Die Vordereifel



Geschichtliches und Wanderungen von Joseph Pesch - 1901





Stotzheim - Flamersheim
(35 Minuten.)



Durch die Selmengasse auf den Kommunalweg nach Niederkastenholz, in 20 Minuten erreichbar. (Niederkastenholz zum Unterschied von dem südlich gelegenen, „Oberkastenholz“ benannten Teile des Dorfes Kirchheim. Casten: (lat.) Castellum in silva). 208 Einwohner, Filiale des Pfarrortes Flamersheim. Die dem hl. Laurentius geweihte Kapelle ist ein um das Jahr 1100 errichteter, interessanter Bau, der im Innern den Charakter der Basilika zeigt.

Unterhalb der Kirche befindet sich der Laurentiusbrunnen, der römischen Ursprungs ist und in geringer Tiefe eine äußerst erfrischende Quelle umschließt.

Am östlichen Ende des Ortes steht, von hohen Pappeln umgeben, die Burg, eine in Bruchstein aufgeführte Anlage des 12. Jahrhunderts, die von Weihern umzogen ist. Von der Dorfstraße aus gtritt man durch ein Portal, das ehemals über einer Zugbrücke zugänglich war, in den Hof. Dessen Mitte zeigt ebenso, wie das Portal, das Wappen eines Abtes. An das Wohngebäude stößt die sog. Probstei. Dieser Bau stammt aus dem 17. Jahrhundert und umfaßt drei Stockwerke. Von einem mächtigen viereckigen Turm wird er überragt, dessen Anschluß an eine geschwungene, vierseitige Haube bildet. Die Probstei gehörte zur Abtei Kornelimünster.


Gasthaus: Habbig, zugleich Posthilfsstelle.


Ehemals waren in Niederkastenholz bedeutende Weinberge und der Wein war sehr geschätzt, so daß auch die Erbpacht, welche die Probstei für ihre Flamersheimer Waldgerechtigkeit an die Herren des Waldes entrichtete, in Wein bestand. Weinberge und Kelterhäuser sind jetzt verschwunden, und die kleinen Überbleibsel von Reben werden nur noch genutzt, das alljährlich abgeschnittene Holz zu Setzlingen nach der Ahr zu verkaufen, wo es sehr geschätzt und teuer bezahlt wird.

Die Dorfstraße setzt sich in der Richtung zu Flamersheim, dessen Burg von weitem schon kenntlich, als Feldweg 5 Minuten lang fort und trifft neben einem unter Kastanienbäumen stehenden steinernen Kruzifixe auf die Kommunalstraße nach Flamersheim, das in 5 Minuten erreichbar.

Flamersheim: Pfarrort mit den Filialen: Niederkastenholz, Palmersheim, Lapper Mühle, Ringsheim, Schweinheim. Zwei Kirchen: eine katholische, eine evangelische; 1 Synagoge. Postamt mit Fernsprechamt, Arzt und Apotheke im Ort. 906 Einwohner.


Die katholische Pfarrkirche ist eine der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts entstammende dreischiffige Pfeilerbasilika mit eingebautem Westturm. Eine Restauration erfuhr sie im jahre 1887 - 88. Auf dem Markte tritt der alte Rabenstein noch eben über die Erde heraus. In unmittelbarer Nähe hat das Dinghaus gestanden. Nahe dem Markte, an der Straße nach Kirchheim steht die evangelische Kirche, ein einfacher Saalbau mit vorgelegtem Westturm. Im Jahre 1759 hat man mit dem Bau derselben begonnen; jedoch der Turm wurde in neuster Zeit hinzugefügt. Die Gründung der evangelischen Gemeinde in Flamersheim erfolgte wahrscheinlich durch den ehemaligen Burgherrn, Lutter von Quadt, zu Ende des 16. Jahrhunderts.

Flamersheim ist ein freundlicher Ort, der die Physiognomie eines propren Landstädchens trägt. Wenn auch in der Niederung gelegen, so schaffen die angenehmen Verkehrs- und Wohnungsverhältnisse im Verien mit der prächtigen Schloßanlage und dem nicht weit ableigenden Walde im Orte einen abwechslungsreichen und gesunden Aufenthalt.

Gasthäuser:
Joh. Kühlwetter. Pensionspreis für 1 - 3 Tage 3 Mk. bis 3,50 Mk., bei längerem Aufenthalt Preisermäßigung; Logis, Abendessen und Frühstück 2 Mk bis 2,50 Mk.; Mittagessen von 0,80 Mk. an und höher; Kegelbahn, Billard, Pianoforte, schattige Gartenhalle.
„Zur Post“ von Jos. Schäfer. Mittagessen von 1 Mk. an; Kaffee 0,50 Mk.; Abendessen 0,80 Mk.; Logis und Frühstück 1,50 Mk.; Saal mit Pianoforte; Stallung und Remise; schöne luftige Zimmer; Omnibusfahrten zwischen Flamersheim und Euskirchen (viermal täglich).


Einen durch die Schönheit seiner Anlage berechtigten Anziehungspunkt besitzt Flamersheim in seiner Burg. Am wirkungsvollsten präsentiert sie sich von Süden aus gesehen, von dem zwischen Baumgärten und Schloßweiher führenden Weg. Um das stattliche, vornehm gehaltene Herrenhaus gruppieren sich die Nebengebäude mit den Garten- und Parkanlagen zu einem malerischen Gesamtbilde, das der vor uns liegende klare Wasserspiegel getreu wiederzaubert. Der zweigeschossige Mittelbau mit der schmucken Fassade trägt über seiner Mitte einen zierlichen Dachaufsatz und wird von zwei Ecktürmen flankiert, deren Obergeschosse zu hübschen Lauben umgebildet sind. Dem Portal ist eine Vorhalle vorgebaut, die einen Balkon trägt. Rückwärts schauend öffnet sich uns in der Ferne ein reizendes Landschaftsbildchen, aus dessen Mitte der Kirchturm von Kirchheim freundlich herüberwinkt.


Geschichte des Schlosses Flamersheim


Die Burg verdankt ihren Urspurng dem ehemaligen karolingischen Königsgute Flamersheim, das die Chronik des Prümer Abtes Regino vom Jahre 870 erwähnt. In den folgenden Jahrhunderten war Flamersheim mit kurzer Unterbrechung Tombergische Besitzung. Im Jahre 1358 besaßen die von Ringsheim die Flamersheimer Burg; Emelrich von Ringsheim und sein Sohn geloben dem Herzog von Jülich, daß „unse huys Vlämersheim mit deme verburge in vestene“ sein Offenhaus sein werde. Nach ihnen erschienen zunächst die Krümmel von Zynatten, dann zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Palants, im Jahre 1564 die Quadt und endlich im Jahre 1776 die Dalwigks als Besitzer der Burg. Am Ausgange des 18. Jahrhunderts erwarb General von Vincke den Besitz. Seine Tochter, die Gräfin von der Schulenberg, verkaufte ihn im Jahre 1844 an Herrn Franz Georg Weckbecker; von diesem gelangte er im jahre 1861 an die Witwe Julius August Bemberg aus Elberfeld. Der gegenwärtige Eigentümer ist Herr Julius von Bemberg-Flamersheim.

Die jetzigen Gebäude wurden am Ausgange des 18. Jahrhunderts errichtet und erfuhren um 1860 eine ihre ursprüngliche Gestalt völlig ignorierende Restauration.



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