Die Vordereifel



Geschichtliches und Wanderungen von Joseph Pesch - 1901





Stotzheim - Burg Kirspenich - Arloffer Tonwerke.
(¾ Stunde.)



Am neuen Kirchhof vorüber auf den Hohlweg, der vom Wegweiser ab als breiter Fahrweg die höhe hinauf in die Hardt führt. 20 Minuten durchzieht er diese, stets in gleicher Richtung wie beim Eintritte. Auf der anderen Seite der Hardt angelangt, trete man zur rechten Seite auf die kleine Anhöhe, von der man herrliche Aussicht auf den vor uns liegenden Talkessel der Erft und die Eifelberge genießt. Der Weg führt weiter als Feldweg bergab und mündet kurz vor Kirspenich auf die von links herkommende Münsterstraße.

Kirspenich bildet mit Arloff eine Pfarrei; 870 Einwohner. Kirspenich: (kelt.) Crispiniacum; Arloff: (altgerm.) Arlafa, nach der vorbeifließenden Erft, der alten Arnefa, benannt. Stationsort ist Arloff. Die Schule steht in Arloff, die Kirche befindet sich in Kirspenich. Sie ist ein spätgotischer Bau vom Ende des 15. Jahrhunderts. Ihr Turm wurde im Jahre 1789 repariert, was die Jahreszahl in Eisenankern auf zwei Seiten desselben anzeigt. Der hoch aufragende Helm bildet ein imposantes Wahrzeichen für diesen Talkessel; ein unentbehrliches Glied in dieser schönen und furchtbaren Landschaft, gereicht er ihr zu ganz besonderem Schmucke. Kirspenich gilt als eine der ältesten Pfarreien der ganzen Gegend. Im Besitze der Kirche befinden sich zwei wertvolle Pergamente aus dem ehemaligen Schweinheimer Kloster.

Recht anziehend wirkt auch die stattliche Burg Kirspenich. Die Dorfstraße wendet sich gegenüber der hoch neben der Kirche gelegenen Pastorat nach rechts in die Ebene, folgt der Erft unter dem Namen Schulweg auf ihrer rechten Seite und bildet bald die Hauptstraße des Dorfes Arloff. Vor dem auf Arloff zu gelegenen letzten Hause Kirspenichs geht ein Weg links ab zur Burg Kirspenich, einem beliebten Sommer-Aufenthalt und Ausflugsorte. Die weitläufige Burganlage ist von einem mit Wasser angefüllten Graben umgeben. Über eine Steinbrücke gelangt man an das Tor, den Rest einer ehemaligen Vorburg. Neben dem Tore ein Stein mit einer Jahreszahl des 17. Jahrhunderts. Die Wirtschaftsgebäude, welche sich links zeigen, sind zum großen Teil neu; jedoch die Außenmauer des sich an das Tor anschließenden Gebäudes sowie teilweise der runde Eckausbau an der Gartenterrasse sind alt. Der älteste Teil der ganzen Anlage ist der große, aus Bruchstein aufgeführte Wohnturm mit drei Geschossen. Den Abschluß bildet eine hohe Barockhaube, die mit derjenigen der Arloffer Burg als charakteristisches Merkmal dieser Hälfte des Talkessels in den Beschauungskreis tritt. Unter der sorgsamen Verwaltung der jetzigen Besitzer der Burg, Geschwister Schumacher und Wirtz, ist die Burg zu einem beliebten und angenehmen Sommeraufenthalt geworden. Eine reizvolle, bequem geschaffene Gartenanlage ermöglicht den Aufenthalt im Freien; Turn- und Spielgeräte sowie Nachen und Wagen stehen zur Verfügung. In einem Gastzimmer hängen drei unter Glasrahmen befindliche wichtige Urkunden. Von der Burg bis zum Bahnhof „Arloff“ sind 5 Minuten.

Restauration und Gartenwirtschaft „Burg Kirspenich“: eigene Fischerei und Jagdgelegenheit.

Geschichte der Burg Kirspenich

Im Jahre 1278 trug Gerlach von Dollendorf nebst anderen Besitzungen auch Kirspenich dem Kölner Erzbischof Siegfried zu Lehen auf. Der Ort stand damals unter der Gerichtsbarkeit der Grafen von Arc; später gehörte er zum Amte Hardt. Im Jahre 1301 tragen Gerhard Alfter und Oda, seine Hausfrau, dem Grafen von Jülich ihr von einem Graben umgebenen Haus als Offenhaus auf. Im Jahre 1570 wird Wilhelm Spies von Bobbenheim vn Jülich mit Haus Kirspenich belehnt. Später gehört Kirspenich dem kurmainzischen Rate Johann Adam Werl. Durch Heirat mit dessen Enkelin Maria Magdalena von Werl erwarb zu Anfang des 18. Jahrhunderts der Besitzer der Arloffer Burg, Franz Heinrich von Friemersdorf, genannt von Pützfeld, auch das Kirspenicher Haus. Ihm folgte Herr Bresgen, diesem wiederum ein Oberstleutnant von Zschüchen. Die jetzigen Beisitzer sind die Geschwister Schumacher und Wirtz.

In unmittelbarer Nähe der Burg Kirspenich liegen die Tongruben der Arloffer Tonwerke. Schon vor 1870 wurde in Arloff Ton gegraben, jedoch in kleinem Umfange. Der Bahnbau Euskirchen-Münstereifel (1885-90) veranlaßte die Unternehmer, die Herren Roth & Cie. größere Ländereien zu erwerben und Tongruben aufzuschließen; denn erst durch die billige Verfrachtung konnte der Ton mit Aussicht auf Verdienst in den Handel gebracht werden. Gleichzeitig erbaute die Firma eine Fabrik, die heute nur feuerfeste Produkte und gewaschenen Porzellanton, genannt china-clay, herstellt. Die feuerfesten Produkte finden Verwendung für Hochöfen, Stahlwerke, Gießereien, Kalk- und Zementöfen, überhaupt für alle Feuerungsanlagen, welche mit hohen Hitzegraden arbeiten. Der Versand der Produkte geht, außer nach dem Inlande, nach Belgien, Frankreich, Luxemburg, Rußland bis Sibirien und auch schon nach Südafrika. Die Fabrik beschäftigt 250 Arbeiter und hat einen Dampfbetrieb von ungefähr 140 Pferdekräften. Es werden jährlich fabriziert: 30 Millionen kg feuerfeste Produkte und 1.200.000 kg Porzellanerde, welche von deutschen Porzellanfabriken verarbeitet wird. Die Gruben fördern jährlich ungefähr 40 Millionen kg Ton. Der Ton wird gehauen und die Förderung mit Dampfbetrieb besorgt. Es sind Tone vorhanden bis zu 37 % Al 2,5 (Alluminiumoxyd) Gehalt, in der Farbe von Schneeweiß bis zum Dunkelrot. Der Ton besitzt stellenweise eine Mächtigkeit von 24 m. Die Lagen reichen bei flottem Betriebe für fast 100 Jahre aus. Die umfangreichen Fabrikgebäude befinden sich nahe dem Bahnhofe „Arloff“.



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