Die Vordereifel



Geschichtliches und Wanderungen von Joseph Pesch - 1901





Stotzheim - Hardtburg



Stotzheim. Gewerbereicher Ort an der Erft, dort, wo sie die Ebene von Euskirchen betritt. 1350 E. Erste Station auf der Eisenbahnstrecke Euskirchen - Münstereifel. Bahnhof am Nordende des Dorfes. Der Erftmühlenbach, der am Kaller Wehr bei Rheder aus der Erft tritt, durchfließt den Ort in seiner Ganzen Länge nach in der Hauptstraße. Oberhalb der Post wendet er sich durch die Brochhausens-Mühle (Inh.: Hans Stauff) in die Wiesen gen Kuchenheim. Einfluß in die Erft bei Wüschheim (Kreis Euskirchen). Post in der Nähe des Bahnhofs auf der Hauptstraße. Hübsche, in gotischem Stil, 1864 erbaute kath. Pfarrkirche (am südlichen Ende des Ortes) mit geschmackvollem Bodenbelag und sehenswerten Chorfenstern, darstellend Scenen aus dem Leben des hl. Martinus. In der Nähe der Kirche die beiden Schulgebäude, der alte Kirchhof mit angrenzenden Mauerresten der alten Kirche, die von Schwestern des Franziskusordens (Mutterhaus Waldbreitbach) geleitete Kinder-Bewahranstalt, (Maria-Hilf-Kloster) die Pastorat. Am Südende des Ortes Pergamentpapierfabrik von Fr. Wippermann; etwas weiter im Tale Porzellanfabrik "Liersmühle".

Gasthaus: "Gasthof Mainz“. Inhaber: Peter Feldgen; Pensionspreis 3 Mk., Kaffee 6o Pf.

Das Tal, durch welches die Erft oberhalb Stotzheim fließt, bildet gleichsam ein Tor zur Eifel. Auf der Östlichen Höhe liegt die Hardt, ein in einer Ausdehnung von einer halben Stunde sich erstreckender Wald mit guten, schattigen Wegen und reizenden Partien. Von Stotzheim aus ist der Aufstieg zur Hardt am lohnendsten. Er währt kaum eine halbe Stunde, steigt stetig, aber unmerkbar an und kann auch von Fuhrwerk bequem benutzt werden. Der Weg führt vom Bahnhof durchs Dorf bis zur Falkensteins-Mühle, setzt sich dort nach links fort bis zum Wegweiser, dann nach rechts in der Richtung des Armes mit der Aufschrift „Hardtburg," am neuen Kirchhof vorbei, durch den kurzen Hohlweg bis zum 2. Wegweiser, wo man dem nach links abgehenden Fahrweg zur Hardtburg folgt. Nach 5. Minuten betritt man die Hardt. Ein schattiger Waldweg bringt die Reisenden nach 10 Minuten vor die trotzige Veste der Hardtburg (246 m über dem Meeresspiegel). Sie erscheint dem Auge in einem überaus malerischen Gewande. Vor allem wirkungsvoll ragt der mächtige viereckige Bergfried aus dem wilden Strauchwerk und dunklen Föhren empor, die wie eine Ehrenwache zu seinen Füßen stehen. Von Epheu prächtig überwuchert zieht sich die Ringmauer hin mit ihrem zum Teil noch gut erhaltenen Erkertürmchen. Auf dem Grunde des ehemals mit Wasser angefüllten Burggrabens dehnt sich eine üppige Wiesenmatte aus, auf der das Auge beruhigt zuletzt verweilt. Nach rechts führt ein von Taxushecken eingefaßter Weg zur Torburg. Über eine breite Brücke tritt man unter dem Spitzbogen, aus dem früher ein Fallgatter herabgelassen werden konnte, in die Torhalle. Am innern Torbogen führt eine Mauertreppe auf die moderne Zementabdeckung des Tores. Der der Torburg zunächst gelegene Teil des großen Burgbereiches enthält in einigen Gebäuden des 18. und 19. Jahrhunderte die Wohnung des vom kgl. preuß. Forstfiskus mit der Aufsicht der Hardt betrauten Försters. Das alte Forsthaus ist ein Fachwerkbau aus dem Jahre 1721. Der Förster führt auch Wirtschaft und nimmt Kurgäste in Pension (Pensionspreis 4 Mk., Kaffee 6o Pf.) Die herrliche Lage der Hardtburg (mitten im Walde), die ausgezeichnete Pension eigenen sich vorzüglich zu einem nutzbringenden Aufenthalt. Für eine abwechslungsreiche Gestaltung desselben sorgen schöne Spaziergänge in der Hardt, in die nähere und weitere Umgebung. Der westliche Teil des Burggrabens ist mit Wasser angefüllt und mit einem Machen befahrbar. Im Burggarten laden Lauben, teils in den Mauernischen errichtet, teils frei stehend, zur Ruhe und köstlichem Tun ein. Zwischen diesen hindurch führt ein Pfad an einer imposanten Fichte von hohen Alter vorbei zum Bergfried. Denselben besteigt man auf einer in seinem Innern errichteten sicheren Holztreppe. Eine Seite seiner Zinne ist umzäumt. Man genießt bei klarem Wetter von dort eine herrliche Aussicht.

Empfehlenswerte Spaziergänge in der Hardt:

Auf die alte Burg bei Weingarten (Wallweg) zum Weingartener Kreuz. Zur Tannenruh. Zur Liersecke. Zum Bölzberg.

Der Name "Alte Burg" verrät schon irgend eine Befestigung dieses Platzes. In Wirklichkeit zieht sich ein in Ovalform angelegter doppelter Wall von einer halben Stunde Länge um die Kuppe. (Diese ist angeforstet und trägt ein Gerüst zum Zwecke der Triangulation.) Von dieser Stelle aus hat man großartige Rundsicht. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dieser Wall eine römische Limesanlage (Grenzwehr). Der schmale, durch Farbzeichen gekennzeichnete Pfad führt dem Walle entlang, mitunter schöne Ausblicke in die Höhe der Eifel gestattend, zum Weingartener Kreuz, einem hohen, roh gezimmerten Holzkreuz, das weit sichtbar ist. Eine Familie aus Weingarten, welche jetzt nicht mehr dort ansässig, hat dasselbe dort oben errichten lassen, um diesen Punkt ihren in Zingsheim in der Eifel wohnenden Verwandten kenntlich zu machen. Mit dem Fernrohr ist von diesem Orte aus das große Kreuz zu sehen. Auch erlaubte die Familie den Junggesellen von Weingarten, zur Kirmes eine Fahne an dasselbe zu befestigen.

Die Tannenruh befindet sich im ehemaligen Wohlmeiners-Busch, einem westlichen Teil der Hardt. Man genießt von dort sowohl wie auch von der Liersecke (an der Liersmühle) schöne Ausblicke in das idyllische Tal von Weingarten. Der Bölzberg ist eine kahle Erhebung am Ostrande der Hardt, der einen großartigen Rundblick weit ins Land hinein bis Bonn, Köln und Düren gestattet. In der Nähe befindet sich ein viereckiger weiter Einschnitt im Walde, die Eremitage genannt. Hier hat die stattliche Wohnung einiger Eremiten gestanden, die Klemens August denselben erbaut hatte.

Etwa 4oo m nördlich der Burg liegt mitten im Walde ein altes Erdwerk. Es besteht aus einem sehr hohen, etwa 50 m langen Wall samt Graben, mit dem drei kleinere unter einander parallele, aber schief zu ihm laufende Wälle durch einen breiten Verbindungsgraben kommunizieren. Im Südwestlichen Teil der Hardt liegt der Begräbnisplatz der Juden, der jedoch seit dem Jahre 1876 nicht mehr in Benutzung steht.



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