Die Vordereifel



Geschichtliches und Wanderungen von Joseph Pesch - 1901





Flamersheim - Houverath - Kirchsahr - Altenahr
(5 Stunden.)



Über Schweinheim, Loch, Harth, Winterburg nach Kurtenberg (S. Wanderung XIV.), wo man die von Rheinbach nach dem Michels-Berg führende Straße trifft. Vor sich erblickt man hier den Blitzenberg (395 m). Der Landstraße folgend durch die Halde des Rheinbacher Stadtwaldes nach Scheuren.

Scheuren und seine Umgebung sind der Fundort römischer Altertümer. Herr Gymnasiallehrer Schöttler von Rheinbach fand in der Parzelle „am Backofen“ im Jahre 1887 große Erdanhäufungen, die sich zum Teil als Grabhügel herausstellten. Die in einer dritten Erdanhäufung aufgedeckte hufeisenförmige Fundamentanlage gab zur Vermutung Anlaß, daß hier die Ara Ubiorum gestanden.

Scheuren gehört zur Pfarrei Houverath und ist ein schönes und wohlhabendes Dorf. Die an Südende des Ortes liegende Kapelle ist ein schlichter Bruchsteinbau des 18. jahrhunderts. Von Scheuren 25 Minuten bis Houverath.

Houverath bildet eine Gemeinde mit 7 Ortschaften: Scheuren, Unterdickt, Wald, Limbach, Lanzerath, Eichen, Maulbach. Diese zählen insgesamt 715 Einwohner, davon auf Houverath 150 einwohner. Der Ort liegt auf einem durch Rodung in Ackerland umgewandelten Höhenplateau. Dieses und die dasselbe umgebende Landschaft werden beherrscht durch den südlich imposant aufsteigenden Hochtürmen. (500 m) Der Hochtürmen, unstreitig einer der schönsten Berge der Eifel, ist eine Basaltkuppe wie der Michelsberg und der Tomberg; der dortigen Gegend gereicht er zu ganz besonderem Schmucke.

An der stattlichen Schule vorbei führt einbreiter Weg hinab ins Tal des östlich vom Ort vorbeifließenden Houverather Baches, des späteren Sahr-Baches, zur Pfarrkirche von Houverath. Fünf Minuten liegt sie vom Orte entfernt an tiefgelegener Stelle und macht auf den Beschauer einen ärmlichen Eindruck. Nichtsdestoweniger vereinigt sie sich mit der im Hintergrunde aufsteigenden bewaldeten Berglehne des Rothenberges zu einem hübschen Gesamtbilde. Die Kirche ist ein dreischiffiger Bau des 15. Jahrhunderts. Die Jahreszahl der einzigen noch erhaltenen alten Glocke - 1495 - dürft auch für die Erbauungszeit stimmen.

Südlich vom Orte erblickt man ein altes, aber noch wohlerhaltenes Gebäude von ansehnlichem Umfange; es ist das Pfarrhaus. Bis vor mehreren Jahren lag es mitten in einem Weiher; der Zugang war nur vermittelst einer Zugbrücke möglich. Jetzt ist der Weiher ausgetrocknet.

Wenn auch weitab gelegen vom Verkehrsgetriebe der Welt, so dürfte sich gerade Houverath empfehlen als ein günstiger Stapelplatz für erholungsbedürftige Menschen. Wer von hier aus, sich in bescheidenen Grenzen seiner Leistungsfähigkeit haltend, diesen Teil der Voreifel mit heiterem Sinn und einem für Natur empfänglichen Gemüt kreuz und quer durchwandert, genießt den mitunter entzückenden Reiz bescheidener Landschaftsbilder, badet seine Lungen in einer reinen, gesunden luft und was die Hauptsache ist, fühlt sich von der Ruhe und dem Frieden die über diese Landschaft liegt, in herzerhebender, wahrhaft wohltuender Weise umweht. Die Bahnhöfe von Münstereifel, Rheinbach und Altenahr sind in zwei Stunden zu erreichen. Zwischen Rheinbach und Houverath besteht ohnehin schon eine Postverbindung durch einen fahrenden Landbriefträger. Um 10 Uhr morgens und 5 Uhr nachmittags fährt die „Post“ von Houverath nach Rheinbach über Scheuren, Neukirchen, Merzbach. Die Fahrzeit beträgt 2 ½ Stunden. Münstereifel wird über Haus Dickt, dann der Ahrstraße folgend, in 2 ½ Stunde erreicht. Dieser Weg führt durch den herrlichen Flamersheimer Wald und gewinnt an Schönheit, je mehr er sich dem alten Eifelstädtchen nähert. Ein besonders hübscher Verbindungsweg besteht zwischen Houverath und Altenahr. Die Straße führt durch das romantische Sahr-Tal, das sich bei Kreuzberg in das belebte Ahr-Tal öffnet.

Diese drei bequemen Verbindungen mit den schönen Stationsorten dürften mit dazu beitragen, in Houverath einen lohnenden Aufenthaltsort zu schaffen für Wanderlustige und Erholungsbedürftige. Da aber gute Gasthöfe wohl in erster Linie die Anziehung der Fremden bedingen, so müssen solche zunächst geschaffen werden, da die jetzt bestehenden nicht als solche anzusehen sind.

Gasthaus: Liethert, Postagentur und Gastwirtschaft.

Erwähnenswert erscheint uns aus der Geschichte Houveraths die Zeit von 1580 - 1611. Es wird in Houverath und Umgegend erzählt, daß die Pfarrei in dieser Zeit protestantisch gewesen, und zwar habe ein Blankenheimer Graf seiner protestantischen Braut eine seiner Pfarreien preisgeben müssen. Das Los fiel auf Houverath. Ein lutherischer Prediger wurde alsbald dorthin geschickt und zwangsweise der neue Glaube eingeführt. Nach 30 Jahren jedoch, am 8. April 1611, kehrte auf Befehl des Grafen Arnold II. Die Pfarrei zum katholischen Glauben zurück und Anton Büllingen, Pfarrer in Sahr, hielt 1612 auf Maria Tränentag wieder die hl. Messe und blieb auch als Pfarrer daselbst. So die Tradition, die sich zum Teil auf ein altes Blatt Papier stützt, das im Kirchenarchiv aufbewahrt wird und von dem bemerkenswerten Ereignis der nach 30 Jahren wieder erfolgten Lesung einer hl. Messe in Houverath spricht. Es scheint, daß Graf Hermann von Blankenheim hier etwas verursacht hat, was zu dieser Erzählung Anlag gegeben. Als in allen Punkten historisch ist sie nicht aufzunehmen.


Am Pfarrhaus vorbei, woselbst sich der Weg links abwendet, gelangt man nach 10 Minuten auf die neue Straße, welche zur Houverater Mühle führt. Die Anlegung dieser schönen Straße geschah durch Einschnitt in die dem Tale des Houverater Baches zugewendete Seite des Plateau-Abfalles. Man genießt von hier eine wahrhaft entzückende Aussicht auf die grünen Matten dort im kühlen Grunde, den der trotzige, gewaltige Kegel des Hochtürmen zur Rechten zu seinen Füßen duldet. An der idyllischen Mühle vorbei treten wir nun in die Anfänge des Sahr-Tales. Um den Fuß des Hochtürmen windet sich die Chaussee. Nach 6 Minuten überschreiten wir die Grenze zwischen den Regierungsbezirken Köln und Koblenz; es tritt an Stelle des Kleinschlags in Grauwacke der des Basalt als das Gewand der Chaussee auf. Zwischen den bewaldeten Höhen des Sahr-Tales gehts auf Kirchsahr zu, dessen Kirche uns schon traulich zuwinkt vom rechten Bergvorsprung herab. Zu seinen Füßen liegen, recht idyllisch gruppiert, die wenigen Häuser des Örtchens.

Kirchsahr (241 Einwohner) ist ein alter Ort. Eingepfarrt sind: Binzenbach, Burgsahr, Winnen, Hürnig, Plittersdorf. (Im 14. Jahrhundert Sarne superius. (lig). Sehr schön gelegen. Der Sahr-Bach durchfließt den Ort. Kirche und Schule liegen nebeneinander und geben durch ihre edlen Bauformen und hohe Lage der ganzen Landschaft ein überaus freundliches Gepräge. Die Kirche wurde in ihrer jetzigen Gestalt 1730 vollendet. Sie besitzt ein interessantes dreiflügeliges Altarbild, welches aus den Jahren 1410 - 1420 stammt und vom Jesuitenkolleg in Münstereifel im Jahre 1760 an die Pfarrkirche von Kirchsahr gekommen ist. Man erzählt dort, daß sich die Münstereifeler, sehr ungehalten über den Verlust des schönen Bildes, in einer Nacht mit einer Karre und bewaffnet aufgemacht hätten, um es heimlich zu entführen. Die Bauern von Kirchsahr müssen aber von dem Plane gewußt haben. Sie zogen den raublustigen „Petersthalern“ entgegen. Die Art ihres Aufzuges muß die Münstereifeler sehr ernüchtert haben; denn es heißt, daß nach dem Zusammenstoße alle friedlich beisammen im Walde gesessen und den dauernden Besitzt des strittigen Objektes auf recht feuchte Weise für die Kirchsahrer dokumentiert hütten.

Das Altarbild stammt aus der Malerschule des Meisters Wilhelm ihn Köln, an den man sich unwillkürlich erinnert bei Betrachtung der bewegten Komposition mit kleinen Figuren, der drastischen, zugleich ungelenken Stellungen, des teilweise recht lebendigen Ausdrucks und der Farben. Es besitzt einen Wert von 36.000 - 40.000 Mark und besteht aus einem 2 m langen Mittelstück und 1 m langen Seitenstücken, welche als Flügel das Mittelstück decken. Das Ganze ist 1,90 m hoch. Auf 19 Feldern, die auf 3 Reihen verteilt sind, wird uns das Leben Jesu und seiner heiligsten Mutter im Bilde vorgeführt.

Wir beginnen mit dem linken Seitenflügel:

1. Reihe links: Mariä Verkündung,
1. Reihe, rechts: Mariä Heimsuchung,
2. Reihe, links: Geburt Jesu,
2. Reihe, rechts: Die hl. drei Könige,
3. Reihe links: Darstellung Jesu im Tempel,
3. Reihe, rechts: Der zwölfjährige Jesus im Tempel.

Das Mittelstück mit dem Hauptbilde, darstellend die Scene auf Golgatha:

Zur Linken, 1. Reihe: Jesus am Ölberge,
Zur Rechten, 1. Reihe: Christus vor Pilatus,
Zur Linken, 2. Reihe: Jesu Geißelung,
Zur Rechten, 2. Reihe: Jesu Dornenkrönung,
Zur Linken, 3. Reihe: Kreuztragung,
Hauptbild, Scene auf Golgatha,
Zur Rechten, 3. Reihe: Kreuzabnahme.

Der rechte Seitenflügel:

3. Reihe, links: Die Grablegung,
3. Reihe, rechts: Die Auferstehung,
2. Reihe, links: Die Himmelfahrt Jesu,
3. Reihe, rechts: Die sendung des hl. Geistes,
1. Reihe, links: Mariä Tod,
1. Reihe, rechts: Mariä Krönung.

Das geschlossene Altarbild zeigt in zwei Reihen je vier Bilder:

1. Reihe: Petrus, Paulus, Chrysanthus, David;
2. Reihe: Benediktus, Katherina, Hubertus, Margaretha.


Gasthaus: Johann Halberg.

Die Straße führt weiter auf der rechten Seite des Sahrbaches über Binzenbach nach Burgsahr (das alte Sarne interius), das von Kirchsahr 25 Minuten entfernt liegt. Zehn Minuten hinter Burgsahr wendet sich die Straße über eine Brücke auf die linke Seite des hier schon ansehnlichen Baches. Links rauschen über üppigen Wiesenmatten die himmelanstrebenden Tannen des Berger Waldes ihre Grüße hernieder. Rechts drängt nach kurzer Wegstrecke die Kotzhardt (400 m) den Sahrbach zu einer weiten Ausdehnung plötzlich nach Norden. Sodann begleitet den Wanderer ein stattlicher Tannenwald auf der Höhe der rechten Talseite bis unmittelbar vor Kreuzberg. Hier erfreut das von der hinreißend gewordenen Romantik des Tales überraschte Auge das erste Rebengelände im steinigen Hang. Da grüßt von einem ins Ahrtal vorgeschobenen Felsen die weiße Masse des Schlosses Kreuzberg mit seinem runden Bergfried, das auf die properen Häuser des schönen Ortes würdevoll herniederschaut.

Geschichte des Schlosses Kreuzberg:

Das Schloß wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts vom Kölnischen Schenken von Vischenich erbaut und 1343 dem Erzstift Köln zu Lehen aufgetragen. Im 15. Jahrhundert war es im Besitze der Flodoop. 1561 wurde es von diesen an die Quad von Wickerod verkauft und kam durch Erbfolge an die von der Leyen zu Adendorf, Bernsau, Satzenhofen, Grafen von Belderbusch.

Der jetzige Eigentümer ist Frhr. v. Böselager. Die wundervolle Scenerie des Ahrtales umfängt uns nun mit bestrickender Macht. Kaum, das wir des edlen Rebensaftes gedenken, von dem die Weinkeller Kreuzbergs vorzügliches bieten. Doch soll eine durch ihn uns gespendete Ankühlung von wunderbarer Wirkung sein. Über einer Steinbrücke von ansehnlicher Breite betreten wir die Chaussee des Ahrtales. Kurz darauf schreiten wir über Geleise der Ahrtal-Bahn. Über Altenburg geht's nun in 20 Minuten nach Altenahr, der Perle der Ahr. Unstreitbar die schönste und romantisch-großartigste Gruppe des ganzen Ahrtales ist der Flecken Altenahr mit seinen schroffen, tausendfach verschiedenen gestalteten Felsenpartien, mit Recht „die kleine Schweiz“ genannt. Wundersam geformte Zacken und Kuppen türmen sich allenthalben in malerischen Abstufungen vor dem Auge des Beobachters neben- und übereinander auf, bald einen Gebirgskamm, bald eine Gebirgsgruppe bildend. Im Tale selbst und am Fuße der Berge wechseln fruchtbare Felder mit üppigen Wiesen und zahlreichen Weinbergen, während die südlichen Abdachungen und Spitzen mit Gestrüpp bewachsen und die höchsten Gipfel mit Hochwald bestanden sind. Die im Sommer sich ganz ruhig durchs Tal schlängelnde freundliche tochter der eifel, die Ahr, erscheint, von der Höhe gesehen, bald als ein schillender, krauser Streifen, bald als eine Perlenschnur kleiner Seen. Die vielen Sagen, die im Munde des Volkes sich fortpflanzen, geben an fast allen Stellen den landschaftlichen Schönheiten noch etwas Überirdisches, Geisterhaftes. Niemand darum, dem Zeit und Lust zur Bewunderung von landschaftlichen Schönheiten zu Gebote stehen, sollte es versäumen, zu diesem herrlichen Saum der Vordereifel aus ihren Wäldern und Triften hinabzusteigen. Eine Anzahl guter Führer durchs Ahrtal ermöglichen jedem eine sichere und bequeme Erreichung der schönsten Punkte.

Ein wohl empfehlenswerter Weg nach Altenahr ist die Route: Flamersheim, (Stotzheim) Schweinheim, Kurtenberg durchs Vischeltal.



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