Die Vordereifel



Geschichtliches und Wanderungen von Joseph Pesch - 1901





Burg Kirspenich - Haus Broich - Antweiler - Satzvey
(2 Stunden.)



Zum Bahnhof Arloff. An diesem vorbei auf die Chaussee, der man eine kleine Strecke nach rechts folgt bis zu einem Fahrweg, der links abgeht. Diesem folgend gelangt man nach einer kleinen Viertelstunde an den Broicher Hof, einem großen zum Hause Broich gehörigen Gutshof. Er liegt am Mersbache und ist von Wasser umgeben. Ehemals war er ein zum Kölnischen Landtag qualifizierter Rittersitz, der bereits im Jahre 1669 als der Jesuiten Eigentum vorkommt und ihnen als Tuskulanum (Musensitz) wurde. Nach Aufhebung des Ordens zog der Kurfürst von der Pfalz das Gut als Domäne ein. Die französische Regierung verkaufte dasselbe als Nationaleigentum für 10.300 Franken an den General von Ritz zu Wachendorf. Seitdem blieb das Gut bei Wachendorf. Im vorigen Jahre baute der Bruder des Herrn Dr. jur. Paul Mallinckrodt, Herr Max Mallinckrodt, am Waldrande, nahe dem Broicher Hof ein schmucke zweigeschossige Villa. In der Mitte der Fassade ist ein breiter Erker vorgebaut, zu dem ein Treppenaufgang führt. Die weiße Schauseite und das rote Ziegeldach machen das Gebäude schon aus weiter Ferne bald sichtbar. Hübsche Anlagen zieren den Platz vor der Villa. Von Haus Broich führt der Weg durch Wiesen und Felder nach Antweiler, das in 20 Minuten erreichbar.

Zur linken erblickt man die kath. Pfarrkirche von Antweiler-Wachendorf. Etwas erhöht stehend, von einem Kirchhof, den eine Mauer einfriedigt, umgeben, beherrscht sie den ganzen Westen des Talkessels. Turm und Langhaus gehören bezüglich ihrer Erbauung nicht derselben Zeit an. Denn eine schon im 10. Jahrhundert bestandene Kirche hat an ihrer Stelle gestanden. Im Jahre 1852 wurde sie mit Ausnahme des Turmes niedergelegt und durch einen romanischen Bruchsteinbau nach den Plänen des Dombaumeisters Zwirner in Köln ersetzt. Im Jahre 1894 wurde der Turm um ein Geschoß und ein plumpes einseitiges Pyramidendach erhöht. Einen wertvollen Taufstein aus dem 12. Jahrhundert besitzt die Kirche in Antweiler. Derselbe ist aus Blaustein verfertigt und hat die Form einer breiten flachen Schale, die ein moderner auf einer Fußplatte aufgesetzter Schaft trägt. Am Rande der Schale treten vier rohe Eckköpfe kräftig vor. Die Felder zwischen ihnen sind mit Wasserungetümen in flachem Relief ausgefüllt.

Zwischen Kirche und Dorf liegt die Fabrikanlage der Antweiler Thonwerke. Das früher dem Freiherrn A. Von Solemacher gehörige Werk besteht unter der jetzigen Firma, die eine GmbH ist, seit 1894. Die Werke wurden im Sommer 1897 bedeutend vergrößert und arbeiten heute mit einer Dampfmaschine von 60 Pferdekräften; der Dampfkessel hat etwa 135 qm Heizfläche. An 16 Arbeitsmaschinen sind 75 Arbeiter beschäftigt. Das Absatzgebiet ist hauptsächlich Rheinland, Westfalen und Rheinhessen. Die Fabrik besitzt einige Tongruben in Antweiler und Arloff, sowie ein Anschlußgleis an die Euskirchener Kreisbahn. Es werden fabriziert: a) hochfeuerfeste Produkte und Chamotte (Steine) in allen Größen und Formen, Radial-Formsteine für runde Kamine, feuerfeste Mörtel; b) hochgesinterte stahlharte Tonplatten für Fußböden, Stallungen, Durchfahrten, Trottoire und Fabriken.

Antweiler besitzt zwei Burgen: eine obere, die jenseits der Bahn, und eine untere Burg, die im Dorfe liegt. Die untere Burg ist ein schmucker Bau, aus Vor- und Hauptburg bestehend. Beide trennt ein breiter Wassergraben. Das Herrenhaus der Hauptburg ist ein zweiflügeliger Bau von zwei Geschossen mit einem kräftigen Eckturm. Dieser entstammt noch mit einem Teile der Umfassungsmauer der mittelalterlichen Anlage, in welcher er viel höher war. Durch den Ostflügel führt ein breiter Torweg an einem kleinen Kapellenraum vorbei. Das rundbogige Tor mit den Rollen für die Zugbrücke gehört wahrscheinlich dem 16. Jahrhundert an. Im vorigen Jahrhundert hat der Bau weitgehende Veränderungen erfahren. Die von zahlreichen Ecktürmen unterbrochenen Umfassungsmauern sind durchweg noch in der Höhe von 4 - 6 m erhalten. Die Ostecke zeigt eine große, rechteckige Bastion, deren Mauern jedoch nur in Brüstungshöhe erhalten sind. An der Nordseite vor dem Herrenhaus liegt die einfache Vorburg mit Bauten aus dem 18. Jahrhundert.

Geschichte der Unteren Burg:

In den frühesten Nachrichten erscheinen die beiden Burgen als ein Besitztum unter dem Namen Antweiler. Antweiler war eine Unterherrschaft, deren Zugehörigkeit zwischen Kurköln und Jülich strittig war. Im Jahre 1345 wird ein Dietrich von Antwylre Ledigmann des Grafen von Jülich. Im 15. Jahrhundert erscheint die Herrschaft im Besitz einer Linie der von Ahr. Die Trennung des Grundbesitzes in Ober- und Niederburg datiert aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Die Tochter Johannes von Ahr brachte die Niederburg an Michael von Zynatten. Durch Erbschaft gelangte sie später an die Linie der von Zynatten zu Reimersdäl. Der jetzige Besitzer ist Se. Exzellenz, Friedrich Freiherr von Solemacher-Antweiler, Kgl. Kammerherr und Schloßhauptmann zu Brühl, in Bonn. Die Familie von Solemacher, welche früher die Erbvogtei zu Antweiler als kurkölnisches Lehen besaß, besitzt das Gut schon seit 1765. Vom Vater wurde es stets auf den Sohn vererbt. Es ist ein zum preußischen Herrenhaus befähigter Grundbesitz.

Die obere Burg umschließt einen ungefähr quadratischen Raum, an dessen Südostecke das zweiflügelige Herrenhaus liegt. Die Schmalseiten des dreigeschossigen Hauptflügels gehen nach oben in große Treppengiebel über. Er entstammt wahrscheinlich dem Mittelalter und erhielt bei der im 16. Jahrhundert erfolgten Erbauung des zweigeschossigen Seitenflügels seine jetzige Gestalt. An der Nordseite des Burghofes liegt das rundbogige Tor des 16. Jahrhunderts. Ein kleiner runder Turm mit schlanker Schieferhaube flankiert es. Die an drei Seiten erhaltenen Umfassungsmauern zeigen, unregelmäßig verteilt, eine große Anzahl von Schießscharten. Von der die Burg ehedem umgebenden Wassergräben ist an der Nordseite ein kleiner Teil erhalten. Sehenswert sind die in den beiden obergeschossen des Hauptflügels befindlichen Renaissance-Kamine aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Sie sind vortrefflich erhalten und übereinstimmend in Stein errichtet. Die Wangenstücke und Konsole sind mit Schuppen und Rosettenbändern verziert. An dem breiten Sturz liegen in vier hochovalen Feldern Wappen. Als Rauchschutz hängt unter dem Sturz ein entsprechend mit vier Wappen geschnitztes Brett. Am Kamin des zweiten Obergeschosses ist der aus Kieselmosaik im geometrischem Muster hergestellte Feuerboden noch erhalten. Die acht Wappen eines jeden Kamins sind (bei dem im ersten Obergeschoß in anderer Reihenfolge): Metternich, Ahr, Efferen, von der Heyden zu Nechtesheim, Beißel-Gymnich, Merkesbach gen. Alner, Metternich und Sieberich von der Neuerburg.

Geschichte der oberen Burg:

Die Oberburg entstand durch die Teilung der von Ahrschen Güter in Antweiler am Anfang des 16. Jahrhunderts. Herrenhaus und Umfassungsmauern gehören im wesentlichen dieser Zeit an. Bis zum Jahre 1716 blieben die von Ahr im Besitze der Burg. Burg und Grundbesitz kamen dann durch Kauf an die Kölner Jesuiten. Mit dem Vermögen des Kölner Jesuiten-Kollegiums fiel die Oberburg an die Schulverwaltung in Köln, die noch jetzt Eigentümer ist.

Gastwirtschaft von Paul Esser.

Von Antweiler führt der Weg an Burg Zievel vorbei in einer halben Stunde nach Satzvey. Der Ort, den man links vom Wege gegenüber Burg Zievel sieht, ist Lessenich.

Mit dem Eintritt in Satzvey haben wir das Veybachtal betreten. Kurz vor dem Dorfe überschreiten wir zunächst das Gleis der Eisenbahnstrecke Euskirchen-Trier, sodann den Veybach. An demselben erblicken wir die Standfigur des hl. Johannes von Nepomuk. Auf dem Sockel das Allianzwappen Gymnich und Blankart zu Lautersbach, der Eltern des Karl Kaspar von Gymnich, der 1747 die Burg Satzvey erwarb. Eine besondere Zierde besitzt der hübsch gelegene Ort in dem Schlosse mit seinen herrlichen Anlagen. Der wirkungsvollste Teil ist das Herrenhaus, das, sich spiegelnd im Schloßweiher, aus tiefem Grün emporsteigt. Zur Rechten des Weihers steht die gut erhaltene Torburg aus dem 15. Jahrhundert. Durch sie führt der Weg zum Schlosse. Zwei Rundtürme flankieren den Torbau. Am Weiher entlang führt von ihm aus eine kurze Mauer mit den Konsolsteinen des Wehrganges. Das schmucke Herrenhaus, in Bruchsteinmauerwerk aufgeführt, war ehedem wohl von einer Zwingermauer mit runden Ecktürmen umgeben, von denen ein Rest noch an der Südostecke steht. Mittels zweier kleiner Anbauten lehnt sich der 1880 zur jetzigen Höhe und Gestalt ausgebaute ehemalige Mauerturm an die Ecke des Herrenhauses. Das Obergeschoß besteht aus Fachwerk. Bei der im Jahre 1880 erfolgten Wiederherstellung des stark verfallenen Schlosses wurde der auf einem Spitzbogenfries vorragender Gang zu einem dritten Geschoß ausgebaut und das steile Walmdach erneuert. Die Ecken zieren schlanke, auf Konsolen vorragende Ecktürmchen mit kurzen Hauben.

Geschichte der Burg Satzvey:

Satzvey war eine dem Stift Dietkirchen in Deutz gehörige Herrschaft, die der Erzbischof als Obervogt zu Lehen gab. Ursprünglich war sie Besitztum des Geschlechtes von Vey, von dem Otto von Vey 1368 belehnt wurde. Nach dem Tode Reinhards von Vey (1391) kam die Burg an seinen Schwiegersohn Heinrich von Krauthausen. Der jetzige Bau entstand um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Seit 1485 war die Herrschaft im Besitze der von Meller. 1561 erhielt Heinrich Spieß von Büllesheim durch einen Vertrag das Lehen. Dessen Sohn suchte vergeblich Satzvey zur Allodialherrschaft zu machen. Infolge dieses Streites hielt der Herzog von Jülich 1578 - 1581 die Burg besetzt. Im Jahre 1747 erwarb der Domherr Karl Kaspar von Gymnich durch Kauf die Herrschaft. Ihn beerbte Karl Otto Theodor von Gymnich zu Gymnich. 1825 fiel Satzvey an den Grafen Max Felix Wolff-Metternich zur Gracht. Im Jahre 1882 kam die Burg an den jetzigen Eigentümer, Herrn Grafen Dietrich Wolff-Metternich, Kgl. Kammerherr.

Westlich von der Burg befindet sich die kath. Pfarrkirche, ein einfacher Bau. Ihr ältester Teil ist der viergeschossige Turm; er gehört der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts an. Das Langhaus wurde 1806 erbaut.

Satzvey, im reizenden Tale des Veybaches gelegen und von schönen Waldungen umgeben, ist Stationsort der Eisenbahnstrecke: Köln - Euskirchen - Trier. (Vom Bahnhof drei Minuten entfernt.) Zugleich Stationsort der Euskirchener Kreisbahn: Mülheim - Wichterich - Zülpich - Satzvey - Arloff. 363 Einwohner.

Gasthaus: P. J. Esser am Bahnhof.

In der Nähe des Bahnhofes, östlich der Bahnstrecke, liegen die Tonwerke „Satzvey“. Das Werk, welches im Jahre 1871 gegründet wurde, hat verschiedentlich seine Besitzer gewechselt, war eine Reihe von Jahren Aktien-Gesellschaft, und ging im Jahre 1892 in den Besitz des Herrn Alphons Kustodis zu Düsseldorf über. Im Laufe der Jahre wurde es bedeutend vergrößert. Über 100 Arbeiter beschädigen sich heute mit der Herstellung glasierter Tonrohre. Der Betrieb wird das ganze Jahr hindurch in vollem Maße aufrechterhalten. Die Dampfmaschine entwickelt ca. 100 Pferdekräfte und wird durch zwei Dampfkessel gespeist. Es werden jährlich 4200 t fabriziert. Das Absatzgebiet erstreckt sich bis nach Nord- und Südamerika.

Von Antweiler läßt sich ein lohnender Abstecher zum Aussichtspunkt im Billiger Wald unternehmen. (20 Minuten)



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