61 Jahre tat die Pferdekutsche Jakob Eulenbergs ihren Dienst:

Lützenkirchener Leichenwagen nach Kommern
Von Helmut Leopold - Kölnische Rundschau vom 20. August 1985




Dem Freilichtmuseum wird er bis zum Jahre 1999 als Dauerleihgabe überlassen




Kommern. Ein Relikt früheren Totenkultes in den heutigen Leverkusener Stadtteilen Lützenkirchen und Quettingen wird künftig das aus vielen kulturhistorischen, teils bis ins Mittelalter zurückreichenden Sehenswürdigkeiten bestehende Freilichtmuseum in Kommern bereichern. Es handelt sich hierbei um ein Pferdefuhrwerk zum Transport von Leichen, das den Überlieferungen zufolge von 1895 bis 1956, also 61 Jahre, für Beerdigungsfahrten zu den Friedhöfen beider Ortsteile benutzt wurde.

Von der Jahrhundertwende bis heute hatte das historische Totengefährt seinen Standort im Hause Dohrgasse Nummer 7 in Lützenkirchen, wo damals Jakob Eulenberg ein Fuhrgeschäft unterhielt.

Personen und Post

So steht in Rolf Müllers Buch Opladener Stadtchronik "Upladhin“ geschrieben, daß Jakob Eulenberg aus Holzhausen bereits 1894 mit einem ein oder zweispännigen Wagen zwei bis dreimal täglich zwischen Lützenkirchen, Quettingen und Opladen Personen und auch Postsendungen beförderte, derartige Fahrten aber im Jahr der Eröffnung der elektrischen Kleinbahn (1914) einstellte.




Über mehrere Jahrzehnte hinweg gehörte Jakob Eulenberg zum örtlichen Straßenbild, wenn verstorbene Einwohner zur letzten Ruhestätte gefahren wurden. Er saß in schwarzer Kluft oben auf dem Kutschbock und hielt mit langen Zügeln und der Fuhrmannspeitsche seine ebenfalls in schwarzes Tuch gehüllten Pferde zum Langsamschritt an.

Der Leichenwagen war zweckentsprechend konstruiert, aus schwarz-lackiertem Holz mit Platz für einen Sarg und kunstvoll geschreinerten Halterungen für Kränze. Natürlich saß Jakob Eulenberg auch bei fröhlichen Anlässen hoch droben auf dem Kutschbock. Es war ein sogenannter "Landauer“, den er sich eigens für Hochzeiten, Kindtaufen und Schützenfestzüge angeschafft hatte

Zwei Generationen Leichenwagen in Lützenkirchen: der alte und ein moderner Mercedes. - Foto: Leopold




Nach Eulenbergs Tod führte seine Frau Elisabeth den Fuhrbetrieb weiter und entwickelte trotz hohen Alters noch so viel Initiative. der Technisierung folgend ein Leichenauto in modernster Ausführung an die Stelle von Pferd und Wagen zu setzen. In den 50er Jahren hatte somit das von Pferden gezogene Leichenfuhrwerk endgültig ausgedient.

Der Wunsch Elisabeth Eulenbergs, den traditionellen Fuhrbetrieb aufrecht zu erhalten um ihn einmal einem ihrer Enkel zu übergeben, ging in Erfüllung. Heute setzt Herbert Lüdenbach, der mit seiner Frau Selma das ehemalige Bauernhaus an der Dohrgasse bewohnt, die Tradition des von seinem Großvater vor fast 100 Jahren begonnenen Fuhrunternehmens fort.

Als Totenbestatter firmiert die Familie Lüdenbach nicht. Sie stellt das Leichenauto (Typ Mercedes) lediglich anderen Bestattungsunternehmern für Sargtransporte zur Verfügung. Am Steuer: Eulenberg-Nachfahre Herbert Lüdenbach.

Wie es nun dazu kam, das seit 1956 stillgelegte Pferdefuhrwerk ausgerechnet dem Freilichtmuseum zur Verfügung zu stellen, hat seine Vorgeschichte. Herbert und Selma Lüdenbach lasen vor einigen Monaten in der Zeitung einen Artikel über die Arbeit des Amtes für Landeskunde zum Thema „Volkskundler erforschen Beerdigungsriten." Diese Dienststelle des Landschaftsverbandes Rheinland bat darin die Bürger in Nordrhein-Westfalen um Mithilfe, vor allem auch um Überlassung von Relikten aus der Vergangenheit.

Den Lüdenbachs fiel da sofort der nebenan in der Scheune stehende historische Leichenwagen ein. Man nahm Kontakt mit dem Amt für Landeskunde auf und einigte sich vertraglich, das historische Gefährt zunächst bis 1999 als sogenannte Dauerleihgabe dem Freilichtmuseum Kommern zu überlassen.

Zum Restaurator

Es soll der einzigste noch gut erhaltene Leichenwagen Nordrhein-Westfalens aus dem 19. Jahrhundert sein, wie es heißt. Vielleicht wird dieses Erinnerungsstück an alte Fuhrmannstradition im Gebiet der heutigen Stadt Leverkusen vom Jahre 2000 an ganz in den Besitz des Landschaftsverbandes übergehen.

Vor wenigen Tagen war es soweit. Das Totengefährt wurde aus der Dohrgasse abgeholt und zu einem Restaurator gebracht, um diverse Holzwurmschäden zu beheben. Anschließend wird der historische Leichenwagen seinen Platz im Museum haben, wo er dann als ein Stück nordrhein-westfälischer und auch Lützenkirchener Heimatgeschichte von Besuchern bewundert werden kann.




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