Der Kalksinter im Römerkanal

Von Walram Schmitz


Der verengte Römerkanal bei Euskirchen-Kreuzweingarten


Wie und warum hat sich Sinter im Römerkanal gebildet? warum hat dieser Sinter eine so unterschiedliche Stärke? Diese Fragen sind bis heute nicht befriedigend geklärt. Bisher wurde vorwiegend die Fließgeschwindigkeit, aber auch die Erwärmung des Wassers im Kanal als Ursache angesehen. Der Autor möchte beweisen, daß sowohl Fließgeschwindigkeiten des Wassers als auch dessen Erwärmung für die Kalksinterbildung von untergeordneter Bedeutung waren. Gleichzeitig will er aber auch eine andere Möglichkeit zur Diskussion stellen, die seiner Ansicht nach die Hauptursache sowohl der eigentlichen Sinterbildung als auch dessen unterschiedlicher Stärke ist.

Um eine befriedigende und begründete Antwort zu finden, hat sich der Autor mit dem Abbau von Kalk, d. h. Also auch mit der Höhlenbildung, sowie mit der Kalksinterbildung in Tropfsteinhöhlen jahrelang beschäftigt. Er besuchte dazu viele bedeutende Eis- wie auch Tropfsteinhöhlen. Die heute bekannten Höhlen sind vor ein bis zwei Millionen Jahren im Laufe von zigtausend Jahren von unterirdischen Bächen ausgewaschen worden. Wenn das Wasser durch weitere Auswaschungen in tieferen Lagen neue Wege suchte, wurden diese Höhlen trockengelegt. In diesen Trockenhöhlen kann sich unter günstigen klimatischen Bedingungen Höhlensinter bilden.


Der offengebliebene Römerkanal bei Walberberg


Höhlensinter ist das gleiche Material wie unser Kalksinter. Eine Analyse ergibt nur hinsichtlich der Verschmutzungsgrade .ein etwas unterschiedliches Ergebnis, beispielsweise wegen eingeschwemmten Lehm, Ton, Sand und Mineralstoff. Beim Kalksinter ist dies nicht anders. So ergab beispielsweise eine unterhalb der Hausener Quelle entnommene Probe einen wesentlich höheren Eisengehalt als ein oberhalb dieser Quelle aus dem Kanal entnommene Probe (siehe Analysen). Wenn das Wasser zur Sinterbildung Kalk abgeben soll, so muß es diesen Kalk zuerst einmal im Kalkgestein aus Spalten, Klüften oder Höhlen gelöst haben. Gewöhnliches Wasser aber kann nur bis zu 14 Milligramm je Liter lösen. Wenn das Wasser aber mit Kohlensäure gesättigt ist, so ist es in der Lage, bis 300 Milligramm Kalk je Liter zu lösen. Es kann also 20mal mehr Kalk lösen als gewöhnliches Wasser. Somit ist die Kohlensäure das eigentliche lösende Element, das Wasser aber nur Transportmittel.

Kohlensäure war an den gefaßten Quellen des Römerkanals reichlich vorhanden. Bei Haberey, Seite 64, ist nachzulesen, das heute noch in der Urft dauernd Kohlensäureblasen hochsteigen. Nun bilden aber Kohlesäure und Wasser keine stabile Verbindung. Bei günstiger Belüftung entweicht die Kohlensäure. In einer unbelüfteten Höhle kann nach Dr. Wagner kein Tropfstein entstehen, weil die Raumatmosphäre sich mit Kohlensäure anreichert, keine weitere Kohlensäure mehr entweicht und somit auch kein Kalk ausgeschieden werden kann.


Aufgesägte Kalksinterstücke und Kalksintersäule aus dem Romanischen Haus in Bad Münstereifel.


Das heißt auf den Römerkanal bezogen: Hätten die Römer das Wasser in einem geschlossenen Kanal nach Köln geleitet, so hätte sich die Luft über dem Wasser mit Kohlensäure angereichert, es hätte keine weitere Kohlensäure mehr entweichen und somit auch kein Kalksinter bilden können. Wäre dies den Römern bekannt gewesen, so wären sie mit den Revisionsschächten weitaus sparsamer gewesen oder aber hätten diese besser abgedichtet, zumal der Kalksinter bei den Römern kein begehrenswertes Material war, sondern stattdessen die Leitung stellenweise um den halben Querschnitt verengt hatte .

Damit wäre die Frage nach der Entstehung des Kalksinters hinreichend beantwortet. Die Beantwortung der Frage nach der unterschiedlichen Stärke des Kalksinters ist eine logische Folgerung aus der Antwort. Die Fließgeschwindigkeit ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Sie ist geländebedingt und ändert sich laufend (siehe Tabelle F I i e ß g e sc h w i n d i g k e i t ) .

Diese Tabelle gibt das durchschnittliche Gefälle je zehn Kilometer Kanallänge an. Auf kürzere Abschnitte bezogen ist das Gefälle noch wesentlich unterschiedlicher. Nach Haberey wurde bei Kallmuth, Dreimühlen und Üllekhoven ein Gefälle von 1 zu 30 festgestellt. Auf die Sinterbildung haben diese Extremwerte jedoch keinen Einfluß. Die Sinterbildung ist im Quellgebiet gleich null. Nach dem ersten Sechstel seines Laufes bei Kali, hat der Kanal eine Sinterstärke von zwei Zentimeter. Die Maximalstärke von 30 Zentimetern erreicht der Kalksinter schon am Ende des ersten Drittels von Antweiler bis Kreuzweingarten. Am Ende des zweiten Drittels bei Walberberg sind es nur noch fünf Zentimeter. Im letzten Drittel ist der Kalksinter wieder bedeutungslos.



Die Tabelle zeigt, daß die Fließgeschwindigkeit und die Kalksinterstärke in keiner Beziehung zueinander stehen. Dagegen ist festzustellen, daß im ersten Drittel, also im Bergland, viele durch die gewundene Leitungsführung bedingte Revisisonsschächte (Entlüftungsschächte) vorhanden waren. Im Krebsbachtal bei Breitenbenden sind auf 400 m Kanallänge mehr Entlüftungsschächte bekannt als bei den 60 km des Mittel- und Unterlaufes zusammen.

Da die Kohlensäure den Kalk im Wasser bindet und beim Entschwinden wieder freisetzt, sind wohl in erster Linie die Belüftungsschächte sowohl für die Kalksinterbildung als auch für dessen unterschiedliche Stärke verantwortlich.


Kanalsinteranalyse von C. A. Eick 1867

Sinter von Kallmuth.
1. In Säuren unlöslicher Rückstand, bestehend aus eisenhaltigem Thon ... 0,145 %
2. Kohlensaure Kalkerde ... 98,880 %
3. Kohlensaures Eisenoxydul ... 0,312 %
4. Eisendioxydhydrat ... 0,015%
Außerdem geringe Spuren von Chlor .
Organische Substanzen waren nicht nachzuweisen.


Sinter von Burgfey.

1. Unlöslicher Rückstand, bestehend aus eisenhaltigem Thon und Quarzsand ... 3,350 %
2. Kohlensaure Kalkerde ... 95,251 %
3. Kohlensaures Eisenoxydul ... 0,589 %
4. Eisenoxydhydrat ... 0,004 %
5. Organische Beimengen ... 0,052 %


Höhlensinteranalyse von Erika Blessing, Eschweiler, 1978.

Mittelwerte aus 5 verschiedenen Analysen.
Calciumcarbonat ... 99,7 %
Magnesiumcarbonat und geringe Mengen von Eisenoxyd ... 0,3%
Spurenelemente wurden nicht geprüft.


Quellen:
A. Lambertz: Kurzgefaßte Geschichte des Römerkanals von 1891.
Westdeutsche Bauzeitung Köln, 7. Jahrgang, Nr. 5, 20. Febr. 1924.
W. Haberey: Die römische Wasserleitung nach Köln.
Dr. Wagner, Tübingen: Die Bärenhöhle bei Erpfingen.


Entnommen: Kreis Euskirchen, Heimatkalender - Jahrbuch 1979


Zu diesem Artikel gab es Leserbriefe an den Landschaftsverband Rheinland - Das Rheinische Landesmuseum. Im Bericht aus der Arbeit des Museums 6/78 erschien ein Artikel von Dietwulf Baatz: Temperatur und Sinterbildung und ein weiterer von Andreas Grohmann: Chemie und Sinterbildung



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