Zur Geschichte von Billig (Belgica vicus) |
Von Pfarrer a. D. Nik. Reinartz, Kreuzweingarten |
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Billig,
Eifel |
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Die beiden einzigen in der antiken Literatur erwähnten Orte des Kreises Euskirchen sind Zülpich, das alte berühmte Tolbiacum bei Tacitus Hist. IV, 79, und der in dem Itinerarium provinciarum Antonini Augusti, dem römischen Reisehandbuch, genannte vicus Belgica, das heutige Billig. 1) Dieses auf der über Wesseling und Marmagen führenden Heerstraße Köln Trier als Haltestation vor dem Aufstieg zu den Eifelbergen vermerkte Straßendorf (vicus) Belgica ist durch die Ausgrabungen in den 70er Jahren erschlossen worden. Der Augenschein ergibt hier etwa 1 km östlich vom heutigen Billig in den Ackerfluren "auf dem Kaiserstein" und "auf dem Wiehlder" zwischen den Straßen Billig-Stotzheim und Billig-Weingarten sowie noch über letztere hinaus in den Fluren "am Hermesbusch" 2) und "auf der Antweiler Heide" zerstreut, ein römisches Trümmerfeld, zusammenhängend etwa 8.000 Meter, der Längenausdehnung des römischen Köln also nur wenig nachstehend. Die Ergebnisse der bisherigen Ausgrabungen - man kann diese in Clemen "Die Kunstdenkmäler des Kreises Euskirchen" S. 18 ff . oder noch ausführlicher bei Gissinger "Geschichte der Stadt Euskirchen" S. 50 ff. nachlesen - lassen jedoch klar erkennen, daß der römische vicus Belgica ein Marktort an der Heerstraße gewesen ist, der nach den zahlreichen Münzfunden der späteren Kaiserzeit angehört. Prof. aus'm Werth, der Leiter der Ausgrabungen, hat seinen Bericht über dieselben damals mit den Worten geschlossen, es sei im höchsten Grade erwünscht, dieselben im größeren Umfang wieder aufzunehmen; es ist auch heute nach achtzig Jahren kaum anzunehmen, daß dieser Wunsch sobald in Erfüllung geht. Immerhin könnten sich bei der nun endlich in Gang gekommenen Umlegung der Feldflur daselbst interessante Aufschlüsse ergeben, und seien die Arbeiten der Aufmerksamkeit der Denkmalpflege angelegentlich empfohlen. Drei der bei den früheren Ausgrabungen auf dem Kaiserstein gefundenen, heute im Bonner Landesmuseum befindlichen antiken Denkmäler fügen wir im Bilde bei. Das erste ist der Grabstein eines Soldaten des Quintus Petronius Rufus (Rotkopf) aus dem römischen Stadtbezirk am Anio, "der wenig glücklich im Kriege war" und etwa um die Mitte des 1. Jahrh. n. Chr. auf einem Feldzuge in Belgica ein frühes Grab gefunden hat. |
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Grabstein des
römischen Soldaten Quintus Petronius Rufus |
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Das andere ist das zu einem großen Grabmal gehörende kunstvoll gearbeitete Steinbild der an einem Felsen geschmiedeten Hesione aus der Herkulessage, eine wegen der Symbolik (Befreiung aus den Banden des Todes) bei den Alten beliebte Darstellung. Dieser Fund wurde auf dem "Hondert", einer Feldflur zwischen Rheder und Kaiserstein) gemacht, wo in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts etwa zwanzig römische Gräber aufgedeckt wurden, so daß wir dort unweit der von Belgica mehr westlich abzweigenden antiken Straße wohl die Begräbnisstätte des vicus sehen dürfen. Der Flurname "auf dem Hondert" weist freilich bereits in die Zeit der fränkischen Hundertschaften. Das dritte der genannten Denkmäler ist eine Broncebüste des weinfrohen "Gottes Bacchus" , der also schon zur Römerzeit auf den Gefilden des nahen Weingarten seine Verehrer hatte. Von römischen Befestigungen und Straßensperren, wie sie nach der Niederwerfung des selbständigen Gallierreiches in Trier durch Aurelian in Andernach, Neumagen, Bitburg und Jünkerath errichtet wurden, haben sich in Belgica selber keine Spuren gefunden. Möglich, ja wahrscheinlich ist jedoch) daß weiter westlich "am Orenstein" von ara? (dort auch römische Funde), wo heute auf aussichtsreichem Hügel das Kapellchen steht, ein befestigtes Lager oder Kastell, wie sie hundert Jahre später Kaiser Valentian zum Schutze der Rheingrenze anlegte, gewesen ist. 3) Dort, im heutigen Billig, haben sich denn auch, als der Rhein durch die Zurückziehung der römischen Legionen um 400 n. Chr. dem beginnenden Ansturm der Ostgermanen preisgegeben wurde, die bei der fluchtähnlichen Aufgabe von Belgica etwa verbliebenen Römer und später die Franken angesiedelt. Hier zog dann auch in der Folge die freilich heute zum Teil auch bereits untergepflügte "alte Heerstraße" vorbei und erhob sich eine mittelalterliche Burg wohl schon früher. Deren Name ist noch in der Flurbezeichnung "an der alten Burg" erhalten; sonst ist von der ganzen, in ihrer beachtenswerten Eigenart noch auf der Meßtischkarte angedeuteten Anlage nur mehr eine sog. Motte, d. i. ein Rundhügel mit umlaufendem Wassergraben, hinter der Wirtschaft Schlösser zu sehen, im Volke "Knöpp" genannt. Ein Jahrtausend vergeht, bis wir dem Namen Billig wieder in den Geschichtsquellen begegnen, und zwar in Verbindung mit den Ortschaften Roitzheim und Ober(Klein) Büllesheim, welche sich wohl durch die an derselben vorbeiführende Römerstraße erklären läßt. 4) Im Jahre 1326 verkauft nämlich Ruprecht von Tomburg, Herr zu Vernich, die drei Dörfer seinem Oheim Propst Eberhard. 5) Es war alter Tomburger Besitz, wohl noch aus der Zeit der Pfalzgrafen, also fränkisches Krongut, wie die Pallenz in Zülpich. 6) Es geht dies aus einer weiteren Urkunde vom Jahre 1337 hervor, worin die Tomburger Ruprecht, Abt von Korvey, und Walrave, "commenduer van Tunenburg", sein Bruder, "Ouverblisheym, Ruychsheym und Billig, reychte eygendomme ... so wie wir ind unse aIderen da ain gesessen hain eme hoen meychtigen vursten, heren Wilhelm, marcgreven van Guylge", geben. 7) Von da an datiert wohl die territoriale Zugehörigkeit zum Herzogtum Jülich, in welchem Billig-Roitzheim bis zur Französischen Revolution eine Unterherrschaft darstellte. Nun bringt der Geschichtsschreiber des Dekanates Münstereifel, Pfarrer Johannes Becker, unter Roitzheim die Nachricht, daß 1364 Friedrich von Tomburg, Billig und Roitzheim zurückerhalten und seiner Enkelin vererbt habe. Eine Quellenangabe fehlt, aber anderweitig steht fest, daß diese Enkelin Gertrud die Tochter Craffts von Saffenburg und der Elisabeth von Tomburg 1419 bei ihrer Verehelichung mit Peter von Esch die Dörfer Roitzheim und Billig von ihren Eltern als Mitgift erhielt. 8) |
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Kunstvolles Steinbild der an den Felsen geschmiedeten Hesione aus der Herkulessage |
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Die von Eich besaßen die Burg Ollbrück, Kreis Ahrweiler, deren stolze Warte heute noch eine Zierde der Eifel ist. Doch ging Billig schon in der folgenden Generation durch die Heirat Elisabeths von Eich mit Goddert vom Drachenfels an diesen und weiter durch deren Tochter Appolonia, welche 1477 Otto Walpott von Bassenheim ehelichte, an das Haus Walbott-Gudenau über. 8) Ihm entstammte auch der Freiherr Maximilian Hartard von Walbott, Herr zu Gudenau und Drachenfels, der den von der Abtei Kornelimünster lehnrührigen Pützfelderhof 9) in seinen Besitz brachte und mit seinen sonstigen Hoheitsrechten über Billig durch seine Tochter Maria Alexandra an den Freiherrn Karl von der Vorst lombeck und Gudenau vererbte. Von den Gudenauern ging dann das altadelige Billigshof, dessen Hoheitsrechte zur Zeit der auf das linke Rheinufer übergreifenden französischen Revolution bereits aufgehoben waren, durch Verkauf 1803 in bürgerliche Hände über. 10) Aber all diese kleinen Herrscher, weder die Tomburger noch der Saffenburger und Ollbrücker, auch nicht die vom Drachenfels und Gudenau, dürften kaum oder höchstens nur vorübergehend auf der Burg in Billig residiert haben. Sie haben ihr Ländchen wohl meist durch Schultheiß und Schöffen regiert. Da sind nun von erheblichem Interesse ein paar noch unveröffentlichte Urkunden alter Zeit, die uns Kunde geben von einem ritterlichen Geschlecht, das sich von Billig nannte und daselbst, wenn nicht die Burg erbaut, jedenfalls auf derselben seinen Sitz hatte. Die wichtigste Urkunde, die von einem ritterlichen Geschlechte auf der Burg zu Billig Kunde gibt, ist datiert vom Jahre 1380; sie befindet sich im Pfarrarchiv zu Münstereifel. In dieser Urkunde, einem offenen Briefe, versöhnen sich Dechant und Stiftskapitel zu Münstereifel im Erzstift Köln mit Ritter Heinrich Smeyge von Billig. In Liebe und Freundschaft legen sie bei am Vorabend des hl. Fronleichnamsfestes alle Beschwerden, Wegnahmen und Schädigungen beiderseits unter Vorbehalt folgender Festsetzungen: Dechant und Kapitelleisten Gewähr und bestellen einen Priester, daß zu den von "Kapellenrecht" bereits in der Woche stattfindenden Messen (gestiftete oder für Kapellen mit dem Sanctissimum regelmäßig vorgeschriebene Messen) von jetzt an, solange der Ritter lebe, aber nicht länger, jeden Samstag in Billig je eine Messe geschehe, wohl als Ersatz für die Sonntagsmesse, der der alternde Ritter in der Pfarrkirche zu Weingarten kaum mehr beiwohnen konnte. Dessen Frommsinn wird auch durch die Eintragung in die Gebetsverbrüderung der Abtei M. Glasbach bekundet, wo unter dem 12. Juli, wohl seinem Todestage, vermerkt ist: "dominus Henricus dictus smeike de Billig." 11) Billig besaß also bereits eine Kapelle, gehörte aber zu der Zeit nach Weingarten in die Pfarre,12) die unter dem Stiftskapitel von Münstereifel stand. Der Ausdruck im folgenden "Kirchspiel von Billig" könnte im strengeren Sinne genommen sogar von einem ehemaligen eigenen Pfarrbezirk verstanden werden, läßt sich aber auch durch die politische Abtrennung von Kurköln, die damals bereits bestand, erklären. Jedenfalls ist die Kapelle Billig sehr alt; das Patrozinium des hl. Cyriacus weist auf die nachkarolingische Zeit, auch wurde beim Abbruch der alten Kapelle u. a. ein frühromanisches Würfelkapitell gefunden. 13) Hat Ritter Heinrich von Billig bei der Ausbedingung der Samstagsmesse sich mehr von seinem eigenen religiösen Bedürfnis leiten lassen - eine Gegenleistung ist vorauszusetzen, wird aber nicht genannt -, so kam bei dem folgenden Punkt das Interesse des ganzen Kirchspiels in Frage. Das Stiftskapitel gibt also weiter die Garantie, daß auf seinem Fronhofe zu Weingarten das Zuchtvieh: Stier, junger Hengst, Eber und Bock, den Insassen des dortigen Kirchspiels zur Verfügung stehen sollte. Die Haltung der Zuchttiere war ja auch ein uns heute allerdings seltsam anmutender Dienst an der Allgemeinheit seitens der geistlichen Zehntempfänger, der seine Erklärung wohl in volkserzieherischen Rücksichten findet In einem Nachtrag vom Jahre 1386, der sich ebenfalls im Pfarrarchiv Münstereifel befindet, erklärte der alte Ritter noch, daß die Stiftsherren nur dann verpflichtet sein sollten, eine verabsäumte Samstagsmesse nachzuholen, wenn sie in der nächsten Woche angemahnt würden; in einem solchen Falle hätte sie in der dann folgenden Woche an einem beliebigen Tage zu geschehen. Weiter sollten die genannten Herren Beschwerden des Kirchspiels Billig, daß ihnen von den Priestern, denen die Kapelle unterstände, zu kurz geschehe, dann erfüllen, wenn dasselbe allgemein klage, "alle Tücke und Arglist ausgeschieden". Noch eine dritte Urkunde vom Jahre 1334, die in dem Buch Nechtersheim im Koblenzer Staatsarchivauf gezeichnet ist, spricht von Heinrich gen. von Billig. Es ist wohl kein anderer als unser junger Ritter, der mit seiner Ehefrau Sofia, deren Mutter Aleyden und dem Bruder Sofiens, Johann von Vrilingen (Freilingen, Kreis SchIeiden) ihre Güter zu Beßge (Pesch) für 90 Mark Kölnisch Pagament verpfänden. Wer ist denn dieser Ritter von Billig, der, nach allem zu urteilen, dort im Dienste der Edelherren von Tomburg gestanden hat? Der Erbmarschall von Jülich, Frambalch von Birgel, ist auch 1422 ein Pfandherr und Mitbesitzer von der Tomburg. 14) Der Name Smeige oder Smeike, sonst auch Smeich, könnte von dem im Dialekt noch hierorts gebräuchlichen "Schmeck " = Gerte, Peitsche kommen. Träger des Namens in der Form Smecho und Smeiche werden um 1260 unter den Steinfelder Lehnsleuten in Bleibuir und Bergbuir genannt. 15) Andere kann man bei Fahne, Genealogie der Kölnischen und Jülichschen Geschlechter II, S. 131, nachlesen, dort auch das Wappen des adligen Geschlechtes, ein quergeteilter Schild, das obere Feld leer, das untere mit drei, zwei über eins gestellten Seeblättern. Von besonderer Bedeutung sind die Schmeich von Lissingen für unsere Gegend geworden. Bereits 1212 soll ein Schmeich mit der Burg Lissingen bei Gerolstein belehnt worden sein. 1328 kommt ein Johann Smeych von Lissingen mit seinem Bruder Gyselbrecht von Uetzheim vor. 16) Des ersteren Sohn Johann Smeych, der junge Ritter, erscheint 1377 als Herr von Zievel. Ein im Rate des Herzogs von Jülich hoch angesehener Mann, hatte er fünf Kinder mit seiner Gattin Fya von Rhede, von welchen neben den Töchtern Lette, verheiratet mit Werner von Vlatten, Herrn zu Dreiborn, und Metza, Gattin des Ritters Rolmann vom Geisbusch zu Bollheim, besonders sein Sohn Andreas Smeych von Lissingen, Herr zu Zievel, zu erwähnen ist. Ihm und seinem Vater schreibt Edmund Renard im wesentlichen die Erbauung der Zieveler Burg in ihrer heutigen Gestalt zu. 11) Bei seinem Tode um 1440 - er starb kinderlos - hinterließ er neben beträchtlichen Schulden einen ausgedehnten Besitz, in den sich Werner von Vlatten und Metza von Lissingen mit Johann von Wunnenberg, einem Neffen des Andreas von seiner Schwester Mene her, teilten. Die beiden erstgenannten erhielten gemeinsam Burg Zievel mit der Herrschaft über die Dörfer Lessenich Rißdorf (Rychesdorp) und den Röttger-Hof (Zum Roitgin), ferner das Dorf Pesch mit allen seinen Rechten und Zubehör, Renten zu Eschweiler, Güter zu Nemmenich, Lüssem, Sievernich, ein Weingut zu Irnich, Wiesen zu Loevenich u. a. Nicht genannt ist bei der Erbteilung das Dorf Bergbuir mit altem Familienbesitz, das damals an Dreiborn kam und dem Gericht Heistert zugeteilt wurde. 18) Der Wummenberger erhielt die Herrschaft Eicks mit dem Fronhof, dem Weyerhof und dem Reuvershof daselbst, Renten zu Rövenich, Stockheim und Zingsheim, die Mühle zu Dreimühlen und ein Weingut zu Winden. Auch die Stammburg Lissingen mit Herrlichkeit und Gerechtigkeit ging an ihn über. 19) So ist für sicher anzunehmen, zummal auch kein Nachkomme von Ritter Heinrich Smeyge bekannt ist, daß das Geschlecht mit Andreas von Zievel in männlicher Linie ausgestorben ist. |
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Römische Broncebüste Bacchus |
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Seine Ruhestätte hat der letzte Smeych von Lissingen in der Pfarrkirche von Lessenich gefunden. Bereits 1422 hatte er derselben eine Erbrente von sechs Malter Roggen überwiesen,16) für die ein großes Jahrgedächtnis am Donnerstag nach den heiligen Tagen (?) für ihn und seine Gattin Guitgyn von Ivenheim mit drei Priestern gehalten werden sollte, bei dem von zwei Maltern Brot gebacken und nach dem Gottesdienst von den Kirchenmeistern an die Armen ausgeteilt werden sollte. Zwei Malter sollten zur Beleuchtung der Ampel dienen, die über ihrer Grabstätte Tag und Nacht brennen sollte an den Festen Unserer Lieben Frau, auf Allerheiligen und Allerseelen und auf den Kirchweihungen, ferner Tag und Nacht von Christabend bis Dreizehntag (Dreikönigen) zu Abend, vom Palmabend bis des donnerstags danach, und von des Heiligen Sacraments-Abend zur Vesper, "bis alle die guten Tage um sind". Heute ist mit der Ampel auch die Begräbnisstätte in Vergessenheit geraten, wie auch die Burg zu Billig verschwunden ist. Nur die festen Mauern und der ragende Turm von Zievel zeugen noch von dem Reich, das einstens ein Eifeler Rittergeschlecht durch seine Tapferkeit und seinen klugen Rat sich hier erworben hatte. |
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1) Das Dorf Billig hat bis 1856
zum Stadtgebiet von Euskirchen gehört und wurde erst bei der
Einführung der, Rheinischen Städteordnung der
Bürgermeisterei Wachendorf zugeteilt. |
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Entnommen: Heimatkalender für den Kreis Euskirchen 1954 |
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