Die Vordereifel



Geschichtliches und Wanderungen von Joseph Pesch - 1901





Die Burgruine Tomberg

(Schier.)




Der Vorzeit heiltge Schauer wehen düster
Aus dieser Mauern eingesunkner Pracht,
Des ersten Epheus schauriges Geflüster
Gemahnet mich wie Geisterruf der Nacht:
Der Zahn der Zeit, der ewige Verwüster,
Gibt Zeugnis hier von seiner ew,gen Macht;
Denn was Jahrhunderte hier durfte schimmern,
Es liegt zermorscht in riesenstarken Trümmern.

Es kommt die Zeit und geht; so wie die Blätter
Der Sturm vertreibt, so schwindet das Geschlecht,
Ein neues keimt und wechselt, wie das Wetter;
Wer heute Herr war, morgen ist er Knecht.
Wo ist für das Vergangene ein Retter ?
Wer machte es für alle Zeiten recht ?
Im stehten Kampf von Stürmen und von Frieden
Ist uns der flücht'ge Augenblick beschieden.

Und so muß selber das Vergang'ne dienen,
Den Augenblick uns freundlich zu erhöh'n:
Füllt den Pokal hier unter den Ruinen,
Und laßt ihn liebend in dem Kreise geh'n !
Gleicht im Genuß den ewig regen Bienen,
Die, Honig sammelnd, selbst den Dorn umwehn;
Und will der Ernst die Stunde euch umtönen,
So sei es nur, sie mehr noch zu verschönen.

Denn zwischen Ernst und Scherz schwankt unser Leben;
Verbinde beide dir mit kluger Hand !
Der Ernst muß uns den Kranz des Ruhmes weben,
Der Scherz umschlinge ihn mit zartem Band.
Nur der kann über's Leben sich erheben,
Der zu dem Leben selbst den Schlüssel fand,
Der es versteht, trotz Nacht und Kampf und Winden
Den Ruhehafen in sich selbst zu finden !

Bau, nicht dein Glück nach außen! Sieh die Mauern
Wie sie, Titanen gleich, hier hingestreckt !
Sie konnten nicht im Sturm der Zeiten dauern;
Die Helden, die die Gauen rings geschreckt,
Sie modern in des Grabes düsterm Schauer,
Nicht vom Trompetenrufe aufgeweckt !
Nur dunkle, geisterschauerliche Sagen
Sind märchenhaft zu uns herangetragen.

Was die Geschichte gibt, ist klein zu heißen,
Wenn es auch damals groß die Zeit erfüllt
Sie ist vorbei, verrostet sind die Eisen;
Wo sind die Rosse, wo der Helm, der Schild ?
Das alles floh auf ahnungsvollem, leisen
Gefieder hin, gleich Nebeln im Gefild:
Richenza, Ida, Ehrenfried, Mathilde, 1)
Sie sind uns nichts als dunkle Traumgebilde.

Und kein Vasall 2) verlangt belehnt zu werden
Nach strengem Brauch; kaum raget noch der Turm,
Wo man vor'm Einlaß hielt mit seinen Pferden;
Und den Kamin zerbrach der wilde Sturm,
Und wo sie zechten mit den blanken Schwertern,
Da kreucht im dunklen Brombeerstrauch der Wurm;
Die Reichskleinodien sind hinweggetragen,
Im Brunnen ist versenkt der gold'ne Wagen.

Kein Herzog Dietricht in der Schlacht gefangen,
Und rücklings auf dem Pferd zur Burg gebracht,
Seufzt hier und starrt ins Freie mit Verlangen,
Beweint die Freiheit und verlorne Schlacht;
Des Siegers, des Besiegten Heldenwagen
Bedecket nun der Grüfte öde Nacht;
Der Raubgraf schläftt der rings das Land verheerte,
Der Herzog ruht, der diese Burg zerstörte.

Doch sieh, ein Sinnbild unsrer Lebensfreuden,
Schlingt hier der Weinstock sich um das Gestein
Sieh, wie die Reben sanft es überkleiden !
So schlingt die Hoffnung unsre Schmerzen ein;
Es sucht die Freude in Vergangenheiten
Und in der Zukunft ihren Rosenschein,
Und schlingt ihr Grün um finstere Ruinen,
Um alten Schmerz mit neuer Luft zu sühnen.

Und aus den Trümmern, an des Berges Fuße,
Hat Menschenhand ein Plätzchen sich erbaut:
Der Epheu nickt umher mit zartem Gruße;
Hier sitzet sichts so einsam und so traut !
In stille Träume sinkt die holde Muse
Und flüstert hier mit himmlich süßem Laut
Dem Manne Dankt der dieses Örtchen weihte
O, daß Natur und Lieb, ihn stets begleite !

Nun lebe wohl, du alter Riesenhügel,
Von dem der Blick weit in die Ferne eilt,
Um den der dunklen Vorwelt grauer Flügel
Mit wundersamem Rauschen magisch weilt;
Die Phantasie verlieret hier die Zügel,
Ein unbegrenztes Feld wird ihr erteilt
Mit reicher Brust und wonnesüßem Schauern
Verläßt der Wandrer deine Felsenmauern.

Und wo die Eichen ihre Wipfel heben,
Hebt er voll Staunen einmal noch den Blick
In seiner Brust regt sich ein höh'res Leben,
Und mutig schaut er in die Welt zurück;
Er fühlt die alten Taten um sich schweben,
Und schafft in sich ein alt, und neues Glück,
Und lispelt: O Natur, wer dir geschworen,
Ist ewig jung, wird ewig neu geboren !


1) Von 950 -1156 residierten hier die Pfalzgrafen. Ehrenfried spielte unter ihnen die merkwürdigste Rolle; Mathilde, seine Gattin, war des Kaisers Otto II. Tochter; nach Otto III. Tode war Ehrenfried Reichsverweser. Richenza war eine Tochter Ehrenfrieds und die berüchtigte Königin von Polen, Mutter Casimirs I. Seine andere Tochter war die hl. Ida.

2) Die Wildhöfer wurden auf folgende Weise belohnt: Sie ritten auf einem einäugigen Pferde mit härenem Zaume und Stricken bis vor den Turm. Sie mußten zwei Koppeln Jagdhunde, ein einäugiges Windspiel und einen einäugigen Habicht mit sich führen.



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