Pferden;
 Und den Kamin zerbrach der wilde Sturm,
 Und wo
			sie zechten mit den blanken Schwertern,
 Da kreucht im dunklen
			Brombeerstrauch der Wurm;
 Die Reichskleinodien sind
			hinweggetragen,
 Im Brunnen ist versenkt der gold'ne Wagen.
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		| Kein Herzog Dietricht in der
			Schlacht gefangen, Und rücklings auf dem Pferd zur Burg
			gebracht,
 Seufzt hier und starrt ins Freie mit Verlangen,
 Beweint die Freiheit und verlorne Schlacht;
 Des Siegers,
			des Besiegten Heldenwagen
 Bedecket nun der Grüfte öde
			Nacht;
 Der Raubgraf schläftt der rings das Land
			verheerte,
 Der Herzog ruht, der diese Burg zerstörte.
 Doch sieh, ein Sinnbild unsrer
			Lebensfreuden, Schlingt hier der Weinstock sich um das Gestein
 Sieh, wie die Reben sanft es überkleiden !
 So schlingt
			die Hoffnung unsre Schmerzen ein;
 Es sucht die Freude in
			Vergangenheiten
 Und in der Zukunft ihren Rosenschein,
 Und
			schlingt ihr Grün um finstere Ruinen,
 Um alten Schmerz
			mit neuer Luft zu sühnen.
 Und aus den Trümmern, an
			des Berges Fuße, Hat Menschenhand ein Plätzchen
			sich erbaut:
 Der Epheu nickt umher mit zartem Gruße;
 Hier sitzet sichts so einsam und so traut !
 In stille
			Träume sinkt die holde Muse
 Und flüstert hier mit
			himmlich süßem Laut
 Dem Manne Dankt der dieses
			Örtchen weihte
 O, daß Natur und Lieb, ihn stets
			begleite !
 Nun lebe wohl, du alter
			Riesenhügel, Von dem der Blick weit in die Ferne eilt,
 Um den der dunklen Vorwelt grauer Flügel
 Mit
			wundersamem Rauschen magisch weilt;
 Die Phantasie verlieret
			hier die Zügel,
 Ein unbegrenztes Feld wird ihr erteilt
 Mit reicher Brust und wonnesüßem Schauern
 Verläßt
			der Wandrer deine Felsenmauern.
 Und wo die Eichen ihre Wipfel
			heben, Hebt er voll Staunen einmal noch den Blick
 In
			seiner Brust regt sich ein höh'res Leben,
 Und mutig
			schaut er in die Welt zurück;
 Er fühlt die alten
			Taten um sich schweben,
 Und schafft in sich ein alt, und neues
			Glück,
 Und lispelt: O Natur, wer dir geschworen,
 Ist
			ewig jung, wird ewig neu geboren !
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		| 1) Von 950 -1156 residierten
			hier die Pfalzgrafen. Ehrenfried spielte unter ihnen die
			merkwürdigste Rolle; Mathilde, seine Gattin, war des Kaisers
			Otto II. Tochter; nach Otto III. Tode war Ehrenfried
			Reichsverweser. Richenza war eine Tochter Ehrenfrieds und die
			berüchtigte Königin von Polen, Mutter Casimirs I. Seine
			andere Tochter war die hl. Ida. 2) Die Wildhöfer wurden
			auf folgende Weise belohnt: Sie ritten auf einem einäugigen
			Pferde mit härenem Zaume und Stricken bis vor den Turm. Sie
			mußten zwei Koppeln Jagdhunde, ein einäugiges Windspiel
			und einen einäugigen Habicht mit sich führen. |